Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Dreyzehnter Gesang.
Also starb er! So sahen wir ihn! O Leichnam, du schlummerst,
Leichnam des Unerschaffnen! Noch wart ihr nicht, Engel, da warf er
Auch dieß Licht, wir sahens wie Dämmrung vordem! auf der Schöpfung
Urgestalt, die Strahlen, als er der langen Aeonen
Reihen dachte; Sterbliche sollten entschlummern! Er selber!
Dann erwachen! Verkündets in allen Himmeln, ihr Zeugen
Seines Todes! erzählts in jeder Hütte des Friedens!
Keiner würdige sie, von allen Seligen keiner!
Sagts der Hölle nicht an! doch, wenn ihr sie würdiget, donnert
Schreckende Halleluja hinab, daß sie weiter hinüber
Weiler vom Himmel ins Unermeßliche fliehe! Der Gottmensch
Wird erwachen! nun bald hoch über dem Staube des Grabes
Stehen! und Herrlichkeit seyn! und Herrlichkeit! Halleluja!
Kommt, kommt eilend zu uns, ihr seine Zeugen auf Erden,
Schon sind Hütten der Ruhe für euch geöffnet! die Palme
Winket euch schon! Bald habt ihr euer Zeugniß gezeuget,
Bald geblutet, wie Er! Du Blut der Märtyrer, rufe
Nicht der Rache, der Rache! wie Abels, rufe der Krone!
Stephanus! und Jakobus! ihr Ersten! die Morgenröthe
Seines verkündigten Heils kaum bricht sie hervor, und ihr siegt schon!
Stephanus! und Jakobus! verlaßt denn Kanaan! Joseph
Kann sich länger nicht halten! nun länger nicht! Halleluja!

David sangs, und erlag der Entzückung. Das Halleluja
Konnt' er kaum vollenden. Die lispelnde Harf' entsank ihm.
Und in seines Lichtes Gewande, die Palme weht' ihm
Jn der Rechten, ihm wehte sein goldenes Haar, sang Joseph
Gegen den Bruder, der einst in seinen Umarmungen weinte:
O der
G 5

Dreyzehnter Geſang.
Alſo ſtarb er! So ſahen wir ihn! O Leichnam, du ſchlummerſt,
Leichnam des Unerſchaffnen! Noch wart ihr nicht, Engel, da warf er
Auch dieß Licht, wir ſahens wie Daͤmmrung vordem! auf der Schoͤpfung
Urgeſtalt, die Strahlen, als er der langen Aeonen
Reihen dachte; Sterbliche ſollten entſchlummern! Er ſelber!
Dann erwachen! Verkuͤndets in allen Himmeln, ihr Zeugen
Seines Todes! erzaͤhlts in jeder Huͤtte des Friedens!
Keiner wuͤrdige ſie, von allen Seligen keiner!
Sagts der Hoͤlle nicht an! doch, wenn ihr ſie wuͤrdiget, donnert
Schreckende Halleluja hinab, daß ſie weiter hinuͤber
Weiler vom Himmel ins Unermeßliche fliehe! Der Gottmenſch
Wird erwachen! nun bald hoch uͤber dem Staube des Grabes
Stehen! und Herrlichkeit ſeyn! und Herrlichkeit! Halleluja!
Kommt, kommt eilend zu uns, ihr ſeine Zeugen auf Erden,
Schon ſind Huͤtten der Ruhe fuͤr euch geoͤffnet! die Palme
Winket euch ſchon! Bald habt ihr euer Zeugniß gezeuget,
Bald geblutet, wie Er! Du Blut der Maͤrtyrer, rufe
Nicht der Rache, der Rache! wie Abels, rufe der Krone!
Stephanus! und Jakobus! ihr Erſten! die Morgenroͤthe
Seines verkuͤndigten Heils kaum bricht ſie hervor, und ihr ſiegt ſchon!
Stephanus! und Jakobus! verlaßt denn Kanaan! Joſeph
Kann ſich laͤnger nicht halten! nun laͤnger nicht! Halleluja!

David ſangs, und erlag der Entzuͤckung. Das Halleluja
Konnt’ er kaum vollenden. Die lispelnde Harf’ entſank ihm.
Und in ſeines Lichtes Gewande, die Palme weht’ ihm
Jn der Rechten, ihm wehte ſein goldenes Haar, ſang Joſeph
Gegen den Bruder, der einſt in ſeinen Umarmungen weinte:
O der
G 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="9">
            <pb facs="#f0121" n="105"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Dreyzehnter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
            <l>Al&#x017F;o &#x017F;tarb er! So &#x017F;ahen wir ihn! O Leichnam, du &#x017F;chlummer&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Leichnam des Uner&#x017F;chaffnen! Noch wart ihr nicht, Engel, da warf er</l><lb/>
            <l>Auch dieß Licht, wir &#x017F;ahens wie Da&#x0364;mmrung vordem! auf der Scho&#x0364;pfung</l><lb/>
            <l>Urge&#x017F;talt, die Strahlen, als er der langen Aeonen</l><lb/>
            <l>Reihen dachte; Sterbliche &#x017F;ollten ent&#x017F;chlummern! Er &#x017F;elber!</l><lb/>
            <l>Dann erwachen! Verku&#x0364;ndets in allen Himmeln, ihr Zeugen</l><lb/>
            <l>Seines Todes! erza&#x0364;hlts in jeder Hu&#x0364;tte des Friedens!</l><lb/>
            <l>Keiner wu&#x0364;rdige &#x017F;ie, von allen Seligen keiner!</l><lb/>
            <l>Sagts der Ho&#x0364;lle nicht an! doch, wenn ihr &#x017F;ie wu&#x0364;rdiget, donnert</l><lb/>
            <l>Schreckende Halleluja hinab, daß &#x017F;ie weiter hinu&#x0364;ber</l><lb/>
            <l>Weiler vom Himmel ins Unermeßliche fliehe! Der Gottmen&#x017F;ch</l><lb/>
            <l>Wird erwachen! nun bald hoch u&#x0364;ber dem Staube des Grabes</l><lb/>
            <l>Stehen! und Herrlichkeit &#x017F;eyn! und Herrlichkeit! Halleluja!</l><lb/>
            <l>Kommt, kommt eilend zu uns, ihr &#x017F;eine Zeugen auf Erden,</l><lb/>
            <l>Schon &#x017F;ind Hu&#x0364;tten der Ruhe fu&#x0364;r euch geo&#x0364;ffnet! die Palme</l><lb/>
            <l>Winket euch &#x017F;chon! Bald habt ihr euer Zeugniß gezeuget,</l><lb/>
            <l>Bald geblutet, wie Er! Du Blut der Ma&#x0364;rtyrer, rufe</l><lb/>
            <l>Nicht der Rache, der Rache! wie Abels, rufe der Krone!</l><lb/>
            <l>Stephanus! und Jakobus! ihr Er&#x017F;ten! die Morgenro&#x0364;the</l><lb/>
            <l>Seines verku&#x0364;ndigten Heils kaum bricht &#x017F;ie hervor, und ihr &#x017F;iegt &#x017F;chon!</l><lb/>
            <l>Stephanus! und Jakobus! verlaßt denn Kanaan! Jo&#x017F;eph</l><lb/>
            <l>Kann &#x017F;ich la&#x0364;nger nicht halten! nun la&#x0364;nger nicht! Halleluja!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="10">
            <l>David &#x017F;angs, und erlag der Entzu&#x0364;ckung. Das Halleluja</l><lb/>
            <l>Konnt&#x2019; er kaum vollenden. Die lispelnde Harf&#x2019; ent&#x017F;ank ihm.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="11">
            <l>Und in &#x017F;eines Lichtes Gewande, die Palme weht&#x2019; ihm</l><lb/>
            <l>Jn der Rechten, ihm wehte &#x017F;ein goldenes Haar, &#x017F;ang Jo&#x017F;eph</l><lb/>
            <l>Gegen den Bruder, der ein&#x017F;t in &#x017F;einen Umarmungen weinte:</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">G 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">O der</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0121] Dreyzehnter Geſang. Alſo ſtarb er! So ſahen wir ihn! O Leichnam, du ſchlummerſt, Leichnam des Unerſchaffnen! Noch wart ihr nicht, Engel, da warf er Auch dieß Licht, wir ſahens wie Daͤmmrung vordem! auf der Schoͤpfung Urgeſtalt, die Strahlen, als er der langen Aeonen Reihen dachte; Sterbliche ſollten entſchlummern! Er ſelber! Dann erwachen! Verkuͤndets in allen Himmeln, ihr Zeugen Seines Todes! erzaͤhlts in jeder Huͤtte des Friedens! Keiner wuͤrdige ſie, von allen Seligen keiner! Sagts der Hoͤlle nicht an! doch, wenn ihr ſie wuͤrdiget, donnert Schreckende Halleluja hinab, daß ſie weiter hinuͤber Weiler vom Himmel ins Unermeßliche fliehe! Der Gottmenſch Wird erwachen! nun bald hoch uͤber dem Staube des Grabes Stehen! und Herrlichkeit ſeyn! und Herrlichkeit! Halleluja! Kommt, kommt eilend zu uns, ihr ſeine Zeugen auf Erden, Schon ſind Huͤtten der Ruhe fuͤr euch geoͤffnet! die Palme Winket euch ſchon! Bald habt ihr euer Zeugniß gezeuget, Bald geblutet, wie Er! Du Blut der Maͤrtyrer, rufe Nicht der Rache, der Rache! wie Abels, rufe der Krone! Stephanus! und Jakobus! ihr Erſten! die Morgenroͤthe Seines verkuͤndigten Heils kaum bricht ſie hervor, und ihr ſiegt ſchon! Stephanus! und Jakobus! verlaßt denn Kanaan! Joſeph Kann ſich laͤnger nicht halten! nun laͤnger nicht! Halleluja! David ſangs, und erlag der Entzuͤckung. Das Halleluja Konnt’ er kaum vollenden. Die lispelnde Harf’ entſank ihm. Und in ſeines Lichtes Gewande, die Palme weht’ ihm Jn der Rechten, ihm wehte ſein goldenes Haar, ſang Joſeph Gegen den Bruder, der einſt in ſeinen Umarmungen weinte: O der G 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/121
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/121>, abgerufen am 21.11.2024.