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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Der Meßias.

Hoch das allerheiligste Gottes, und zittert darunter:
Aber vor allen Bergen Judäa ist Tabor doch herrlich,
Tabor, verbreitet vor Gott, ein Zeuge der hohen Verklärung.
Also war unter den göttlichen Frauen die hohe Maria.
Als sie bey seinen geliebtesten Jüngern Jesum nicht sahe,
Blieb sie wehmutsvoll stehn .... Da sie zu reden vermochte,
Wandte sie gegen Johannes ihr Antlitz, und lächelte weinend:
Ach, den mein Arm getragen, der oft mit kindlichem Blicke
An mein Herz sich geneigt hat, zwar zittr' ich, Sohn ihn zu nennen!
Denn er ist viel zu erhaben für eine sterbliche Mutter!
Viel zu wunderthätig und groß, von Maria gebohren,
Und geliebet zu seyn! Wo ist er, theurer Johannes,
Wo ist Gottes Sohn, unser Prophet? Jch hab ihn schon lange
Ueberall ängstlich gesucht, daß er nicht nach Jerusalem komme,
Jn die entheiligte wütende Stadt. Sie wollen ihn tödten!
Ach, sie wollen ihn tödten, den meine Hände getragen,
Meine Brüste gesäugt, den meine weinenden Augen
Mütterlich angeblickt haben, als er ein blühendes Kind war.
Sanft erwiedert der fromme Johannes: er hat uns befohlen,
Hier ihm ein Mahl zu bereiten, das Lamm des Bundes zu schlachten.
Bald wird er selbst von Bethanien kommen. Erwart ihn, Maria!
Rede mit ihm, wenn er kömmt, was dir dein Herz dann gebietet,
Das so mütterlich ist, so würdig unsers Propheten!
Alle schwiegen, und Lazarus Schwester, die junge Maria,
Neigte sich sanft an ihre geliebteste Cidli; ihr Bruder
Stand bey Cidli, und sah mit schweigender Traurigkeit nieder.
Diese kannte den Schmerz, der lange schon Lazarus Herz traf,

Und

Der Meßias.

Hoch das allerheiligſte Gottes, und zittert darunter:
Aber vor allen Bergen Judaͤa iſt Tabor doch herrlich,
Tabor, verbreitet vor Gott, ein Zeuge der hohen Verklaͤrung.
Alſo war unter den goͤttlichen Frauen die hohe Maria.
Als ſie bey ſeinen geliebteſten Juͤngern Jeſum nicht ſahe,
Blieb ſie wehmutsvoll ſtehn …. Da ſie zu reden vermochte,
Wandte ſie gegen Johannes ihr Antlitz, und laͤchelte weinend:
Ach, den mein Arm getragen, der oft mit kindlichem Blicke
An mein Herz ſich geneigt hat, zwar zittr’ ich, Sohn ihn zu nennen!
Denn er iſt viel zu erhaben fuͤr eine ſterbliche Mutter!
Viel zu wunderthaͤtig und groß, von Maria gebohren,
Und geliebet zu ſeyn! Wo iſt er, theurer Johannes,
Wo iſt Gottes Sohn, unſer Prophet? Jch hab ihn ſchon lange
Ueberall aͤngſtlich geſucht, daß er nicht nach Jeruſalem komme,
Jn die entheiligte wuͤtende Stadt. Sie wollen ihn toͤdten!
Ach, ſie wollen ihn toͤdten, den meine Haͤnde getragen,
Meine Bruͤſte geſaͤugt, den meine weinenden Augen
Muͤtterlich angeblickt haben, als er ein bluͤhendes Kind war.
Sanft erwiedert der fromme Johannes: er hat uns befohlen,
Hier ihm ein Mahl zu bereiten, das Lamm des Bundes zu ſchlachten.
Bald wird er ſelbſt von Bethanien kommen. Erwart ihn, Maria!
Rede mit ihm, wenn er koͤmmt, was dir dein Herz dann gebietet,
Das ſo muͤtterlich iſt, ſo wuͤrdig unſers Propheten!
Alle ſchwiegen, und Lazarus Schweſter, die junge Maria,
Neigte ſich ſanft an ihre geliebteſte Cidli; ihr Bruder
Stand bey Cidli, und ſah mit ſchweigender Traurigkeit nieder.
Dieſe kannte den Schmerz, der lange ſchon Lazarus Herz traf,

Und
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[130/0142] Der Meßias. Hoch das allerheiligſte Gottes, und zittert darunter: Aber vor allen Bergen Judaͤa iſt Tabor doch herrlich, Tabor, verbreitet vor Gott, ein Zeuge der hohen Verklaͤrung. Alſo war unter den goͤttlichen Frauen die hohe Maria. Als ſie bey ſeinen geliebteſten Juͤngern Jeſum nicht ſahe, Blieb ſie wehmutsvoll ſtehn …. Da ſie zu reden vermochte, Wandte ſie gegen Johannes ihr Antlitz, und laͤchelte weinend: Ach, den mein Arm getragen, der oft mit kindlichem Blicke An mein Herz ſich geneigt hat, zwar zittr’ ich, Sohn ihn zu nennen! Denn er iſt viel zu erhaben fuͤr eine ſterbliche Mutter! Viel zu wunderthaͤtig und groß, von Maria gebohren, Und geliebet zu ſeyn! Wo iſt er, theurer Johannes, Wo iſt Gottes Sohn, unſer Prophet? Jch hab ihn ſchon lange Ueberall aͤngſtlich geſucht, daß er nicht nach Jeruſalem komme, Jn die entheiligte wuͤtende Stadt. Sie wollen ihn toͤdten! Ach, ſie wollen ihn toͤdten, den meine Haͤnde getragen, Meine Bruͤſte geſaͤugt, den meine weinenden Augen Muͤtterlich angeblickt haben, als er ein bluͤhendes Kind war. Sanft erwiedert der fromme Johannes: er hat uns befohlen, Hier ihm ein Mahl zu bereiten, das Lamm des Bundes zu ſchlachten. Bald wird er ſelbſt von Bethanien kommen. Erwart ihn, Maria! Rede mit ihm, wenn er koͤmmt, was dir dein Herz dann gebietet, Das ſo muͤtterlich iſt, ſo wuͤrdig unſers Propheten! Alle ſchwiegen, und Lazarus Schweſter, die junge Maria, Neigte ſich ſanft an ihre geliebteſte Cidli; ihr Bruder Stand bey Cidli, und ſah mit ſchweigender Traurigkeit nieder. Dieſe kannte den Schmerz, der lange ſchon Lazarus Herz traf, Und

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/142>, abgerufen am 24.11.2024.