[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Oder
Oder
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="2"> <l> <pb facs="#f0122" n="110"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Und erbebt’. Jhm gluͤhte ſein Antlitz. Er ſchaut auf den Boden</l><lb/> <l>Sprachlos und ſtarr. Jhn ſahn die Sadducaͤer, und ſtanden</l><lb/> <l>Gegen Philo mit Ungeſtuͤm auf. Wie tief in der Feldſchlacht</l><lb/> <l>Kriegriſche Roſſe vorm eiſernen Wagen ſich Zuͤgellos heben,</l><lb/> <l>Wenn die klingende Lanze daher bebt, dem rufenden Feldherrn,</l><lb/> <l>Den ſie zogen, den Tod traͤgt, und unter ſie ihn blutathmend</l><lb/> <l>Stuͤrzt. Sie wiehern hoch her, und drohn mit funkelnden Augen,</l><lb/> <l>Stampfen die Erde, die bebt, und hauchen dem Sturmwind entgegen.</l><lb/> <l>Jtzo haͤtte voll Wut ſich ſchnell die Verſammlung getrennet,</l><lb/> <l>Waͤre nicht unter ihnen Gamaliel aufgeſtanden.</l><lb/> <l>Heitre Vernunft erfuͤllte ſein Antlitz. Der weiſe Mann ſprach ſo:</l><lb/> <l>Wenn in dieſem Sturme des grimmigen Zorns die Vernunft noch</l><lb/> <l>Etwas vermag, wenn Weisheit euch lieb iſt, ſo hoͤret mich, Vaͤter.</l><lb/> <l>Wenn der ewige Zwiſt ſtets wieder unter euch aufwacht,</l><lb/> <l>Wenn Phariſaͤer, und Sadducaͤer, wenn dieſe Namen,</l><lb/> <l>Ewig euch trennen, wie werdet ihr da den Propheten vertilgen?</l><lb/> <l>Zwar Gott ſendet vielleicht die eiferſuͤchtige Zankſucht</l><lb/> <l>Unter euch, Vaͤter, weil er dieß ſeinen hohen Gerichten</l><lb/> <l>Vorbehielt, uͤber den Nazaraͤer ein Urtheil zu ſprechen.</l><lb/> <l>Laſſet, Vaͤter, Gott ſein Gericht! Jhr moͤchtet zu ſchwach ſeyn,</l><lb/> <l>Seinen Donner zu nehmen, und unter der maͤchtigen Ruͤſtung,</l><lb/> <l>Vor der die Himmel erzittern, in niedrigen Staub hinſinken.</l><lb/> <l>Schweigt ihr vor Gott, und hoͤret der Stimme des kommenden Richters</l><lb/> <l>Still entgegen! Er wird bald reden, und ſeine Stimme</l><lb/> <l>Wird der Erdkreis erſtaunt, vom Aufgang und Untergang hoͤren.</l><lb/> <l>Spricht Gott zum Ungewitter: zerſchmettr ihn! und zu dem Sturmwind:</l><lb/> <l>Hauche ſein ſinkend Gebein, wie Staub, in alle vier Winde!<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Oder</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0122]
Der Meßias.
Und erbebt’. Jhm gluͤhte ſein Antlitz. Er ſchaut auf den Boden
Sprachlos und ſtarr. Jhn ſahn die Sadducaͤer, und ſtanden
Gegen Philo mit Ungeſtuͤm auf. Wie tief in der Feldſchlacht
Kriegriſche Roſſe vorm eiſernen Wagen ſich Zuͤgellos heben,
Wenn die klingende Lanze daher bebt, dem rufenden Feldherrn,
Den ſie zogen, den Tod traͤgt, und unter ſie ihn blutathmend
Stuͤrzt. Sie wiehern hoch her, und drohn mit funkelnden Augen,
Stampfen die Erde, die bebt, und hauchen dem Sturmwind entgegen.
Jtzo haͤtte voll Wut ſich ſchnell die Verſammlung getrennet,
Waͤre nicht unter ihnen Gamaliel aufgeſtanden.
Heitre Vernunft erfuͤllte ſein Antlitz. Der weiſe Mann ſprach ſo:
Wenn in dieſem Sturme des grimmigen Zorns die Vernunft noch
Etwas vermag, wenn Weisheit euch lieb iſt, ſo hoͤret mich, Vaͤter.
Wenn der ewige Zwiſt ſtets wieder unter euch aufwacht,
Wenn Phariſaͤer, und Sadducaͤer, wenn dieſe Namen,
Ewig euch trennen, wie werdet ihr da den Propheten vertilgen?
Zwar Gott ſendet vielleicht die eiferſuͤchtige Zankſucht
Unter euch, Vaͤter, weil er dieß ſeinen hohen Gerichten
Vorbehielt, uͤber den Nazaraͤer ein Urtheil zu ſprechen.
Laſſet, Vaͤter, Gott ſein Gericht! Jhr moͤchtet zu ſchwach ſeyn,
Seinen Donner zu nehmen, und unter der maͤchtigen Ruͤſtung,
Vor der die Himmel erzittern, in niedrigen Staub hinſinken.
Schweigt ihr vor Gott, und hoͤret der Stimme des kommenden Richters
Still entgegen! Er wird bald reden, und ſeine Stimme
Wird der Erdkreis erſtaunt, vom Aufgang und Untergang hoͤren.
Spricht Gott zum Ungewitter: zerſchmettr ihn! und zu dem Sturmwind:
Hauche ſein ſinkend Gebein, wie Staub, in alle vier Winde!
Oder
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