[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. Also sahst du die kaum, die du doch Unsterbliche nennest? Jhn erkanntest du auch nicht gleich, und hieltest zuerst ihn, Für den Gärtner Die andern erzählen, er wäre bekleidet Wie vordem gewesen. So war des Gärtners Gewand denn Wie das seine sonst war? Wie viel der Unsterblichen warens, Magdale, die du sahst? ... Zween sah ich ... Die andern erblickten Einen erst, dann noch Zween. Er sagt es, und wandte sein Antlitz. Magdalena erhub ihr hohes Auge gen Himmel: Wenn er euch nur nicht irrt, o du, des Lebenden Mutter, Und ihr, Jünger des Herrn! Laß meiner Seligkeit jetzt mich, Thomas. Jch will dir hernach antworten. Da nahm sie die Mutter Jesus, und führte sie weg, mehr Wonnegespräche zu halten. Kephas, dem Zweifel sein Herz zerrissen, und dem es noch immer Scholl, und zu Thränen ihn zwang: Den Jüngern sagt es, und sagt es Petrus! ihm wurde Salem zu eng; er ließ die Versammlung, Eilt' hinaus. Bald wählt' er, um sich in trauriges Grübeln Ganz zu vertiefen, die fernste der Wüsten; dann Galiläa; Dann das Grab. Jetzt hatt' er den Weg der Wüste genommen, Aber er kam auf den Weg, der zum Grab' ihn führte, zurücke. Und er stand, von der Stille der sanfterwachenden Erde, Und der frühen Erfrischung des werdenden Schimmers umgeben, An dem Hange des Todtenhügels. Er blickt' in das offne, Leere Grab hinunter; und diese Kummer empörten Seine Seele: Zu schreckliche That! Sie hätten ihn also Weggenommen, damit sie ihn hier bey den Schädeln begrüben? Bey der Verfluchten Gebein? Du schwarze Rache, der tiefsten Untersten Hölle Rache, dir wärs gelungen, und Joseph Hätte
Der Meſſias. Alſo ſahſt du die kaum, die du doch Unſterbliche nenneſt? Jhn erkannteſt du auch nicht gleich, und hielteſt zuerſt ihn, Fuͤr den Gaͤrtner Die andern erzaͤhlen, er waͤre bekleidet Wie vordem geweſen. So war des Gaͤrtners Gewand denn Wie das ſeine ſonſt war? Wie viel der Unſterblichen warens, Magdale, die du ſahſt? … Zween ſah ich … Die andern erblickten Einen erſt, dann noch Zween. Er ſagt es, und wandte ſein Antlitz. Magdalena erhub ihr hohes Auge gen Himmel: Wenn er euch nur nicht irrt, o du, des Lebenden Mutter, Und ihr, Juͤnger des Herrn! Laß meiner Seligkeit jetzt mich, Thomas. Jch will dir hernach antworten. Da nahm ſie die Mutter Jeſus, und fuͤhrte ſie weg, mehr Wonnegeſpraͤche zu halten. Kephas, dem Zweifel ſein Herz zerriſſen, und dem es noch immer Scholl, und zu Thraͤnen ihn zwang: Den Juͤngern ſagt es, und ſagt es Petrus! ihm wurde Salem zu eng; er ließ die Verſammlung, Eilt’ hinaus. Bald waͤhlt’ er, um ſich in trauriges Gruͤbeln Ganz zu vertiefen, die fernſte der Wuͤſten; dann Galilaͤa; Dann das Grab. Jetzt hatt’ er den Weg der Wuͤſte genommen, Aber er kam auf den Weg, der zum Grab’ ihn fuͤhrte, zuruͤcke. Und er ſtand, von der Stille der ſanfterwachenden Erde, Und der fruͤhen Erfriſchung des werdenden Schimmers umgeben, An dem Hange des Todtenhuͤgels. Er blickt’ in das offne, Leere Grab hinunter; und dieſe Kummer empoͤrten Seine Seele: Zu ſchreckliche That! Sie haͤtten ihn alſo Weggenommen, damit ſie ihn hier bey den Schaͤdeln begruͤben? Bey der Verfluchten Gebein? Du ſchwarze Rache, der tiefſten Unterſten Hoͤlle Rache, dir waͤrs gelungen, und Joſeph Haͤtte
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Der Meſſias.
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Jhn erkannteſt du auch nicht gleich, und hielteſt zuerſt ihn,
Fuͤr den Gaͤrtner Die andern erzaͤhlen, er waͤre bekleidet
Wie vordem geweſen. So war des Gaͤrtners Gewand denn
Wie das ſeine ſonſt war? Wie viel der Unſterblichen warens,
Magdale, die du ſahſt? … Zween ſah ich … Die andern erblickten
Einen erſt, dann noch Zween. Er ſagt es, und wandte ſein Antlitz.
Magdalena erhub ihr hohes Auge gen Himmel:
Wenn er euch nur nicht irrt, o du, des Lebenden Mutter,
Und ihr, Juͤnger des Herrn! Laß meiner Seligkeit jetzt mich,
Thomas. Jch will dir hernach antworten. Da nahm ſie die Mutter
Jeſus, und fuͤhrte ſie weg, mehr Wonnegeſpraͤche zu halten.
Kephas, dem Zweifel ſein Herz zerriſſen, und dem es noch immer
Scholl, und zu Thraͤnen ihn zwang: Den Juͤngern ſagt es, und ſagt es
Petrus! ihm wurde Salem zu eng; er ließ die Verſammlung,
Eilt’ hinaus. Bald waͤhlt’ er, um ſich in trauriges Gruͤbeln
Ganz zu vertiefen, die fernſte der Wuͤſten; dann Galilaͤa;
Dann das Grab. Jetzt hatt’ er den Weg der Wuͤſte genommen,
Aber er kam auf den Weg, der zum Grab’ ihn fuͤhrte, zuruͤcke.
Und er ſtand, von der Stille der ſanfterwachenden Erde,
Und der fruͤhen Erfriſchung des werdenden Schimmers umgeben,
An dem Hange des Todtenhuͤgels. Er blickt’ in das offne,
Leere Grab hinunter; und dieſe Kummer empoͤrten
Seine Seele: Zu ſchreckliche That! Sie haͤtten ihn alſo
Weggenommen, damit ſie ihn hier bey den Schaͤdeln begruͤben?
Bey der Verfluchten Gebein? Du ſchwarze Rache, der tiefſten
Unterſten Hoͤlle Rache, dir waͤrs gelungen, und Joſeph
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