Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949.pko_027.001 grünten und / blühten. pko_027.003 pko_027.005 Des schweren Krieges Last, // den Deutschland jetzt pko_027.006 empfindet (Opitz). pko_027.007 pko_027.013 pko_027.015welaga nau, waltant got, // wewurt skihit. pko_027.014 Wohlan denn, waltender Gott, Wehsal geschieht (Hildebrandslied). pko_027.016 pko_027.027 pko_027.030 1) pko_027.037
Im 19. Jhdt. haben Richard Wagner und Wilhelm Jordan versucht, diese urdeutsche pko_027.038 Versform der modernen Dichtung zurückzugewinnen. pko_027.001 grünten und / blühten. pko_027.003 pko_027.005 Des schweren Krieges Last, // den Deutschland jetzt pko_027.006 empfindet (Opitz). pko_027.007 pko_027.013 pko_027.015wélaga nû, wáltant got, // wêwurt skihit. pko_027.014 Wohlan denn, waltender Gott, Wehsal geschieht (Hildebrandslied). pko_027.016 pko_027.027 pko_027.030 1) pko_027.037
Im 19. Jhdt. haben Richard Wagner und Wilhelm Jordan versucht, diese urdeutsche pko_027.038 Versform der modernen Dichtung zurückzugewinnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0031" n="27"/> <p><lb n="pko_027.001"/> Takte: Pfingsten, das / liebliche / Fest war ge / kommen es /</p> <lb n="pko_027.002"/> <p> <hi rendition="#right">grünten und / blühten.</hi> </p> <p><lb n="pko_027.003"/> Die Schnittstelle, an der Takt- und Kolongrenze zusammenfallen, nennt <lb n="pko_027.004"/> man <hi rendition="#i">Diärése</hi> (vom griech. diaíresis „Trennung“):</p> <lg> <lb n="pko_027.005"/> <l>Des schweren Krieges Last, // den Deutschland jetzt</l> <lb n="pko_027.006"/> <l> <hi rendition="#right">empfindet</hi> </l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Opitz).</hi> </p> <p><lb n="pko_027.007"/> Nach dem Prinzip der akzentuierenden Metrik dürfte der deutsche <lb n="pko_027.008"/> Versfall niemals dem Prosafall widersprechen, es sollten also stets Kolongipfel <lb n="pko_027.009"/> und rhythmische Hebung zusammenfallen. Das war restlos <lb n="pko_027.010"/> nur beim <hi rendition="#i">Stabreimvers</hi> (s. u. S. 36) der Fall, der zwei Halbzeilen zu <lb n="pko_027.011"/> einer Langzeile bindet, indem er begrifflich oder gefühlsmäßig bedeutungsvolle <lb n="pko_027.012"/> Wörter durch gleichen Anlaut <hi rendition="#i">(Stäbe)</hi> hervorhebt<note xml:id="PKO_027_1" place="foot" n="1)"><lb n="pko_027.037"/> Im 19. Jhdt. haben Richard Wagner und Wilhelm Jordan versucht, diese urdeutsche <lb n="pko_027.038"/> Versform der modernen Dichtung zurückzugewinnen.</note>:</p> <lg> <lb n="pko_027.013"/> <l>wélaga nû, wáltant got, // wêwurt skihit.</l> <lb n="pko_027.014"/> <l>Wohlan denn, waltender Gott, Wehsal geschieht</l> </lg> <lb n="pko_027.015"/> <p> <hi rendition="#right">(Hildebrandslied).</hi> </p> <p><lb n="pko_027.016"/> Ihre Tonstärke bringen die gehobenen Silben aus der natürlichen Prosarede <lb n="pko_027.017"/> mit, sie erwerben sie nicht erst durch ihre Stellung im Verse; die <lb n="pko_027.018"/> Alliteration verdeutlicht blos das logische Satzgefüge. In den neueren <lb n="pko_027.019"/> deutschen Versgebilden, die ausnahmslos aus der Fremde importiert, <lb n="pko_027.020"/> also von anders geformten Sprachen übernommen sind, stimmen Vers- <lb n="pko_027.021"/> und Prosafall naturgemäß nicht allemal überein; durch Störung der <lb n="pko_027.022"/> Harmonie zwischen Versbetonung und Satzbetonung (zwischen Metrum <lb n="pko_027.023"/> und Akzent) entsteht entweder Tonbeugung (Vergewaltigung des Prosafalls) <lb n="pko_027.024"/> oder Durchbrechung des metrischen Rahmens; solche Verletzung <lb n="pko_027.025"/> läßt sich heilen durch den Ausgleich der sog. schwebenden Betonung. In <lb n="pko_027.026"/> dem Vers:<space dim="horizontal"/>Abgesetzt wurd' ich. Eure Gnaden weiß —</p> <p><lb n="pko_027.027"/> verlangt der Sprachakzent die Betonung <hi rendition="#i">ábgesetzt,</hi> das Metrum die <lb n="pko_027.028"/> Lesung <hi rendition="#i">abgésetzt;</hi> die Stimme muß daher verschleifend über den konkurrierenden <lb n="pko_027.029"/> Silben schweben.</p> <p><lb n="pko_027.030"/> Von den möglichen <hi rendition="#i">Taktarten</hi> verwendet der deutsche Vers im <lb n="pko_027.031"/> Grunde nur drei: den sog. <hi rendition="#i">Jámbus</hi> (griech. „Schleuderer“), der die <lb n="pko_027.032"/> Hebung der Senkung folgen läßt (xx́: Vereín, geságt), den sog. <hi rendition="#i">Trochä́us</hi> <lb n="pko_027.033"/> (griech. „Läufer“), der umgekehrt der Senkung die Hebung vorausschickt <lb n="pko_027.034"/> (x́x: Sónne, gében), und den sog. <hi rendition="#i">Dáktylus</hi> (griech. „Finger“), <lb n="pko_027.035"/> welcher der Hebung zwei Senkungen nachsendet (x́xx: schö́nere, <lb n="pko_027.036"/> Gábriel). Die Umkehr des Daktylus (xxx́: elegánt, unterdrǘckt), der </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [27/0031]
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Takte: Pfingsten, das / liebliche / Fest war ge / kommen es /
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grünten und / blühten.
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Die Schnittstelle, an der Takt- und Kolongrenze zusammenfallen, nennt pko_027.004
man Diärése (vom griech. diaíresis „Trennung“):
pko_027.005
Des schweren Krieges Last, // den Deutschland jetzt pko_027.006
empfindet
(Opitz).
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Nach dem Prinzip der akzentuierenden Metrik dürfte der deutsche pko_027.008
Versfall niemals dem Prosafall widersprechen, es sollten also stets Kolongipfel pko_027.009
und rhythmische Hebung zusammenfallen. Das war restlos pko_027.010
nur beim Stabreimvers (s. u. S. 36) der Fall, der zwei Halbzeilen zu pko_027.011
einer Langzeile bindet, indem er begrifflich oder gefühlsmäßig bedeutungsvolle pko_027.012
Wörter durch gleichen Anlaut (Stäbe) hervorhebt 1):
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wélaga nû, wáltant got, // wêwurt skihit. pko_027.014
Wohlan denn, waltender Gott, Wehsal geschieht
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(Hildebrandslied).
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Ihre Tonstärke bringen die gehobenen Silben aus der natürlichen Prosarede pko_027.017
mit, sie erwerben sie nicht erst durch ihre Stellung im Verse; die pko_027.018
Alliteration verdeutlicht blos das logische Satzgefüge. In den neueren pko_027.019
deutschen Versgebilden, die ausnahmslos aus der Fremde importiert, pko_027.020
also von anders geformten Sprachen übernommen sind, stimmen Vers- pko_027.021
und Prosafall naturgemäß nicht allemal überein; durch Störung der pko_027.022
Harmonie zwischen Versbetonung und Satzbetonung (zwischen Metrum pko_027.023
und Akzent) entsteht entweder Tonbeugung (Vergewaltigung des Prosafalls) pko_027.024
oder Durchbrechung des metrischen Rahmens; solche Verletzung pko_027.025
läßt sich heilen durch den Ausgleich der sog. schwebenden Betonung. In pko_027.026
dem Vers: Abgesetzt wurd' ich. Eure Gnaden weiß —
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verlangt der Sprachakzent die Betonung ábgesetzt, das Metrum die pko_027.028
Lesung abgésetzt; die Stimme muß daher verschleifend über den konkurrierenden pko_027.029
Silben schweben.
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Von den möglichen Taktarten verwendet der deutsche Vers im pko_027.031
Grunde nur drei: den sog. Jámbus (griech. „Schleuderer“), der die pko_027.032
Hebung der Senkung folgen läßt (xx́: Vereín, geságt), den sog. Trochä́us pko_027.033
(griech. „Läufer“), der umgekehrt der Senkung die Hebung vorausschickt pko_027.034
(x́x: Sónne, gében), und den sog. Dáktylus (griech. „Finger“), pko_027.035
welcher der Hebung zwei Senkungen nachsendet (x́xx: schö́nere, pko_027.036
Gábriel). Die Umkehr des Daktylus (xxx́: elegánt, unterdrǘckt), der
1) pko_027.037
Im 19. Jhdt. haben Richard Wagner und Wilhelm Jordan versucht, diese urdeutsche pko_027.038
Versform der modernen Dichtung zurückzugewinnen.
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