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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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ben, wie treu, der Schriftsteller und Schauspie¬
ler die Natur copiert, oder ob er sie verfehlt
hätte! Auf mich würkt Illusion, weil ich in ei¬
ner Welt voll Täuschungen von Jugend auf ge¬
wandelt habe; Jene aber leben und weben in
Wahrheit. Groß ist der Künstler, der durch
das Spiel seiner Phantasie, durch seine, die
Natur nachahmende Darstellung, auch unculti¬
vierte Menschen vergessen machen kann, daß sie
getäuscht werden. Groß ist ferner der Mann,
der den Sinn für ungeschminkte Wahrheit nicht
in dem Meere von Neben-Ideen, Vorurtheilen
und Conventionen ersäuft hat. Aber wie selten
trifft man Kunst und Wahrheits-Sinn, Cultur
und Einfalt, Arm in Arm an! -- Lasset uns
also Den nicht verachten, der den bessern Theil
auf Unkosten des schlechtern gerettet hat, und
lasset uns ihn ja nicht aufklären, sondern lieber
bey solchen dummen Leuten in die Schule gehn!

Auf gutmüthige, aber schwache Leute
soll man zum Besten zu würken, soll, wenn man
kann, edle Freunde um sie her zu versammlen
suchen, von denen sie nicht misbraucht, sondern
zu Thaten gelenkt werden, die eines wohlwol¬

len¬

ben, wie treu, der Schriftſteller und Schauſpie¬
ler die Natur copiert, oder ob er ſie verfehlt
haͤtte! Auf mich wuͤrkt Illuſion, weil ich in ei¬
ner Welt voll Taͤuſchungen von Jugend auf ge¬
wandelt habe; Jene aber leben und weben in
Wahrheit. Groß iſt der Kuͤnſtler, der durch
das Spiel ſeiner Phantaſie, durch ſeine, die
Natur nachahmende Darſtellung, auch unculti¬
vierte Menſchen vergeſſen machen kann, daß ſie
getaͤuſcht werden. Groß iſt ferner der Mann,
der den Sinn fuͤr ungeſchminkte Wahrheit nicht
in dem Meere von Neben-Ideen, Vorurtheilen
und Conventionen erſaͤuft hat. Aber wie ſelten
trifft man Kunſt und Wahrheits-Sinn, Cultur
und Einfalt, Arm in Arm an! — Laſſet uns
alſo Den nicht verachten, der den beſſern Theil
auf Unkoſten des ſchlechtern gerettet hat, und
laſſet uns ihn ja nicht aufklaͤren, ſondern lieber
bey ſolchen dummen Leuten in die Schule gehn!

Auf gutmuͤthige, aber ſchwache Leute
ſoll man zum Beſten zu wuͤrken, ſoll, wenn man
kann, edle Freunde um ſie her zu verſammlen
ſuchen, von denen ſie nicht misbraucht, ſondern
zu Thaten gelenkt werden, die eines wohlwol¬

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[252/0274] ben, wie treu, der Schriftſteller und Schauſpie¬ ler die Natur copiert, oder ob er ſie verfehlt haͤtte! Auf mich wuͤrkt Illuſion, weil ich in ei¬ ner Welt voll Taͤuſchungen von Jugend auf ge¬ wandelt habe; Jene aber leben und weben in Wahrheit. Groß iſt der Kuͤnſtler, der durch das Spiel ſeiner Phantaſie, durch ſeine, die Natur nachahmende Darſtellung, auch unculti¬ vierte Menſchen vergeſſen machen kann, daß ſie getaͤuſcht werden. Groß iſt ferner der Mann, der den Sinn fuͤr ungeſchminkte Wahrheit nicht in dem Meere von Neben-Ideen, Vorurtheilen und Conventionen erſaͤuft hat. Aber wie ſelten trifft man Kunſt und Wahrheits-Sinn, Cultur und Einfalt, Arm in Arm an! — Laſſet uns alſo Den nicht verachten, der den beſſern Theil auf Unkoſten des ſchlechtern gerettet hat, und laſſet uns ihn ja nicht aufklaͤren, ſondern lieber bey ſolchen dummen Leuten in die Schule gehn! Auf gutmuͤthige, aber ſchwache Leute ſoll man zum Beſten zu wuͤrken, ſoll, wenn man kann, edle Freunde um ſie her zu verſammlen ſuchen, von denen ſie nicht misbraucht, ſondern zu Thaten gelenkt werden, die eines wohlwol¬ len¬

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/274>, abgerufen am 24.11.2024.