[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
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<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="4"> <l> <pb facs="#f0150" n="138"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Joſeph von Arimathaͤa, die Auferſtehung erwarten.</l><lb/> <l>Jeſus ſteht bey dem Grabmal: er richtet auf Golgathas Huͤgel,</l><lb/> <l>Blicke voll goͤttlichen Tiefſinns. Und alſo denket der Gottmenſch:</l><lb/> <l>Nun entweichet der Tag. Sie koͤmmt mit ſchlummernden Luͤften,</l><lb/> <l>Die erbetete Nacht ruht auf Gethſemane. Bald wird</l><lb/> <l>Wieder ein Tag den Huͤgel erleuchten, der daͤmmernd dort aufſteigt;</l><lb/> <l>Golgatha! Den das Gebein der niedrigſten Suͤnder bedecket!</l><lb/> <l>Du biſt zum Altare geworden! Das Opfer iſt willig,</l><lb/> <l>Auf dir geſchlachtet zu werden! Bald wird es bluten! Willkommen,</l><lb/> <l>Tod fuͤrs Menſchengeſchlecht! Dann wird mein Vater mich ſehen,</l><lb/> <l>Von dem Thron, wo ich war. Die Seraphim werden mich ſehen,</l><lb/> <l>Und viel Zeugen von denen, fuͤr die ich ſterbe! Willkommen,</l><lb/> <l>Tod, fuͤr die Erben des ewigen Lebens! Zur Rechte des Vaters</l><lb/> <l>Saß ich mit Herrlichkeit uͤberkleidet, voll ſchoͤner Wunden,</l><lb/> <l>Und der Freund der Erſchaffnen! Jch bin ihr Bruder geworden!</l><lb/> <l>Auch mit Herrlichkeit uͤberkleidet, voll ſchoͤner Wunden,</l><lb/> <l>Will ich mein Leben fuͤr ſie auf deinen Hoͤhen verbluten,</l><lb/> <l>Golgatha! … Dann, (hier wandt er ſich um, und ſchaut auf das Grabmal.)</l><lb/> <l>Dann will ich hier im ſtillen Gewoͤlbe des kuͤhlenden Grabes,</l><lb/> <l>Wenige Tage, wie in den Gefilden der Seligen, ſchlummern,</l><lb/> <l>Einen ſanfteren Schlaf, als der, den Adam ſich dachte,</l><lb/> <l>Da das große Raͤthſel vom Tod ihm ſelber enthuͤllt ward,</l><lb/> <l>Und er, an einem traurigen Abend, der heiligen Waͤchter</l><lb/> <l>Hohen Rathſchluß vernahm: er ſollte ſich legen, und ſterben;</l><lb/> <l>Viel Jahrhunderte ſchlafen; und uͤber ihn ſollten die Fuͤße</l><lb/> <l>Seiner Nachkommen wandeln; er ihre Stimme nicht hoͤren!</l><lb/> <l>Aber auch die ſind geſtorben, und uͤber ihren Gebeinen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Hat</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0150]
Der Meßias.
Joſeph von Arimathaͤa, die Auferſtehung erwarten.
Jeſus ſteht bey dem Grabmal: er richtet auf Golgathas Huͤgel,
Blicke voll goͤttlichen Tiefſinns. Und alſo denket der Gottmenſch:
Nun entweichet der Tag. Sie koͤmmt mit ſchlummernden Luͤften,
Die erbetete Nacht ruht auf Gethſemane. Bald wird
Wieder ein Tag den Huͤgel erleuchten, der daͤmmernd dort aufſteigt;
Golgatha! Den das Gebein der niedrigſten Suͤnder bedecket!
Du biſt zum Altare geworden! Das Opfer iſt willig,
Auf dir geſchlachtet zu werden! Bald wird es bluten! Willkommen,
Tod fuͤrs Menſchengeſchlecht! Dann wird mein Vater mich ſehen,
Von dem Thron, wo ich war. Die Seraphim werden mich ſehen,
Und viel Zeugen von denen, fuͤr die ich ſterbe! Willkommen,
Tod, fuͤr die Erben des ewigen Lebens! Zur Rechte des Vaters
Saß ich mit Herrlichkeit uͤberkleidet, voll ſchoͤner Wunden,
Und der Freund der Erſchaffnen! Jch bin ihr Bruder geworden!
Auch mit Herrlichkeit uͤberkleidet, voll ſchoͤner Wunden,
Will ich mein Leben fuͤr ſie auf deinen Hoͤhen verbluten,
Golgatha! … Dann, (hier wandt er ſich um, und ſchaut auf das Grabmal.)
Dann will ich hier im ſtillen Gewoͤlbe des kuͤhlenden Grabes,
Wenige Tage, wie in den Gefilden der Seligen, ſchlummern,
Einen ſanfteren Schlaf, als der, den Adam ſich dachte,
Da das große Raͤthſel vom Tod ihm ſelber enthuͤllt ward,
Und er, an einem traurigen Abend, der heiligen Waͤchter
Hohen Rathſchluß vernahm: er ſollte ſich legen, und ſterben;
Viel Jahrhunderte ſchlafen; und uͤber ihn ſollten die Fuͤße
Seiner Nachkommen wandeln; er ihre Stimme nicht hoͤren!
Aber auch die ſind geſtorben, und uͤber ihren Gebeinen
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