[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. O der Entzückungen Ungestüm, der das Herz mir erschüttert, Denk' ich an jene Stunde zurück, in welcher der Vater Jedes Schicksals, ihr Brüder, mich euch zu entdecken, erlaubte. Süßeste meiner Stunden im ersten Leben, du wirst mir, Also wiedergedacht, der Stunden des ewigen Lebens Eine! Wie war mir, als ich, vollendete Brüder, euch zurief: Jch bin Joseph! ... Lebet mein Vater noch? ... Du, der im Grabe Schlummert, du Bruder erlöster unzählbarer Brüder, du Erstling Unter den Erben des Lichts, o laß die Hülle des Blutes Und des Staubes von deinem Antlitz fallen, und zeige Dich in deiner Herrlichkeit wieder! Zwar niemals verkannten Wir in deiner Niedrigkeit dich; doch dürsten wir, dürsten, Dich mit Wunden, die strahlen, zu sehn, den Sieger des Todes Jenes nicht nur, der liegt, und verwest, des ewigen Todes Sieger! Auch derer, die einst, o du, der ewigen Gnade Ewiger Quell, nach dir, weil sie dich verkennen, nicht dürsten, Derer erbarme dich auch, und gieb ihm Flügel zu eilen Jenem Tage der letzten Enthüllung der Herrlichkeit Gottes! Wardst du nicht allenthalben versucht, um Mitleid zu haben, Ueberwinder, versucht, wie der Sterblichen keiner versucht ward? Der geschaffen das Aug' hat, sieht! geschaffen das Ohr, hört! Der dich geschaffen hat, Herz! ach sollte sich der nicht erbarmen Bist du nicht eingegangen, mit deiner Versöhnung Blute, Hoherpriester, ins Allerheiligste? Jst sie nicht ewig Deine Versöhnung, die du, der Gerechteste, selbst erfandest? Selbst vollbrachtest! ... Wenn sie nun kömmt die Stunde der Wonne Auch den Himmeln verborgen, verborgner der Erde, die Stunde, Die
Der Meſſias. O der Entzuͤckungen Ungeſtuͤm, der das Herz mir erſchuͤttert, Denk’ ich an jene Stunde zuruͤck, in welcher der Vater Jedes Schickſals, ihr Bruͤder, mich euch zu entdecken, erlaubte. Suͤßeſte meiner Stunden im erſten Leben, du wirſt mir, Alſo wiedergedacht, der Stunden des ewigen Lebens Eine! Wie war mir, als ich, vollendete Bruͤder, euch zurief: Jch bin Joſeph! … Lebet mein Vater noch? … Du, der im Grabe Schlummert, du Bruder erloͤſter unzaͤhlbarer Bruͤder, du Erſtling Unter den Erben des Lichts, o laß die Huͤlle des Blutes Und des Staubes von deinem Antlitz fallen, und zeige Dich in deiner Herrlichkeit wieder! Zwar niemals verkannten Wir in deiner Niedrigkeit dich; doch duͤrſten wir, duͤrſten, Dich mit Wunden, die ſtrahlen, zu ſehn, den Sieger des Todes Jenes nicht nur, der liegt, und verweſt, des ewigen Todes Sieger! Auch derer, die einſt, o du, der ewigen Gnade Ewiger Quell, nach dir, weil ſie dich verkennen, nicht duͤrſten, Derer erbarme dich auch, und gieb ihm Fluͤgel zu eilen Jenem Tage der letzten Enthuͤllung der Herrlichkeit Gottes! Wardſt du nicht allenthalben verſucht, um Mitleid zu haben, Ueberwinder, verſucht, wie der Sterblichen keiner verſucht ward? Der geſchaffen das Aug’ hat, ſieht! geſchaffen das Ohr, hoͤrt! Der dich geſchaffen hat, Herz! ach ſollte ſich der nicht erbarmen Biſt du nicht eingegangen, mit deiner Verſoͤhnung Blute, Hoherprieſter, ins Allerheiligſte? Jſt ſie nicht ewig Deine Verſoͤhnung, die du, der Gerechteſte, ſelbſt erfandeſt? Selbſt vollbrachteſt! … Wenn ſie nun koͤmmt die Stunde der Wonne Auch den Himmeln verborgen, verborgner der Erde, die Stunde, Die
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Der Meſſias.
O der Entzuͤckungen Ungeſtuͤm, der das Herz mir erſchuͤttert,
Denk’ ich an jene Stunde zuruͤck, in welcher der Vater
Jedes Schickſals, ihr Bruͤder, mich euch zu entdecken, erlaubte.
Suͤßeſte meiner Stunden im erſten Leben, du wirſt mir,
Alſo wiedergedacht, der Stunden des ewigen Lebens
Eine! Wie war mir, als ich, vollendete Bruͤder, euch zurief:
Jch bin Joſeph! … Lebet mein Vater noch? … Du, der im Grabe
Schlummert, du Bruder erloͤſter unzaͤhlbarer Bruͤder, du Erſtling
Unter den Erben des Lichts, o laß die Huͤlle des Blutes
Und des Staubes von deinem Antlitz fallen, und zeige
Dich in deiner Herrlichkeit wieder! Zwar niemals verkannten
Wir in deiner Niedrigkeit dich; doch duͤrſten wir, duͤrſten,
Dich mit Wunden, die ſtrahlen, zu ſehn, den Sieger des Todes
Jenes nicht nur, der liegt, und verweſt, des ewigen Todes
Sieger! Auch derer, die einſt, o du, der ewigen Gnade
Ewiger Quell, nach dir, weil ſie dich verkennen, nicht duͤrſten,
Derer erbarme dich auch, und gieb ihm Fluͤgel zu eilen
Jenem Tage der letzten Enthuͤllung der Herrlichkeit Gottes!
Wardſt du nicht allenthalben verſucht, um Mitleid zu haben,
Ueberwinder, verſucht, wie der Sterblichen keiner verſucht ward?
Der geſchaffen das Aug’ hat, ſieht! geſchaffen das Ohr, hoͤrt!
Der dich geſchaffen hat, Herz! ach ſollte ſich der nicht erbarmen
Biſt du nicht eingegangen, mit deiner Verſoͤhnung Blute,
Hoherprieſter, ins Allerheiligſte? Jſt ſie nicht ewig
Deine Verſoͤhnung, die du, der Gerechteſte, ſelbſt erfandeſt?
Selbſt vollbrachteſt! … Wenn ſie nun koͤmmt die Stunde der Wonne
Auch den Himmeln verborgen, verborgner der Erde, die Stunde,
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