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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Aus einer Abhandl. vom Sylbenmaaße.
und vielleicht der schönste:
[Abbildung]
Dir aufsteh, du den Wehruf des Gerichts von dem Thron her
nicht todt hörst.
Werthing. Zu dem Schlusse eines Verses scheinen mir
sieben Sylben, davon noch dazu viere lang sind, zu viel zu
seyn. Man höret nur den letzten Fuß als Schluß.
Selmer. Es kommt nur darauf an, daß der Jonikus vor
dem letzten Fusse gewöhnlich wieder gehört werde. Ob Sie diese
beyden letzten Füsse den Schluß, oder die letztere kleinere Hälfte des
Verses nennen, entscheidet in Absicht auf seinen Rhythmus nichts.
Werthing. Der jonische Vers scheint mir ein wenig zu
lang zu seyn.
Selmer. Jch vermuthe, daß Sie den Hexameter zum
längsten Verse annehmen, der gemacht werden darf. Wenn
dieß der Entscheidungsgrund seyn soll, so ist der jon sche Vers
zu lang. Der Herameter hat, wie Sie wissen, beständig
vier und zwanzig Zeiten; der jonische wechselt von acht und zwan-
zig bis zu zwey und zwanzig ab. Wenn er Jnhalt hat, und nicht
bloß wegen seines starktönenden herrschenden Fusses eine gewisse
Fülle der Declamation erfordert; so scheint er mir nicht zu
lang zu seyn.
Werthing. Man könnte, deucht mich, auch das an ihm
tadeln, daß er nicht beständig eben dieselben Zeiten hat.
Selmer. Tadeln Sie es an Sophokles Verse, daß seine
Abwechslungen von ein und zwanzig bis zu achtzehn zurück gehn?
oder an den andern Sylbenmaaßen der Griechen, die wir mit ein-
ander untersucht haben, daß die Zahl ihrer Zeiten ungleich ist?
Werthing. Wenigstens ist es ein Vorurtheil gegen die
jonische Versart, daß die schönste Versart der Griechen, ihre
epische, in jedem Verse gleiche Zeiten hat.
Selmer.
B 4
Aus einer Abhandl. vom Sylbenmaaße.
und vielleicht der ſchoͤnſte:
[Abbildung]
Dir aufſteh, du den Wehruf des Gerichts von dem Thron her
nicht todt hoͤrſt.
Werthing. Zu dem Schluſſe eines Verſes ſcheinen mir
ſieben Sylben, davon noch dazu viere lang ſind, zu viel zu
ſeyn. Man hoͤret nur den letzten Fuß als Schluß.
Selmer. Es kommt nur darauf an, daß der Jonikus vor
dem letzten Fuſſe gewoͤhnlich wieder gehoͤrt werde. Ob Sie dieſe
beyden letzten Fuͤſſe den Schluß, oder die letztere kleinere Haͤlfte des
Verſes nennen, entſcheidet in Abſicht auf ſeinen Rhythmus nichts.
Werthing. Der joniſche Vers ſcheint mir ein wenig zu
lang zu ſeyn.
Selmer. Jch vermuthe, daß Sie den Hexameter zum
laͤngſten Verſe annehmen, der gemacht werden darf. Wenn
dieß der Entſcheidungsgrund ſeyn ſoll, ſo iſt der jon ſche Vers
zu lang. Der Herameter hat, wie Sie wiſſen, beſtaͤndig
vier und zwanzig Zeiten; der joniſche wechſelt von acht und zwan-
zig bis zu zwey und zwanzig ab. Wenn er Jnhalt hat, und nicht
bloß wegen ſeines ſtarktoͤnenden herrſchenden Fuſſes eine gewiſſe
Fuͤlle der Declamation erfordert; ſo ſcheint er mir nicht zu
lang zu ſeyn.
Werthing. Man koͤnnte, deucht mich, auch das an ihm
tadeln, daß er nicht beſtaͤndig eben dieſelben Zeiten hat.
Selmer. Tadeln Sie es an Sophokles Verſe, daß ſeine
Abwechſlungen von ein und zwanzig bis zu achtzehn zuruͤck gehn?
oder an den andern Sylbenmaaßen der Griechen, die wir mit ein-
ander unterſucht haben, daß die Zahl ihrer Zeiten ungleich iſt?
Werthing. Wenigſtens iſt es ein Vorurtheil gegen die
joniſche Versart, daß die ſchoͤnſte Versart der Griechen, ihre
epiſche, in jedem Verſe gleiche Zeiten hat.
Selmer.
B 4
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[23/0023] Aus einer Abhandl. vom Sylbenmaaße. und vielleicht der ſchoͤnſte: [Abbildung] Dir aufſteh, du den Wehruf des Gerichts von dem Thron her nicht todt hoͤrſt. Werthing. Zu dem Schluſſe eines Verſes ſcheinen mir ſieben Sylben, davon noch dazu viere lang ſind, zu viel zu ſeyn. Man hoͤret nur den letzten Fuß als Schluß. Selmer. Es kommt nur darauf an, daß der Jonikus vor dem letzten Fuſſe gewoͤhnlich wieder gehoͤrt werde. Ob Sie dieſe beyden letzten Fuͤſſe den Schluß, oder die letztere kleinere Haͤlfte des Verſes nennen, entſcheidet in Abſicht auf ſeinen Rhythmus nichts. Werthing. Der joniſche Vers ſcheint mir ein wenig zu lang zu ſeyn. Selmer. Jch vermuthe, daß Sie den Hexameter zum laͤngſten Verſe annehmen, der gemacht werden darf. Wenn dieß der Entſcheidungsgrund ſeyn ſoll, ſo iſt der jon ſche Vers zu lang. Der Herameter hat, wie Sie wiſſen, beſtaͤndig vier und zwanzig Zeiten; der joniſche wechſelt von acht und zwan- zig bis zu zwey und zwanzig ab. Wenn er Jnhalt hat, und nicht bloß wegen ſeines ſtarktoͤnenden herrſchenden Fuſſes eine gewiſſe Fuͤlle der Declamation erfordert; ſo ſcheint er mir nicht zu lang zu ſeyn. Werthing. Man koͤnnte, deucht mich, auch das an ihm tadeln, daß er nicht beſtaͤndig eben dieſelben Zeiten hat. Selmer. Tadeln Sie es an Sophokles Verſe, daß ſeine Abwechſlungen von ein und zwanzig bis zu achtzehn zuruͤck gehn? oder an den andern Sylbenmaaßen der Griechen, die wir mit ein- ander unterſucht haben, daß die Zahl ihrer Zeiten ungleich iſt? Werthing. Wenigſtens iſt es ein Vorurtheil gegen die joniſche Versart, daß die ſchoͤnſte Versart der Griechen, ihre epiſche, in jedem Verſe gleiche Zeiten hat. Selmer. B 4

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/23>, abgerufen am 26.11.2024.