Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

ist so wahr, daß die recht guten Leser es kaum
dulden, wenn die Anmerkung auch nur durch
eine gewisse Vorstellung der Sache in die Er-
zählung eingewebt wird. Daß man ein für
allemal nicht haben will, daß der Geschicht-
schreiber Anmerkungen einmische, dieß komt
daher. Man will sich in dem warmen Anthei-
le, den man an den Begebenheiten nimt,
durch nichts stören lassen, am wenigsten durch
etwas so kaltes, als Anmerkungen selbst die
besten zu seyn pflegen; aufs höchste will man
die Unterbrechung nur sich selbst erlauben. Da
also der Geschichtschreiber nun einmal ein
Freudenstörer gewesen war, und man daher
verdrieslich auf ihn ist, so mist man ihm nun
auch den Stolz bey, als ob er geglaubt hätte,
der Leser würde die Anmerkung nicht selbst ha-
ben machen können. Kurz, es ist ein misli-
ches Wagstük, wenn ein Geschichtschreiber
Anmerkungen einstreut. Auch haben wir uns
bisher sorgfältig davor gehütet, den angezeig-
ten Fehler zu begehen. Aber völlig unverzeih-
lich ist er denn doch auch nicht. Es wird also
darauf ankommen, den Leser bey jedesmaliger
Begehung zur Verzeihung geneigt zu machen.

Wir haben kein andres Mittel zu diesem
Zwecke zu gelangen ausfinden können, als der
Anmerkung allezeit eine gewisse Formel vorzu-

sezen,
N

iſt ſo wahr, daß die recht guten Leſer es kaum
dulden, wenn die Anmerkung auch nur durch
eine gewiſſe Vorſtellung der Sache in die Er-
zaͤhlung eingewebt wird. Daß man ein fuͤr
allemal nicht haben will, daß der Geſchicht-
ſchreiber Anmerkungen einmiſche, dieß komt
daher. Man will ſich in dem warmen Anthei-
le, den man an den Begebenheiten nimt,
durch nichts ſtoͤren laſſen, am wenigſten durch
etwas ſo kaltes, als Anmerkungen ſelbſt die
beſten zu ſeyn pflegen; aufs hoͤchſte will man
die Unterbrechung nur ſich ſelbſt erlauben. Da
alſo der Geſchichtſchreiber nun einmal ein
Freudenſtoͤrer geweſen war, und man daher
verdrieslich auf ihn iſt, ſo miſt man ihm nun
auch den Stolz bey, als ob er geglaubt haͤtte,
der Leſer wuͤrde die Anmerkung nicht ſelbſt ha-
ben machen koͤnnen. Kurz, es iſt ein misli-
ches Wagſtuͤk, wenn ein Geſchichtſchreiber
Anmerkungen einſtreut. Auch haben wir uns
bisher ſorgfaͤltig davor gehuͤtet, den angezeig-
ten Fehler zu begehen. Aber voͤllig unverzeih-
lich iſt er denn doch auch nicht. Es wird alſo
darauf ankommen, den Leſer bey jedesmaliger
Begehung zur Verzeihung geneigt zu machen.

Wir haben kein andres Mittel zu dieſem
Zwecke zu gelangen ausfinden koͤnnen, als der
Anmerkung allezeit eine gewiſſe Formel vorzu-

ſezen,
N
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0269" n="193"/>
i&#x017F;t &#x017F;o wahr, daß die recht guten Le&#x017F;er es kaum<lb/>
dulden, wenn die Anmerkung auch nur durch<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Vor&#x017F;tellung der Sache in die Er-<lb/>
za&#x0364;hlung eingewebt wird. Daß man ein fu&#x0364;r<lb/>
allemal nicht haben will, daß der Ge&#x017F;chicht-<lb/>
&#x017F;chreiber Anmerkungen einmi&#x017F;che, dieß komt<lb/>
daher. Man will &#x017F;ich in dem warmen Anthei-<lb/>
le, den man an den Begebenheiten nimt,<lb/>
durch nichts &#x017F;to&#x0364;ren la&#x017F;&#x017F;en, am wenig&#x017F;ten durch<lb/>
etwas &#x017F;o kaltes, als Anmerkungen &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
be&#x017F;ten zu &#x017F;eyn pflegen; aufs ho&#x0364;ch&#x017F;te will man<lb/>
die Unterbrechung nur &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t erlauben. Da<lb/>
al&#x017F;o der Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber nun einmal ein<lb/>
Freuden&#x017F;to&#x0364;rer gewe&#x017F;en war, und man daher<lb/>
verdrieslich auf ihn i&#x017F;t, &#x017F;o mi&#x017F;t man ihm nun<lb/>
auch den Stolz bey, als ob er geglaubt ha&#x0364;tte,<lb/>
der Le&#x017F;er wu&#x0364;rde die Anmerkung nicht &#x017F;elb&#x017F;t ha-<lb/>
ben machen ko&#x0364;nnen. Kurz, es i&#x017F;t ein misli-<lb/>
ches Wag&#x017F;tu&#x0364;k, wenn ein Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber<lb/>
Anmerkungen ein&#x017F;treut. Auch haben wir uns<lb/>
bisher &#x017F;orgfa&#x0364;ltig davor gehu&#x0364;tet, den angezeig-<lb/>
ten Fehler zu begehen. Aber vo&#x0364;llig unverzeih-<lb/>
lich i&#x017F;t er denn doch auch nicht. Es wird al&#x017F;o<lb/>
darauf ankommen, den Le&#x017F;er bey jedesmaliger<lb/>
Begehung zur Verzeihung geneigt zu machen.</p><lb/>
          <p>Wir haben kein andres Mittel zu die&#x017F;em<lb/>
Zwecke zu gelangen ausfinden ko&#x0364;nnen, als der<lb/>
Anmerkung allezeit eine gewi&#x017F;&#x017F;e Formel vorzu-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ezen,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0269] iſt ſo wahr, daß die recht guten Leſer es kaum dulden, wenn die Anmerkung auch nur durch eine gewiſſe Vorſtellung der Sache in die Er- zaͤhlung eingewebt wird. Daß man ein fuͤr allemal nicht haben will, daß der Geſchicht- ſchreiber Anmerkungen einmiſche, dieß komt daher. Man will ſich in dem warmen Anthei- le, den man an den Begebenheiten nimt, durch nichts ſtoͤren laſſen, am wenigſten durch etwas ſo kaltes, als Anmerkungen ſelbſt die beſten zu ſeyn pflegen; aufs hoͤchſte will man die Unterbrechung nur ſich ſelbſt erlauben. Da alſo der Geſchichtſchreiber nun einmal ein Freudenſtoͤrer geweſen war, und man daher verdrieslich auf ihn iſt, ſo miſt man ihm nun auch den Stolz bey, als ob er geglaubt haͤtte, der Leſer wuͤrde die Anmerkung nicht ſelbſt ha- ben machen koͤnnen. Kurz, es iſt ein misli- ches Wagſtuͤk, wenn ein Geſchichtſchreiber Anmerkungen einſtreut. Auch haben wir uns bisher ſorgfaͤltig davor gehuͤtet, den angezeig- ten Fehler zu begehen. Aber voͤllig unverzeih- lich iſt er denn doch auch nicht. Es wird alſo darauf ankommen, den Leſer bey jedesmaliger Begehung zur Verzeihung geneigt zu machen. Wir haben kein andres Mittel zu dieſem Zwecke zu gelangen ausfinden koͤnnen, als der Anmerkung allezeit eine gewiſſe Formel vorzu- ſezen, N

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/269
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/269>, abgerufen am 22.11.2024.