dahingegen Bildung Schönheit und solche Wörter die Sylbenendung haben. Diese Unterscheidung verkürzt dasjenige, was von den Umendungen und dem Geschlechte der Wörter zu sagen ist. Die Ver- mehrungen der einfachen Wörter sind e, roth Rö- the; g, behr Berg; k, soll Schalk; d, soll Schuld; t, mag Macht (mögen hieß sonst können, diese Be- deutung ist noch in vermögen). m, hüll Helm; n, vor vorn; s, krup Krebs; (nicht wenig deut- sche Wörter stammen von niederdeutschen ab) sch, Mann Mensch; ft, zahm Zunft; st, kann Kunst; ng, thu Ding; und z her Herz. (Her ist so viel als, er ur. Der Begrif ist: ursprüngliche Le- benskraft)
Vordem brauchten wir alle Selbstlaute zu Ver- mehrungen; jezt brauchen wir nur das einzige e dazu.
Unsre ältern Vorfahren endeten die meisten Wör- ter mit Selbstlauten. Die Jtaliener, und Spa- nier scheinen dieß (denn sie brauchen die von den altdeutschen unterschiednen römischen Endungen nicht) von ihnen, die ihre Ueberwinder waren, ge- nommen zu haben. Unsre spätern Vorfahren haben die Selbstlaute bis auf das e (und auch dieß komt eben nicht oft vor) weggeworfen. Der Verdruß über diesen Verlust hat mich manchmal darauf ge- bracht, die Ursach der Wegwerfung zu finden. Jch bin bey folgender stehn geblieben: So viel ich von der Geschichte unsrer Sprache weis, so war man die ganze Zeit über, da man die Selbstlaute am Ende der Wörter brauchte, nicht gewiß genung, welche (es ist da nur sehr wenig Festgeseztes) man brauchen wolte. Hierdurch musten notwendig Undeutlichkeit und Doppelsinn entstehn, und dieß um so viel mehr, da auch die Umendungen der Wörter durch Selbst-
laute
dahingegen Bildung Schoͤnheit und ſolche Woͤrter die Sylbenendung haben. Dieſe Unterſcheidung verkuͤrzt dasjenige, was von den Umendungen und dem Geſchlechte der Woͤrter zu ſagen iſt. Die Ver- mehrungen der einfachen Woͤrter ſind e, roth Roͤ- the; g, behr Berg; k, ſoll Schalk; d, ſoll Schuld; t, mag Macht (moͤgen hieß ſonſt koͤnnen, dieſe Be- deutung iſt noch in vermoͤgen). m, huͤll Helm; n, vor vorn; s, krup Krebs; (nicht wenig deut- ſche Woͤrter ſtammen von niederdeutſchen ab) ſch, Mann Menſch; ft, zahm Zunft; ſt, kann Kunſt; ng, thu Ding; und z her Herz. (Her iſt ſo viel als, er ur. Der Begrif iſt: urſpruͤngliche Le- benskraft)
Vordem brauchten wir alle Selbſtlaute zu Ver- mehrungen; jezt brauchen wir nur das einzige e dazu.
Unſre aͤltern Vorfahren endeten die meiſten Woͤr- ter mit Selbſtlauten. Die Jtaliener, und Spa- nier ſcheinen dieß (denn ſie brauchen die von den altdeutſchen unterſchiednen roͤmiſchen Endungen nicht) von ihnen, die ihre Ueberwinder waren, ge- nommen zu haben. Unſre ſpaͤtern Vorfahren haben die Selbſtlaute bis auf das e (und auch dieß komt eben nicht oft vor) weggeworfen. Der Verdruß uͤber dieſen Verluſt hat mich manchmal darauf ge- bracht, die Urſach der Wegwerfung zu finden. Jch bin bey folgender ſtehn geblieben: So viel ich von der Geſchichte unſrer Sprache weis, ſo war man die ganze Zeit uͤber, da man die Selbſtlaute am Ende der Woͤrter brauchte, nicht gewiß genung, welche (es iſt da nur ſehr wenig Feſtgeſeztes) man brauchen wolte. Hierdurch muſten notwendig Undeutlichkeit und Doppelſinn entſtehn, und dieß um ſo viel mehr, da auch die Umendungen der Woͤrter durch Selbſt-
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dahingegen Bildung Schoͤnheit und ſolche Woͤrter
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verkuͤrzt dasjenige, was von den Umendungen und
dem Geſchlechte der Woͤrter zu ſagen iſt. Die Ver-
mehrungen der einfachen Woͤrter ſind e, roth Roͤ-
the; g, behr Berg; k, ſoll Schalk; d, ſoll Schuld;
t, mag Macht (moͤgen hieß ſonſt koͤnnen, dieſe Be-
deutung iſt noch in vermoͤgen). m, huͤll Helm;
n, vor vorn; s, krup Krebs; (nicht wenig deut-
ſche Woͤrter ſtammen von niederdeutſchen ab) ſch,
Mann Menſch; ft, zahm Zunft; ſt, kann Kunſt;
ng, thu Ding; und z her Herz. (Her iſt ſo viel
als, er ur. Der Begrif iſt: urſpruͤngliche Le-
benskraft)
Vordem brauchten wir alle Selbſtlaute zu Ver-
mehrungen; jezt brauchen wir nur das einzige e dazu.
Unſre aͤltern Vorfahren endeten die meiſten Woͤr-
ter mit Selbſtlauten. Die Jtaliener, und Spa-
nier ſcheinen dieß (denn ſie brauchen die von den
altdeutſchen unterſchiednen roͤmiſchen Endungen
nicht) von ihnen, die ihre Ueberwinder waren, ge-
nommen zu haben. Unſre ſpaͤtern Vorfahren haben
die Selbſtlaute bis auf das e (und auch dieß komt
eben nicht oft vor) weggeworfen. Der Verdruß
uͤber dieſen Verluſt hat mich manchmal darauf ge-
bracht, die Urſach der Wegwerfung zu finden. Jch
bin bey folgender ſtehn geblieben: So viel ich von
der Geſchichte unſrer Sprache weis, ſo war man die
ganze Zeit uͤber, da man die Selbſtlaute am Ende
der Woͤrter brauchte, nicht gewiß genung, welche
(es iſt da nur ſehr wenig Feſtgeſeztes) man brauchen
wolte. Hierdurch muſten notwendig Undeutlichkeit
und Doppelſinn entſtehn, und dieß um ſo viel mehr,
da auch die Umendungen der Woͤrter durch Selbſt-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/332>, abgerufen am 22.11.2024.
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