glüklich wäre ich mit meinem Ferdinand geworden! braucht man eines hohen Titels um glüklich zu sein? warlich nicht, denn mein Glük war dahin, da ich meinen Namen vertauschte, und eine glänzende Rolle auf dieser Bühne spielte. O wie oft hab' ich mich in die Lage eines armen Landmädchens gewünscht! sie kann sich einen Gefährten ihres Lebens wählen, und an seiner Hand einen beschiedenen Teil von Lebens- glükseligkeit geniessen. Unter Arbeit und Erholung fliessen ihre Tage so selig dahin, einer dem andern gleich, jeder ein Zeuge ihres Glüks; zieht gleich hie und da eine trübe düstre Wolke vorüber, so haben sie Mut, sie zu verscheuchen, und Kräfte, die Lasten des Lebens gemeinschaftlich zu tragen. Nein, meine Freundin! ich will nicht murren, daß mein Los hienieden so unglüklich war; erwartet mich doch dort eine Szene, wo diese Tränenflut, die mein rastloses Lager überschwemmt, versieget, bis dahin will ich dulden, und wie lange wird dies noch sein? vielleicht wenige Tage, und mein Staub gesellet sich zur Mutter Erde, und dienet schwelgenden Wür- mern zur Nahrung. Jch bin mit diesem Gedanken vertraut, er erschüttert mich nicht, eben so wenig als der entscheidende Augenblik, wo sich Seele und Leib trennen sollen. Jch hab ja einen Vater dort oben -- er wird nicht mehr Lasten auf sein Ge- schöpf legen, als es zu tragen vermag, er wird
G 3
gluͤklich waͤre ich mit meinem Ferdinand geworden! braucht man eines hohen Titels um gluͤklich zu ſein? warlich nicht, denn mein Gluͤk war dahin, da ich meinen Namen vertauſchte, und eine glaͤnzende Rolle auf dieſer Buͤhne ſpielte. O wie oft hab’ ich mich in die Lage eines armen Landmaͤdchens gewuͤnſcht! ſie kann ſich einen Gefaͤhrten ihres Lebens waͤhlen, und an ſeiner Hand einen beſchiedenen Teil von Lebens- gluͤkſeligkeit genieſſen. Unter Arbeit und Erholung flieſſen ihre Tage ſo ſelig dahin, einer dem andern gleich, jeder ein Zeuge ihres Gluͤks; zieht gleich hie und da eine truͤbe duͤſtre Wolke voruͤber, ſo haben ſie Mut, ſie zu verſcheuchen, und Kraͤfte, die Laſten des Lebens gemeinſchaftlich zu tragen. Nein, meine Freundin! ich will nicht murren, daß mein Los hienieden ſo ungluͤklich war; erwartet mich doch dort eine Szene, wo dieſe Traͤnenflut, die mein raſtloſes Lager uͤberſchwemmt, verſieget, bis dahin will ich dulden, und wie lange wird dies noch ſein? vielleicht wenige Tage, und mein Staub geſellet ſich zur Mutter Erde, und dienet ſchwelgenden Wuͤr- mern zur Nahrung. Jch bin mit dieſem Gedanken vertraut, er erſchuͤttert mich nicht, eben ſo wenig als der entſcheidende Augenblik, wo ſich Seele und Leib trennen ſollen. Jch hab ja einen Vater dort oben — er wird nicht mehr Laſten auf ſein Ge- ſchoͤpf legen, als es zu tragen vermag, er wird
G 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0109"n="101"/>
gluͤklich waͤre ich mit <hirendition="#fr">meinem Ferdinand</hi> geworden!<lb/>
braucht man eines hohen Titels um gluͤklich zu ſein?<lb/>
warlich nicht, denn mein Gluͤk war dahin, da ich<lb/>
meinen Namen vertauſchte, und eine glaͤnzende Rolle<lb/>
auf dieſer Buͤhne ſpielte. O wie oft hab’ ich mich in<lb/>
die Lage eines armen Landmaͤdchens gewuͤnſcht! ſie<lb/>
kann ſich einen Gefaͤhrten ihres Lebens waͤhlen, und<lb/>
an ſeiner Hand einen beſchiedenen Teil von Lebens-<lb/>
gluͤkſeligkeit genieſſen. Unter Arbeit und Erholung<lb/>
flieſſen ihre Tage ſo ſelig dahin, einer dem andern<lb/>
gleich, jeder ein Zeuge ihres Gluͤks; zieht gleich hie<lb/>
und da eine truͤbe duͤſtre Wolke voruͤber, ſo haben<lb/>ſie Mut, ſie zu verſcheuchen, und Kraͤfte, die Laſten<lb/>
des Lebens gemeinſchaftlich zu tragen. Nein,<lb/>
meine <hirendition="#fr">Freundin!</hi> ich will nicht murren, daß mein<lb/>
Los hienieden ſo ungluͤklich war; erwartet mich doch<lb/>
dort eine Szene, wo dieſe Traͤnenflut, die mein<lb/>
raſtloſes Lager uͤberſchwemmt, verſieget, bis dahin<lb/>
will ich dulden, und wie lange wird dies noch ſein?<lb/>
vielleicht wenige Tage, und mein Staub geſellet<lb/>ſich zur Mutter Erde, und dienet ſchwelgenden Wuͤr-<lb/>
mern zur Nahrung. Jch bin mit dieſem Gedanken<lb/>
vertraut, er erſchuͤttert mich nicht, eben ſo wenig<lb/>
als der entſcheidende Augenblik, wo ſich Seele und<lb/>
Leib trennen ſollen. Jch hab ja einen <hirendition="#fr">Vater</hi> dort<lb/>
oben — er wird nicht mehr Laſten auf ſein Ge-<lb/>ſchoͤpf legen, als es zu tragen vermag, er wird<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 3</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[101/0109]
gluͤklich waͤre ich mit meinem Ferdinand geworden!
braucht man eines hohen Titels um gluͤklich zu ſein?
warlich nicht, denn mein Gluͤk war dahin, da ich
meinen Namen vertauſchte, und eine glaͤnzende Rolle
auf dieſer Buͤhne ſpielte. O wie oft hab’ ich mich in
die Lage eines armen Landmaͤdchens gewuͤnſcht! ſie
kann ſich einen Gefaͤhrten ihres Lebens waͤhlen, und
an ſeiner Hand einen beſchiedenen Teil von Lebens-
gluͤkſeligkeit genieſſen. Unter Arbeit und Erholung
flieſſen ihre Tage ſo ſelig dahin, einer dem andern
gleich, jeder ein Zeuge ihres Gluͤks; zieht gleich hie
und da eine truͤbe duͤſtre Wolke voruͤber, ſo haben
ſie Mut, ſie zu verſcheuchen, und Kraͤfte, die Laſten
des Lebens gemeinſchaftlich zu tragen. Nein,
meine Freundin! ich will nicht murren, daß mein
Los hienieden ſo ungluͤklich war; erwartet mich doch
dort eine Szene, wo dieſe Traͤnenflut, die mein
raſtloſes Lager uͤberſchwemmt, verſieget, bis dahin
will ich dulden, und wie lange wird dies noch ſein?
vielleicht wenige Tage, und mein Staub geſellet
ſich zur Mutter Erde, und dienet ſchwelgenden Wuͤr-
mern zur Nahrung. Jch bin mit dieſem Gedanken
vertraut, er erſchuͤttert mich nicht, eben ſo wenig
als der entſcheidende Augenblik, wo ſich Seele und
Leib trennen ſollen. Jch hab ja einen Vater dort
oben — er wird nicht mehr Laſten auf ſein Ge-
ſchoͤpf legen, als es zu tragen vermag, er wird
G 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/109>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.