Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.
Mit einander empor zu der ersten Stufe des Frommen.
Einer von Jndiens Königen war gestorben. Die Seele
Wallte, noch ganz nicht wach von dem letzten Schlummer des Todes,
Säumete, däucht's ihr, in langen unabsehlichen Gängen.
Jezo erwachte der Todte vom Schlummer, von seiner Größe
Wahne noch nicht, von ihrem Taumel noch immer ergriffen.

Aber wo sind denn die Seelen der Sklaven, deren Gebeine
Aus der Asche der duftenden Staude die Lebenden lasen,
Weineten, daß man ihre Gebeine nicht läse? wo sind sie,
Daß sie den |todten Satrapen, ihr Herrscher komme! verkünden?
Einsam wallt' er hervor aus der dämmernden Gänge Gewölben
Jn die Freye des Himmels, und sahe gegen sich über
Einen Unsterblichen stehn, deß Recht' ihm winkte zu weilen.
Auf den verwunderten sahe der himmlische Jüngling, mit Lächeln,
Doch mit beginnendem nur, herunter. Folge von Ferne
(Sagte zum Herrscher der Engel) dem Schimmer, welchen du sehn wirst
Hinter mir sich verbreiten. Er mußte folgen, und bald stand
Er in der Seelen dichtestem Drang', und wurde gerichtet!
Ach hier find' ich gewiß, hier find' ich Rettung! denn Götter
Seh ich hier; und ihr seyd gerecht, ihr ewigen Götter!
Menschen sind das nicht! sind Hasser, Verfolger der Unschuld,
Blinde! verkennen, wer redlicher ist, wer besser als sie ist!
Rief ein abgeschiedener Geist, und wurde belohnet.
Gelimar lag auf dem Sterbelager, ein feuriger Jüngling,
Recht in der vollen Morgenröthe des Lebens. Sein Freund stand
Neben ihm, reicht' ihm Kühle des Quells in brennendem Durste.
Gelimar sprach: Auf ewig! was wähnest du anders? auf ewig
Jst

Der Meſſias.
Mit einander empor zu der erſten Stufe des Frommen.
Einer von Jndiens Koͤnigen war geſtorben. Die Seele
Wallte, noch ganz nicht wach von dem letzten Schlummer des Todes,
Saͤumete, daͤucht’s ihr, in langen unabſehlichen Gaͤngen.
Jezo erwachte der Todte vom Schlummer, von ſeiner Groͤße
Wahne noch nicht, von ihrem Taumel noch immer ergriffen.

Aber wo ſind denn die Seelen der Sklaven, deren Gebeine
Aus der Aſche der duftenden Staude die Lebenden laſen,
Weineten, daß man ihre Gebeine nicht laͤſe? wo ſind ſie,
Daß ſie den |todten Satrapen, ihr Herrſcher komme! verkuͤnden?
Einſam wallt’ er hervor aus der daͤmmernden Gaͤnge Gewoͤlben
Jn die Freye des Himmels, und ſahe gegen ſich uͤber
Einen Unſterblichen ſtehn, deß Recht’ ihm winkte zu weilen.
Auf den verwunderten ſahe der himmliſche Juͤngling, mit Laͤcheln,
Doch mit beginnendem nur, herunter. Folge von Ferne
(Sagte zum Herrſcher der Engel) dem Schimmer, welchen du ſehn wirſt
Hinter mir ſich verbreiten. Er mußte folgen, und bald ſtand
Er in der Seelen dichteſtem Drang’, und wurde gerichtet!
Ach hier find’ ich gewiß, hier find’ ich Rettung! denn Goͤtter
Seh ich hier; und ihr ſeyd gerecht, ihr ewigen Goͤtter!
Menſchen ſind das nicht! ſind Haſſer, Verfolger der Unſchuld,
Blinde! verkennen, wer redlicher iſt, wer beſſer als ſie iſt!
Rief ein abgeſchiedener Geiſt, und wurde belohnet.
Gelimar lag auf dem Sterbelager, ein feuriger Juͤngling,
Recht in der vollen Morgenroͤthe des Lebens. Sein Freund ſtand
Neben ihm, reicht’ ihm Kuͤhle des Quells in brennendem Durſte.
Gelimar ſprach: Auf ewig! was waͤhneſt du anders? auf ewig
Jſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="13">
              <pb facs="#f0032" n="32"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
              <l>Mit einander empor zu der er&#x017F;ten Stufe des Frommen.</l><lb/>
              <l>Einer von Jndiens Ko&#x0364;nigen war ge&#x017F;torben. Die Seele</l><lb/>
              <l>Wallte, noch ganz nicht wach von dem letzten Schlummer des Todes,</l><lb/>
              <l>Sa&#x0364;umete, da&#x0364;ucht&#x2019;s ihr, in langen unab&#x017F;ehlichen Ga&#x0364;ngen.</l><lb/>
              <l>Jezo erwachte der Todte vom Schlummer, von &#x017F;einer Gro&#x0364;ße</l><lb/>
              <l>Wahne noch nicht, von ihrem Taumel noch immer ergriffen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="14">
              <l>Aber wo &#x017F;ind denn die Seelen der Sklaven, deren Gebeine</l><lb/>
              <l>Aus der A&#x017F;che der duftenden Staude die Lebenden la&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Weineten, daß man ihre Gebeine nicht la&#x0364;&#x017F;e? wo &#x017F;ind &#x017F;ie,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ie den |todten Satrapen, ihr Herr&#x017F;cher komme! verku&#x0364;nden?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="15">
              <l>Ein&#x017F;am wallt&#x2019; er hervor aus der da&#x0364;mmernden Ga&#x0364;nge Gewo&#x0364;lben</l><lb/>
              <l>Jn die Freye des Himmels, und &#x017F;ahe gegen &#x017F;ich u&#x0364;ber</l><lb/>
              <l>Einen Un&#x017F;terblichen &#x017F;tehn, deß Recht&#x2019; ihm winkte zu weilen.</l><lb/>
              <l>Auf den verwunderten &#x017F;ahe der himmli&#x017F;che Ju&#x0364;ngling, mit La&#x0364;cheln,</l><lb/>
              <l>Doch mit beginnendem nur, herunter. Folge von Ferne</l><lb/>
              <l>(Sagte zum Herr&#x017F;cher der Engel) dem Schimmer, welchen du &#x017F;ehn wir&#x017F;t</l><lb/>
              <l>Hinter mir &#x017F;ich verbreiten. Er mußte folgen, und bald &#x017F;tand</l><lb/>
              <l>Er in der Seelen dichte&#x017F;tem Drang&#x2019;, und wurde gerichtet!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="16">
              <l>Ach hier find&#x2019; ich gewiß, hier find&#x2019; ich Rettung! denn Go&#x0364;tter</l><lb/>
              <l>Seh ich hier; und ihr &#x017F;eyd gerecht, ihr ewigen Go&#x0364;tter!</l><lb/>
              <l>Men&#x017F;chen &#x017F;ind das nicht! &#x017F;ind Ha&#x017F;&#x017F;er, Verfolger der Un&#x017F;chuld,</l><lb/>
              <l>Blinde! verkennen, wer redlicher i&#x017F;t, wer be&#x017F;&#x017F;er als &#x017F;ie i&#x017F;t!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="17">
              <l>Rief ein abge&#x017F;chiedener Gei&#x017F;t, und wurde belohnet.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="18">
              <l>Gelimar lag auf dem Sterbelager, ein feuriger Ju&#x0364;ngling,</l><lb/>
              <l>Recht in der vollen Morgenro&#x0364;the des Lebens. Sein Freund &#x017F;tand</l><lb/>
              <l>Neben ihm, reicht&#x2019; ihm Ku&#x0364;hle des Quells in brennendem Dur&#x017F;te.</l><lb/>
              <l>Gelimar &#x017F;prach: Auf ewig! was wa&#x0364;hne&#x017F;t du anders? auf ewig</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">J&#x017F;t</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0032] Der Meſſias. Mit einander empor zu der erſten Stufe des Frommen. Einer von Jndiens Koͤnigen war geſtorben. Die Seele Wallte, noch ganz nicht wach von dem letzten Schlummer des Todes, Saͤumete, daͤucht’s ihr, in langen unabſehlichen Gaͤngen. Jezo erwachte der Todte vom Schlummer, von ſeiner Groͤße Wahne noch nicht, von ihrem Taumel noch immer ergriffen. Aber wo ſind denn die Seelen der Sklaven, deren Gebeine Aus der Aſche der duftenden Staude die Lebenden laſen, Weineten, daß man ihre Gebeine nicht laͤſe? wo ſind ſie, Daß ſie den |todten Satrapen, ihr Herrſcher komme! verkuͤnden? Einſam wallt’ er hervor aus der daͤmmernden Gaͤnge Gewoͤlben Jn die Freye des Himmels, und ſahe gegen ſich uͤber Einen Unſterblichen ſtehn, deß Recht’ ihm winkte zu weilen. Auf den verwunderten ſahe der himmliſche Juͤngling, mit Laͤcheln, Doch mit beginnendem nur, herunter. Folge von Ferne (Sagte zum Herrſcher der Engel) dem Schimmer, welchen du ſehn wirſt Hinter mir ſich verbreiten. Er mußte folgen, und bald ſtand Er in der Seelen dichteſtem Drang’, und wurde gerichtet! Ach hier find’ ich gewiß, hier find’ ich Rettung! denn Goͤtter Seh ich hier; und ihr ſeyd gerecht, ihr ewigen Goͤtter! Menſchen ſind das nicht! ſind Haſſer, Verfolger der Unſchuld, Blinde! verkennen, wer redlicher iſt, wer beſſer als ſie iſt! Rief ein abgeſchiedener Geiſt, und wurde belohnet. Gelimar lag auf dem Sterbelager, ein feuriger Juͤngling, Recht in der vollen Morgenroͤthe des Lebens. Sein Freund ſtand Neben ihm, reicht’ ihm Kuͤhle des Quells in brennendem Durſte. Gelimar ſprach: Auf ewig! was waͤhneſt du anders? auf ewig Jſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/32
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/32>, abgerufen am 26.11.2024.