[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. Jetzo begann der Heiligen Schaar zurückzukehren Nach der Verklärung Gebirge, sich dort mit einander der Freuden, Die sie den Auserkohrnen erscheinend gaben, zu freuen. Und sie strahlten herauf von Jerusalem. Viele der Wonne Voll, die sie hatten gegeben, und viele der künftigen Wonne, Die, noch verborgen im bruderliebenden Herzen, itzt keimte, Trieb, arbeitet', und wuchs, zum Schatten der Ruhe zu werden, Ueber der Wanderer Haupt im heissen Pfade des Elends. Wie ein Stern, und noch einer, und wieder einer hervorgeht Aus der gränzlosen Tiefe der schauererfüllenden Schöpfung, Wenn der kommenden Nacht die Abenddämmerung weichet: Also versammelten sich die Erscheinenden Gottes auf Tabor; Wenige Spätere nur empfing noch der heilige Berg nicht. Cidli, die Tochter Jairus, saß vor der Laube des Söllers, Jn dem Schimmer der Morgenröthe. Sie sah den Geliebten, Seit er zu seinem Grabe von ihr in der Traurigkeit eilte, Jhren Semida nicht. ... O Liebe voll Unschuld! ich darf dich, Meine Liebe, so nennen! wenn wirst du mich endlich verlassen? Wenn wegrufen den Schmerz, der alles in trübe Bilder, Alles um mich in Thränen verwandelt! Gehör ich der Erde Viel zu wenig, ihr sterbliche Söhne zu geben; erstand ich, Gott mich auf diese Weise zu widmen; was weilest du, Liebe, Zwar mir bitterer Schmerz, doch Liebe voll Unschuld, was weilst du Unnachlassend in mir? Doch wenn dein Weilen mir zeigte, Daß ich, also dem Herrn mich zu widmen, vom Tode nicht aufstand? Ach wer führt mich heraus aus dieser Tiefe des Schmerzes? Dieser Jrre des Grübelns heraus? Zwar bin ich erstanden; Aber
Der Meſſias. Jetzo begann der Heiligen Schaar zuruͤckzukehren Nach der Verklaͤrung Gebirge, ſich dort mit einander der Freuden, Die ſie den Auserkohrnen erſcheinend gaben, zu freuen. Und ſie ſtrahlten herauf von Jeruſalem. Viele der Wonne Voll, die ſie hatten gegeben, und viele der kuͤnftigen Wonne, Die, noch verborgen im bruderliebenden Herzen, itzt keimte, Trieb, arbeitet’, und wuchs, zum Schatten der Ruhe zu werden, Ueber der Wanderer Haupt im heiſſen Pfade des Elends. Wie ein Stern, und noch einer, und wieder einer hervorgeht Aus der graͤnzloſen Tiefe der ſchauererfuͤllenden Schoͤpfung, Wenn der kommenden Nacht die Abenddaͤmmerung weichet: Alſo verſammelten ſich die Erſcheinenden Gottes auf Tabor; Wenige Spaͤtere nur empfing noch der heilige Berg nicht. Cidli, die Tochter Jairus, ſaß vor der Laube des Soͤllers, Jn dem Schimmer der Morgenroͤthe. Sie ſah den Geliebten, Seit er zu ſeinem Grabe von ihr in der Traurigkeit eilte, Jhren Semida nicht. … O Liebe voll Unſchuld! ich darf dich, Meine Liebe, ſo nennen! wenn wirſt du mich endlich verlaſſen? Wenn wegrufen den Schmerz, der alles in truͤbe Bilder, Alles um mich in Thraͤnen verwandelt! Gehoͤr ich der Erde Viel zu wenig, ihr ſterbliche Soͤhne zu geben; erſtand ich, Gott mich auf dieſe Weiſe zu widmen; was weileſt du, Liebe, Zwar mir bitterer Schmerz, doch Liebe voll Unſchuld, was weilſt du Unnachlaſſend in mir? Doch wenn dein Weilen mir zeigte, Daß ich, alſo dem Herrn mich zu widmen, vom Tode nicht aufſtand? Ach wer fuͤhrt mich heraus aus dieſer Tiefe des Schmerzes? Dieſer Jrre des Gruͤbelns heraus? Zwar bin ich erſtanden; Aber
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Der Meſſias.
Jetzo begann der Heiligen Schaar zuruͤckzukehren
Nach der Verklaͤrung Gebirge, ſich dort mit einander der Freuden,
Die ſie den Auserkohrnen erſcheinend gaben, zu freuen.
Und ſie ſtrahlten herauf von Jeruſalem. Viele der Wonne
Voll, die ſie hatten gegeben, und viele der kuͤnftigen Wonne,
Die, noch verborgen im bruderliebenden Herzen, itzt keimte,
Trieb, arbeitet’, und wuchs, zum Schatten der Ruhe zu werden,
Ueber der Wanderer Haupt im heiſſen Pfade des Elends.
Wie ein Stern, und noch einer, und wieder einer hervorgeht
Aus der graͤnzloſen Tiefe der ſchauererfuͤllenden Schoͤpfung,
Wenn der kommenden Nacht die Abenddaͤmmerung weichet:
Alſo verſammelten ſich die Erſcheinenden Gottes auf Tabor;
Wenige Spaͤtere nur empfing noch der heilige Berg nicht.
Cidli, die Tochter Jairus, ſaß vor der Laube des Soͤllers,
Jn dem Schimmer der Morgenroͤthe. Sie ſah den Geliebten,
Seit er zu ſeinem Grabe von ihr in der Traurigkeit eilte,
Jhren Semida nicht. … O Liebe voll Unſchuld! ich darf dich,
Meine Liebe, ſo nennen! wenn wirſt du mich endlich verlaſſen?
Wenn wegrufen den Schmerz, der alles in truͤbe Bilder,
Alles um mich in Thraͤnen verwandelt! Gehoͤr ich der Erde
Viel zu wenig, ihr ſterbliche Soͤhne zu geben; erſtand ich,
Gott mich auf dieſe Weiſe zu widmen; was weileſt du, Liebe,
Zwar mir bitterer Schmerz, doch Liebe voll Unſchuld, was weilſt du
Unnachlaſſend in mir? Doch wenn dein Weilen mir zeigte,
Daß ich, alſo dem Herrn mich zu widmen, vom Tode nicht aufſtand?
Ach wer fuͤhrt mich heraus aus dieſer Tiefe des Schmerzes?
Dieſer Jrre des Gruͤbelns heraus? Zwar bin ich erſtanden;
Aber
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