Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Dreyzehnter Gesang.
Unbewegt, wie er hingewälzt vor das offene Grab war.
Gabriel sah mit Entzückung hinab auf den liegenden Felsen,
Denn: Du wälzest ihn weg! war ihm von dem Todten verheißen.
Aber die Himmlischen, sie, die lauter die Ström', und das Weltmeer
Rauschen hörten, die Wälder erschallen, lauter die Berge
Beben, als sie ein menschliches Ohr zu hören vermochte,
Freudig sanken die Engel aufs Antlitz und die Erstandnen
Vor der gegenwärtigen Gottheit des Sündeversöhners.
Adam betete laut wie im Jubelgesang. So erschallen
Mit dem Getöne der wandelnden Welten der Engel Posaunen,
Wenn sie die großen Thaten des Allerheiligsten feyern;
Wie des Seligen Stimme vermischt mit den wehenden Lüften,
Und mit den rauschenden Palmen, den Wiederhallen der Berge!
Und, sie stürzten, und flohn, mit den Strömeu erscholl. Unerschaffner!
Dann ein weinendes Kind, ein weiser Knabe, die Wonne
Gottes, und derer, die sündigten! dann ein himmlischer Lehrer,
Und mitleidiger, menschenfreundlicher Wunderthäter!
Dann ein Hoherpriester, der selbst sich opfert', und einging
Jn das Allerheiligste, Fluch und Sünde für Sünder!
Ach! ein Gekreuzigter! und ein Todter! wie können wir würdig,
Gott, du Liebe! dich preisen für das, so du thatest, und thun wirst!
O du fühlbar Naher, nun wirst du es thun, und erwachen!
Siehe des Todes Schmach, die Schmach des Kreuzes sie liegt dann
Unter deinen Füßen! allgegenwärtiger Mittler!
Aber uns offenbarter Allgegenwärtiger, Heil uns,
Daß wir, dich erwachen zu sehn, gewürdiget werden;
Ach, wir haben dich sterben gesehn! Erwachen, erwachen

Wird

Dreyzehnter Geſang.
Unbewegt, wie er hingewaͤlzt vor das offene Grab war.
Gabriel ſah mit Entzuͤckung hinab auf den liegenden Felſen,
Denn: Du waͤlzeſt ihn weg! war ihm von dem Todten verheißen.
Aber die Himmliſchen, ſie, die lauter die Stroͤm’, und das Weltmeer
Rauſchen hoͤrten, die Waͤlder erſchallen, lauter die Berge
Beben, als ſie ein menſchliches Ohr zu hoͤren vermochte,
Freudig ſanken die Engel aufs Antlitz und die Erſtandnen
Vor der gegenwaͤrtigen Gottheit des Suͤndeverſoͤhners.
Adam betete laut wie im Jubelgeſang. So erſchallen
Mit dem Getoͤne der wandelnden Welten der Engel Poſaunen,
Wenn ſie die großen Thaten des Allerheiligſten feyern;
Wie des Seligen Stimme vermiſcht mit den wehenden Luͤften,
Und mit den rauſchenden Palmen, den Wiederhallen der Berge!
Und, ſie ſtuͤrzten, und flohn, mit den Stroͤmeu erſcholl. Unerſchaffner!
Dann ein weinendes Kind, ein weiſer Knabe, die Wonne
Gottes, und derer, die ſuͤndigten! dann ein himmliſcher Lehrer,
Und mitleidiger, menſchenfreundlicher Wunderthaͤter!
Dann ein Hoherprieſter, der ſelbſt ſich opfert’, und einging
Jn das Allerheiligſte, Fluch und Suͤnde fuͤr Suͤnder!
Ach! ein Gekreuzigter! und ein Todter! wie koͤnnen wir wuͤrdig,
Gott, du Liebe! dich preiſen fuͤr das, ſo du thateſt, und thun wirſt!
O du fuͤhlbar Naher, nun wirſt du es thun, und erwachen!
Siehe des Todes Schmach, die Schmach des Kreuzes ſie liegt dann
Unter deinen Fuͤßen! allgegenwaͤrtiger Mittler!
Aber uns offenbarter Allgegenwaͤrtiger, Heil uns,
Daß wir, dich erwachen zu ſehn, gewuͤrdiget werden;
Ach, wir haben dich ſterben geſehn! Erwachen, erwachen

Wird
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="45">
            <pb facs="#f0139" n="123"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Dreyzehnter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
            <l>Unbewegt, wie er hingewa&#x0364;lzt vor das offene Grab war.</l><lb/>
            <l>Gabriel &#x017F;ah mit Entzu&#x0364;ckung hinab auf den liegenden Fel&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Denn: Du wa&#x0364;lze&#x017F;t ihn weg! war ihm von dem Todten verheißen.</l><lb/>
            <l>Aber die Himmli&#x017F;chen, &#x017F;ie, die lauter die Stro&#x0364;m&#x2019;, und das Weltmeer</l><lb/>
            <l>Rau&#x017F;chen ho&#x0364;rten, die Wa&#x0364;lder er&#x017F;challen, lauter die Berge</l><lb/>
            <l>Beben, als &#x017F;ie ein men&#x017F;chliches Ohr zu ho&#x0364;ren vermochte,</l><lb/>
            <l>Freudig &#x017F;anken die Engel aufs Antlitz und die Er&#x017F;tandnen</l><lb/>
            <l>Vor der gegenwa&#x0364;rtigen Gottheit des Su&#x0364;ndever&#x017F;o&#x0364;hners.</l><lb/>
            <l>Adam betete laut wie im Jubelge&#x017F;ang. So er&#x017F;challen</l><lb/>
            <l>Mit dem Geto&#x0364;ne der wandelnden Welten der Engel Po&#x017F;aunen,</l><lb/>
            <l>Wenn &#x017F;ie die großen Thaten des Allerheilig&#x017F;ten feyern;</l><lb/>
            <l>Wie des Seligen Stimme vermi&#x017F;cht mit den wehenden Lu&#x0364;ften,</l><lb/>
            <l>Und mit den rau&#x017F;chenden Palmen, den Wiederhallen der Berge!</l><lb/>
            <l>Und, &#x017F;ie &#x017F;tu&#x0364;rzten, und flohn, mit den Stro&#x0364;meu er&#x017F;choll. Uner&#x017F;chaffner!</l><lb/>
            <l>Dann ein weinendes Kind, ein wei&#x017F;er Knabe, die Wonne</l><lb/>
            <l>Gottes, und derer, die &#x017F;u&#x0364;ndigten! dann ein himmli&#x017F;cher Lehrer,</l><lb/>
            <l>Und mitleidiger, men&#x017F;chenfreundlicher Wundertha&#x0364;ter!</l><lb/>
            <l>Dann ein Hoherprie&#x017F;ter, der &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich opfert&#x2019;, und einging</l><lb/>
            <l>Jn das Allerheilig&#x017F;te, Fluch und Su&#x0364;nde fu&#x0364;r Su&#x0364;nder!</l><lb/>
            <l>Ach! ein Gekreuzigter! und ein Todter! wie ko&#x0364;nnen wir wu&#x0364;rdig,</l><lb/>
            <l>Gott, du Liebe! dich prei&#x017F;en fu&#x0364;r das, &#x017F;o du thate&#x017F;t, und thun wir&#x017F;t!</l><lb/>
            <l>O du fu&#x0364;hlbar Naher, nun wir&#x017F;t du es thun, und erwachen!</l><lb/>
            <l>Siehe des Todes Schmach, die Schmach des Kreuzes &#x017F;ie liegt dann</l><lb/>
            <l>Unter deinen Fu&#x0364;ßen! allgegenwa&#x0364;rtiger Mittler!</l><lb/>
            <l>Aber uns offenbarter Allgegenwa&#x0364;rtiger, Heil uns,</l><lb/>
            <l>Daß wir, dich erwachen zu &#x017F;ehn, gewu&#x0364;rdiget werden;</l><lb/>
            <l>Ach, wir haben dich &#x017F;terben ge&#x017F;ehn! Erwachen, erwachen</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Wird</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0139] Dreyzehnter Geſang. Unbewegt, wie er hingewaͤlzt vor das offene Grab war. Gabriel ſah mit Entzuͤckung hinab auf den liegenden Felſen, Denn: Du waͤlzeſt ihn weg! war ihm von dem Todten verheißen. Aber die Himmliſchen, ſie, die lauter die Stroͤm’, und das Weltmeer Rauſchen hoͤrten, die Waͤlder erſchallen, lauter die Berge Beben, als ſie ein menſchliches Ohr zu hoͤren vermochte, Freudig ſanken die Engel aufs Antlitz und die Erſtandnen Vor der gegenwaͤrtigen Gottheit des Suͤndeverſoͤhners. Adam betete laut wie im Jubelgeſang. So erſchallen Mit dem Getoͤne der wandelnden Welten der Engel Poſaunen, Wenn ſie die großen Thaten des Allerheiligſten feyern; Wie des Seligen Stimme vermiſcht mit den wehenden Luͤften, Und mit den rauſchenden Palmen, den Wiederhallen der Berge! Und, ſie ſtuͤrzten, und flohn, mit den Stroͤmeu erſcholl. Unerſchaffner! Dann ein weinendes Kind, ein weiſer Knabe, die Wonne Gottes, und derer, die ſuͤndigten! dann ein himmliſcher Lehrer, Und mitleidiger, menſchenfreundlicher Wunderthaͤter! Dann ein Hoherprieſter, der ſelbſt ſich opfert’, und einging Jn das Allerheiligſte, Fluch und Suͤnde fuͤr Suͤnder! Ach! ein Gekreuzigter! und ein Todter! wie koͤnnen wir wuͤrdig, Gott, du Liebe! dich preiſen fuͤr das, ſo du thateſt, und thun wirſt! O du fuͤhlbar Naher, nun wirſt du es thun, und erwachen! Siehe des Todes Schmach, die Schmach des Kreuzes ſie liegt dann Unter deinen Fuͤßen! allgegenwaͤrtiger Mittler! Aber uns offenbarter Allgegenwaͤrtiger, Heil uns, Daß wir, dich erwachen zu ſehn, gewuͤrdiget werden; Ach, wir haben dich ſterben geſehn! Erwachen, erwachen Wird

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/139
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/139>, abgerufen am 24.11.2024.