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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
freundlich Gesichte eingebildet hatte/ angesehen
er noch nicht mit so hohem Frauenzimmer umge-
gangen war/ erschrack anfangs hierüber/ iedoch
antwortete er alsobald mit sonderbarem Uber-
muthe: Wem des Königlichen Herrn Vaters
Cabinet und Hertze unverschlossen ist/ der darff
auch dessen Tochter ungescheuet besuchen. Ent-
fernet euch/ unverschämter Graff/ sagte sie mit er-
hitztem Gemüthe/ und wisset/ daß die Väterliche
Gnade der Tochter zu keinem Nachtheil gerei-
chen kan. Mit diesen Worten verwieß sie den
bestürtzten Chaumigrem/ welcher sich dessen nim-
mermehr versehen/ sondern vielmehr in der Ein-
bildung gelebet/ es müste iederman seine Gunst
vor eine Gnade schätzen. Jn solchen Gedancken
stellete er sich zugleich die anmuthigen Geberden/
und verwunderliche Schönheit/ welche er wäh-
renden Singens sattsam betrachtet/ vor Augen/
und befand sich dermassen gerühret/ daß er nicht
anders als rasende zu seyn schiene/ wann er be-
trachtete/ wie ihn so etwas angenehmes verwun-
det und zugleich verstossen hatte. Und daß ich
nicht irre/ so können meine Herren unschwer hier-
aus abnehmen/ wie ewig es Wunder gewesen
sey/ daß sich ein solcher Barbarischer Mensch
durch so kurtzes Anschauen habe entzünden lassen/
wann ich ihre Person nach meinem schlechten
Verstande möglichst beschreibe: Sie war einer
anständigen Länge/ sehr wol gewachsen/ ihr Haupt
war mit Kohl-schwartzen natürlichen Locken be-

decket

Der Aſiatiſchen Baniſe.
freundlich Geſichte eingebildet hatte/ angeſehen
er noch nicht mit ſo hohem Frauenzimmer umge-
gangen war/ erſchrack anfangs hieruͤber/ iedoch
antwortete er alſobald mit ſonderbarem Uber-
muthe: Wem des Koͤniglichen Herrn Vaters
Cabinet und Hertze unverſchloſſen iſt/ der darff
auch deſſen Tochter ungeſcheuet beſuchen. Ent-
fernet euch/ unverſchaͤmter Graff/ ſagte ſie mit er-
hitztem Gemuͤthe/ und wiſſet/ daß die Vaͤterliche
Gnade der Tochter zu keinem Nachtheil gerei-
chen kan. Mit dieſen Worten verwieß ſie den
beſtuͤrtzten Chaumigrem/ welcher ſich deſſen nim-
mermehr verſehen/ ſondern vielmehr in der Ein-
bildung gelebet/ es muͤſte iederman ſeine Gunſt
vor eine Gnade ſchaͤtzen. Jn ſolchen Gedancken
ſtellete er ſich zugleich die anmuthigen Geberden/
und verwunderliche Schoͤnheit/ welche er waͤh-
renden Singens ſattſam betrachtet/ vor Augen/
und befand ſich dermaſſen geruͤhret/ daß er nicht
anders als raſende zu ſeyn ſchiene/ wann er be-
trachtete/ wie ihn ſo etwas angenehmes verwun-
det und zugleich verſtoſſen hatte. Und daß ich
nicht irre/ ſo koͤnnen meine Herren unſchwer hier-
aus abnehmen/ wie ewig es Wunder geweſen
ſey/ daß ſich ein ſolcher Barbariſcher Menſch
durch ſo kurtzes Anſchauen habe entzuͤnden laſſen/
wann ich ihre Perſon nach meinem ſchlechten
Verſtande moͤglichſt beſchreibe: Sie war einer
anſtaͤndigen Laͤnge/ ſehr wol gewachſen/ ihr Haupt
war mit Kohl-ſchwartzen natuͤrlichen Locken be-

decket
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[70/0090] Der Aſiatiſchen Baniſe. freundlich Geſichte eingebildet hatte/ angeſehen er noch nicht mit ſo hohem Frauenzimmer umge- gangen war/ erſchrack anfangs hieruͤber/ iedoch antwortete er alſobald mit ſonderbarem Uber- muthe: Wem des Koͤniglichen Herrn Vaters Cabinet und Hertze unverſchloſſen iſt/ der darff auch deſſen Tochter ungeſcheuet beſuchen. Ent- fernet euch/ unverſchaͤmter Graff/ ſagte ſie mit er- hitztem Gemuͤthe/ und wiſſet/ daß die Vaͤterliche Gnade der Tochter zu keinem Nachtheil gerei- chen kan. Mit dieſen Worten verwieß ſie den beſtuͤrtzten Chaumigrem/ welcher ſich deſſen nim- mermehr verſehen/ ſondern vielmehr in der Ein- bildung gelebet/ es muͤſte iederman ſeine Gunſt vor eine Gnade ſchaͤtzen. Jn ſolchen Gedancken ſtellete er ſich zugleich die anmuthigen Geberden/ und verwunderliche Schoͤnheit/ welche er waͤh- renden Singens ſattſam betrachtet/ vor Augen/ und befand ſich dermaſſen geruͤhret/ daß er nicht anders als raſende zu ſeyn ſchiene/ wann er be- trachtete/ wie ihn ſo etwas angenehmes verwun- det und zugleich verſtoſſen hatte. Und daß ich nicht irre/ ſo koͤnnen meine Herren unſchwer hier- aus abnehmen/ wie ewig es Wunder geweſen ſey/ daß ſich ein ſolcher Barbariſcher Menſch durch ſo kurtzes Anſchauen habe entzuͤnden laſſen/ wann ich ihre Perſon nach meinem ſchlechten Verſtande moͤglichſt beſchreibe: Sie war einer anſtaͤndigen Laͤnge/ ſehr wol gewachſen/ ihr Haupt war mit Kohl-ſchwartzen natuͤrlichen Locken be- decket

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/90>, abgerufen am 24.11.2024.