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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Predigten und Lehrvorträge. -- Reden vor Gericht etc.
es also der besondern Bestimmung des §. 3, b. des Gesetzes vom
11. Juni 1837 nicht, obgleich dieselbe auch hier die Verfolgung
des unbefugten Nachdruckes erleichtert, indem sie den Verfasser
des Beweises überhebt, dass der Vortrag nach einem Manu-
scripte erfolgte.

Die freien Vorträge fallen dagegen nicht unter die
allgemeine Regel des Gesetzes, welche für Druckschriften und
Manuscripte das Recht der ausschliesslichen Vervielfältigung
statuirt. Sie können den Rechtsschutz des geistigen Eigen-
thumes nur durch besondere Ausnahmebestimmungen erlangen,
wie solche in dem §. 3, b. cit. und in den entsprechenden Vor-
schriften des Oesterreichischen und der oben S. 161 Note 1
citirten Gesetze vorliegen. Diese Ausnahmebestimmungen müs-
sen aber strict interpretirt werden. Der Rechtsschutz des gei-
stigen Eigenthumes wird also nach einheimischem Rechte nur
Predigten und Lehrvorträgen 1) zu Theil.

Alle übrigen freien Vorträge, namentlich die Reden vor
Gericht
und die Kammerreden, gehören nicht zu den Ob-
jecten des Schrifteigenthumes 2). Sie können daher nachge-
schrieben und auf Grund einer solchen Nachschrift von Jedem
vervielfältigt werden.

Einige Schriftsteller vindiziren dem Redner ein bedingtes
Schrifteigenthum, indem sie behaupten, dass zwar die Zeitungen
berechtigt seien, den öffentlich gehaltenen Vortrag als Theil
des Berichtes über die öffentlichen Verhandlungen abzudrucken,
dass aber die besondere Ausgabe oder die Sammlung solcher
Vorträge nur dem Verfasser zustehe 3).

1) Mit dieser Definition des §. 3, b des Gesetzes vom 11. Juni 1837
stimmen die übrigen oben S. 161 citirten deutschen Nachdrucksgesetze
überein. Das Oesterreichische Gesetz vom 19. October 1846 nennt
im §. 4 b die Vorträge zum Zwecke der Erbauung, der Belehrung und
des Vergnügens. Es zählt also auch humoristische Vorträge hieher. Das
Englische Statut vom 9. September 1835 (5 & 6 William IV cap. 65)
bezieht sich auf Vorlesungen überhaupt, nimmt aber in sect. V ausdrück-
lich die an Universitäten und öffentlichen Schulen, sowie die auf Grund
von Stiftungen gehaltenen Lehrvorträge aus, indem es solche für Ge-
meingut erklärt.
2) Die Voraussetzung, dass solche Reden in der Vorlesung eines
vorher ausgearbeiteten Manuscriptes bestehen könnten, ist durch die
Natur der gerichtlichen und parlamentarischen Debatten ausgeschlossen.
3) Gambastide, Traite theorique et pratique des contrefacons

Predigten und Lehrvorträge. — Reden vor Gericht etc.
es also der besondern Bestimmung des §. 3, b. des Gesetzes vom
11. Juni 1837 nicht, obgleich dieselbe auch hier die Verfolgung
des unbefugten Nachdruckes erleichtert, indem sie den Verfasser
des Beweises überhebt, dass der Vortrag nach einem Manu-
scripte erfolgte.

Die freien Vorträge fallen dagegen nicht unter die
allgemeine Regel des Gesetzes, welche für Druckschriften und
Manuscripte das Recht der ausschliesslichen Vervielfältigung
statuirt. Sie können den Rechtsschutz des geistigen Eigen-
thumes nur durch besondere Ausnahmebestimmungen erlangen,
wie solche in dem §. 3, b. cit. und in den entsprechenden Vor-
schriften des Oesterreichischen und der oben S. 161 Note 1
citirten Gesetze vorliegen. Diese Ausnahmebestimmungen müs-
sen aber strict interpretirt werden. Der Rechtsschutz des gei-
stigen Eigenthumes wird also nach einheimischem Rechte nur
Predigten und Lehrvorträgen 1) zu Theil.

Alle übrigen freien Vorträge, namentlich die Reden vor
Gericht
und die Kammerreden, gehören nicht zu den Ob-
jecten des Schrifteigenthumes 2). Sie können daher nachge-
schrieben und auf Grund einer solchen Nachschrift von Jedem
vervielfältigt werden.

Einige Schriftsteller vindiziren dem Redner ein bedingtes
Schrifteigenthum, indem sie behaupten, dass zwar die Zeitungen
berechtigt seien, den öffentlich gehaltenen Vortrag als Theil
des Berichtes über die öffentlichen Verhandlungen abzudrucken,
dass aber die besondere Ausgabe oder die Sammlung solcher
Vorträge nur dem Verfasser zustehe 3).

1) Mit dieser Definition des §. 3, b des Gesetzes vom 11. Juni 1837
stimmen die übrigen oben S. 161 citirten deutschen Nachdrucksgesetze
überein. Das Oesterreichische Gesetz vom 19. October 1846 nennt
im §. 4 b die Vorträge zum Zwecke der Erbauung, der Belehrung und
des Vergnügens. Es zählt also auch humoristische Vorträge hieher. Das
Englische Statut vom 9. September 1835 (5 & 6 William IV cap. 65)
bezieht sich auf Vorlesungen überhaupt, nimmt aber in sect. V ausdrück-
lich die an Universitäten und öffentlichen Schulen, sowie die auf Grund
von Stiftungen gehaltenen Lehrvorträge aus, indem es solche für Ge-
meingut erklärt.
2) Die Voraussetzung, dass solche Reden in der Vorlesung eines
vorher ausgearbeiteten Manuscriptes bestehen könnten, ist durch die
Natur der gerichtlichen und parlamentarischen Debatten ausgeschlossen.
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[167/0183] Predigten und Lehrvorträge. — Reden vor Gericht etc. es also der besondern Bestimmung des §. 3, b. des Gesetzes vom 11. Juni 1837 nicht, obgleich dieselbe auch hier die Verfolgung des unbefugten Nachdruckes erleichtert, indem sie den Verfasser des Beweises überhebt, dass der Vortrag nach einem Manu- scripte erfolgte. Die freien Vorträge fallen dagegen nicht unter die allgemeine Regel des Gesetzes, welche für Druckschriften und Manuscripte das Recht der ausschliesslichen Vervielfältigung statuirt. Sie können den Rechtsschutz des geistigen Eigen- thumes nur durch besondere Ausnahmebestimmungen erlangen, wie solche in dem §. 3, b. cit. und in den entsprechenden Vor- schriften des Oesterreichischen und der oben S. 161 Note 1 citirten Gesetze vorliegen. Diese Ausnahmebestimmungen müs- sen aber strict interpretirt werden. Der Rechtsschutz des gei- stigen Eigenthumes wird also nach einheimischem Rechte nur Predigten und Lehrvorträgen 1) zu Theil. Alle übrigen freien Vorträge, namentlich die Reden vor Gericht und die Kammerreden, gehören nicht zu den Ob- jecten des Schrifteigenthumes 2). Sie können daher nachge- schrieben und auf Grund einer solchen Nachschrift von Jedem vervielfältigt werden. Einige Schriftsteller vindiziren dem Redner ein bedingtes Schrifteigenthum, indem sie behaupten, dass zwar die Zeitungen berechtigt seien, den öffentlich gehaltenen Vortrag als Theil des Berichtes über die öffentlichen Verhandlungen abzudrucken, dass aber die besondere Ausgabe oder die Sammlung solcher Vorträge nur dem Verfasser zustehe 3). 1) Mit dieser Definition des §. 3, b des Gesetzes vom 11. Juni 1837 stimmen die übrigen oben S. 161 citirten deutschen Nachdrucksgesetze überein. Das Oesterreichische Gesetz vom 19. October 1846 nennt im §. 4 b die Vorträge zum Zwecke der Erbauung, der Belehrung und des Vergnügens. Es zählt also auch humoristische Vorträge hieher. Das Englische Statut vom 9. September 1835 (5 & 6 William IV cap. 65) bezieht sich auf Vorlesungen überhaupt, nimmt aber in sect. V ausdrück- lich die an Universitäten und öffentlichen Schulen, sowie die auf Grund von Stiftungen gehaltenen Lehrvorträge aus, indem es solche für Ge- meingut erklärt. 2) Die Voraussetzung, dass solche Reden in der Vorlesung eines vorher ausgearbeiteten Manuscriptes bestehen könnten, ist durch die Natur der gerichtlichen und parlamentarischen Debatten ausgeschlossen. 3) Gambastide, Traité théorique et pratique des contrefaçons

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/183>, abgerufen am 21.11.2024.