Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.V. Gegenstände. §. 16. Schriften. einiger deutschen Landesgesetze, welche die Gegenstände desSchrifteigenthumes als literarische Erzeugnisse bezeichnen, leiten einige Schriftsteller die Folgerung ab, dass die Schrift einen besonders qualifizirten geistigen Inhalt haben müsse, dass sie geeignet sein müsse, in die öffentliche Literatur einzutreten 1). Auch der Literarische Sachverständigen-Verein zu Berlin hat in einer grossen Zahl von Gutachten sich mit der Untersuchung beschäftigt, ob die nachgedruckte Schrift nach ihrem geistigen Gehalte oder nach ihrer schriftstellerischen Tendenz als ein Object des geistigen Eigenthumes zu qualifizi- ren sei 2). Dennoch gibt das Verzeichniss der zahlreichen von dieser Behörde begutachteten Rechtsfälle den handgreiflichen Beweis dafür, dass die grössere Zahl der Nachdruckprozesse literarische Erzeugnisse untergeordneter Art betrifft, welche keinesweges nach ihrem geistigen Gehalte als ein Bestandtheil unserer Nationalliteratur gelten können, dass Kochbücher, Salz- tarife und Quartierlisten ebensowohl nach der Absicht des Ge- setzes gegen Nachdruck geschützt werden müssen, als Produc- tionen von höherem geistigen Gehalte 3). Die aufgestellte Unterscheidung ist auch theoretisch ganz Andere Schriftsteller haben zwar die Unzulässigkeit dieser 1) Beseler, System des deutschen Privatrechts S. 335. 2) Heydemann und Dambach a. a. O. S. 73--122. 135. 208. 218. 287--293 396. 411 ff. 422. 3) Der literarische Sachverständigen-Verein schliesst auch im prac-
tischen Resultate nur solche Drucksachen von dem Schutze gegen Nach- druck aus, welche überhaupt nicht zur Mittheilung von Gedanken be- stimmt sind, sondern wie die Klagschemata und Contobücher als Schreibformulare dienen oder wie die kalligraphischen Vorschriften und in einem Falle der Text einer Melodie als blosse Träger einer andern geistigen Production dienen. Vergl. Heydemann und Dambach a. a. O. S. 200--214. S. 221 f. V. Gegenstände. §. 16. Schriften. einiger deutschen Landesgesetze, welche die Gegenstände desSchrifteigenthumes als literarische Erzeugnisse bezeichnen, leiten einige Schriftsteller die Folgerung ab, dass die Schrift einen besonders qualifizirten geistigen Inhalt haben müsse, dass sie geeignet sein müsse, in die öffentliche Literatur einzutreten 1). Auch der Literarische Sachverständigen-Verein zu Berlin hat in einer grossen Zahl von Gutachten sich mit der Untersuchung beschäftigt, ob die nachgedruckte Schrift nach ihrem geistigen Gehalte oder nach ihrer schriftstellerischen Tendenz als ein Object des geistigen Eigenthumes zu qualifizi- ren sei 2). Dennoch gibt das Verzeichniss der zahlreichen von dieser Behörde begutachteten Rechtsfälle den handgreiflichen Beweis dafür, dass die grössere Zahl der Nachdruckprozesse literarische Erzeugnisse untergeordneter Art betrifft, welche keinesweges nach ihrem geistigen Gehalte als ein Bestandtheil unserer Nationalliteratur gelten können, dass Kochbücher, Salz- tarife und Quartierlisten ebensowohl nach der Absicht des Ge- setzes gegen Nachdruck geschützt werden müssen, als Produc- tionen von höherem geistigen Gehalte 3). Die aufgestellte Unterscheidung ist auch theoretisch ganz Andere Schriftsteller haben zwar die Unzulässigkeit dieser 1) Beseler, System des deutschen Privatrechts S. 335. 2) Heydemann und Dambach a. a. O. S. 73—122. 135. 208. 218. 287—293 396. 411 ff. 422. 3) Der literarische Sachverständigen-Verein schliesst auch im prac-
tischen Resultate nur solche Drucksachen von dem Schutze gegen Nach- druck aus, welche überhaupt nicht zur Mittheilung von Gedanken be- stimmt sind, sondern wie die Klagschemata und Contobücher als Schreibformulare dienen oder wie die kalligraphischen Vorschriften und in einem Falle der Text einer Melodie als blosse Träger einer andern geistigen Production dienen. Vergl. Heydemann und Dambach a. a. O. S. 200—214. S. 221 f. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0166" n="150"/><fw place="top" type="header">V. Gegenstände. §. 16. Schriften.</fw><lb/> einiger deutschen Landesgesetze, welche die Gegenstände des<lb/> Schrifteigenthumes als literarische Erzeugnisse bezeichnen, leiten<lb/> einige Schriftsteller die Folgerung ab, dass die Schrift einen<lb/><hi rendition="#g">besonders qualifizirten geistigen Inhalt</hi> haben<lb/> müsse, dass sie geeignet sein müsse, in die öffentliche Literatur<lb/> einzutreten <note place="foot" n="1)">Beseler, System des deutschen Privatrechts S. 335.</note>. Auch der Literarische Sachverständigen-Verein<lb/> zu Berlin hat in einer grossen Zahl von Gutachten sich mit<lb/> der Untersuchung beschäftigt, ob die nachgedruckte Schrift<lb/> nach ihrem geistigen Gehalte oder nach ihrer schriftstellerischen<lb/> Tendenz als ein Object des geistigen Eigenthumes zu qualifizi-<lb/> ren sei <note place="foot" n="2)">Heydemann und Dambach a. a. O. S. 73—122. 135. 208. 218.<lb/> 287—293 396. 411 ff. 422.</note>. Dennoch gibt das Verzeichniss der zahlreichen von<lb/> dieser Behörde begutachteten Rechtsfälle den handgreiflichen<lb/> Beweis dafür, dass die grössere Zahl der Nachdruckprozesse<lb/> literarische Erzeugnisse untergeordneter Art betrifft, welche<lb/> keinesweges nach ihrem geistigen Gehalte als ein Bestandtheil<lb/> unserer Nationalliteratur gelten können, dass Kochbücher, Salz-<lb/> tarife und Quartierlisten ebensowohl nach der Absicht des Ge-<lb/> setzes gegen Nachdruck geschützt werden müssen, als Produc-<lb/> tionen von höherem geistigen Gehalte <note place="foot" n="3)">Der literarische Sachverständigen-Verein schliesst auch im prac-<lb/> tischen Resultate nur solche Drucksachen von dem Schutze gegen Nach-<lb/> druck aus, welche überhaupt nicht zur Mittheilung von Gedanken be-<lb/> stimmt sind, sondern wie die Klagschemata und Contobücher als<lb/> Schreibformulare dienen oder wie die kalligraphischen Vorschriften und<lb/> in einem Falle der Text einer Melodie als blosse Träger einer andern<lb/> geistigen Production dienen. Vergl. Heydemann und Dambach a. a. O.<lb/> S. 200—214. S. 221 f.</note>.</p><lb/> <p>Die aufgestellte Unterscheidung ist auch theoretisch ganz<lb/> zu verwerfen. Unter den literarischen Erzeugnissen im Sinne des<lb/> Gesetzes sind alle die Schriften zu verstehen, welche von ihrem<lb/> Verfasser oder durch den Act eines unbefugten Herausgebers<lb/> zum Gegenstande eines buchhändlerischen Vertriebes gemacht<lb/> werden, gleichviel wie wohl oder übel sie dazu geeignet sind.<lb/> Der geistige Inhalt eines Werkes hängt von subjectiver Schätzung<lb/> ab und kann nicht als objectives Merkmal eines juristischen<lb/> Begriffes aufgestellt werden.</p><lb/> <p>Andere Schriftsteller haben zwar die Unzulässigkeit dieser<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [150/0166]
V. Gegenstände. §. 16. Schriften.
einiger deutschen Landesgesetze, welche die Gegenstände des
Schrifteigenthumes als literarische Erzeugnisse bezeichnen, leiten
einige Schriftsteller die Folgerung ab, dass die Schrift einen
besonders qualifizirten geistigen Inhalt haben
müsse, dass sie geeignet sein müsse, in die öffentliche Literatur
einzutreten 1). Auch der Literarische Sachverständigen-Verein
zu Berlin hat in einer grossen Zahl von Gutachten sich mit
der Untersuchung beschäftigt, ob die nachgedruckte Schrift
nach ihrem geistigen Gehalte oder nach ihrer schriftstellerischen
Tendenz als ein Object des geistigen Eigenthumes zu qualifizi-
ren sei 2). Dennoch gibt das Verzeichniss der zahlreichen von
dieser Behörde begutachteten Rechtsfälle den handgreiflichen
Beweis dafür, dass die grössere Zahl der Nachdruckprozesse
literarische Erzeugnisse untergeordneter Art betrifft, welche
keinesweges nach ihrem geistigen Gehalte als ein Bestandtheil
unserer Nationalliteratur gelten können, dass Kochbücher, Salz-
tarife und Quartierlisten ebensowohl nach der Absicht des Ge-
setzes gegen Nachdruck geschützt werden müssen, als Produc-
tionen von höherem geistigen Gehalte 3).
Die aufgestellte Unterscheidung ist auch theoretisch ganz
zu verwerfen. Unter den literarischen Erzeugnissen im Sinne des
Gesetzes sind alle die Schriften zu verstehen, welche von ihrem
Verfasser oder durch den Act eines unbefugten Herausgebers
zum Gegenstande eines buchhändlerischen Vertriebes gemacht
werden, gleichviel wie wohl oder übel sie dazu geeignet sind.
Der geistige Inhalt eines Werkes hängt von subjectiver Schätzung
ab und kann nicht als objectives Merkmal eines juristischen
Begriffes aufgestellt werden.
Andere Schriftsteller haben zwar die Unzulässigkeit dieser
1) Beseler, System des deutschen Privatrechts S. 335.
2) Heydemann und Dambach a. a. O. S. 73—122. 135. 208. 218.
287—293 396. 411 ff. 422.
3) Der literarische Sachverständigen-Verein schliesst auch im prac-
tischen Resultate nur solche Drucksachen von dem Schutze gegen Nach-
druck aus, welche überhaupt nicht zur Mittheilung von Gedanken be-
stimmt sind, sondern wie die Klagschemata und Contobücher als
Schreibformulare dienen oder wie die kalligraphischen Vorschriften und
in einem Falle der Text einer Melodie als blosse Träger einer andern
geistigen Production dienen. Vergl. Heydemann und Dambach a. a. O.
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