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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mit Fingern auf einen zeigen? Wahr ist, meine Schwiegertochter ist keine Jüdin mehr, aber die Leute sagen doch immer: die Jüdin! Und sie geht doch seit zehn Jahren schon in die Kirche, hat die heilige Taufe erhalten und ist das Weib meines Sohnes. --

Eine starke Röthe -- war es die des Zornes oder der Scham? -- ward in diesem Augenblick auf Josseph's Antlitz sichtbar. Er sprach kein Wort.

Am andern Tage da hab' ich mir den Birnbaum erst recht angesehen, fuhr der Bauer fort, und da hab' ich gefunden, dem könnt' nur ein Wunder Gottes helfen, daß er wieder Blüten ausschlägt. Denn Ihr müßt wissen, das kann zuweilen auch geschehen. Bäume stehen da Jahre lang wie stumm, und man hebt schon die Axt gegen sie auf, um sie bis auf die Wurzel niederzuhauen. Da fällt es so einem Baum wieder ein; früh kommt Ihr in den Garten, da ist er Euch ganz mit weißen und rothen Blüten bedeckt. Ich hab' mir also meinen Birnbaum angesehen, der ist Euch ausgehöhlt von oben bis unten, zwei Männer könnten darin Platz haben, und vom Saft, da weiß der Baum gar nichts mehr zu erzählen. Drauf geh' ich in meine Stube zurück, nehme meinen Stecken und mach' mich auf den Weg.

Zu wem? fragte Josseph zerstreut.

Zu meinem Sohn Pawel! Zu wem denn anders? entgegnete drauf Waczlaw etwas gereizt. Hab' ich denn mit einem Andern etwas auf der Welt ab-

mit Fingern auf einen zeigen? Wahr ist, meine Schwiegertochter ist keine Jüdin mehr, aber die Leute sagen doch immer: die Jüdin! Und sie geht doch seit zehn Jahren schon in die Kirche, hat die heilige Taufe erhalten und ist das Weib meines Sohnes. —

Eine starke Röthe — war es die des Zornes oder der Scham? — ward in diesem Augenblick auf Josseph's Antlitz sichtbar. Er sprach kein Wort.

Am andern Tage da hab' ich mir den Birnbaum erst recht angesehen, fuhr der Bauer fort, und da hab' ich gefunden, dem könnt' nur ein Wunder Gottes helfen, daß er wieder Blüten ausschlägt. Denn Ihr müßt wissen, das kann zuweilen auch geschehen. Bäume stehen da Jahre lang wie stumm, und man hebt schon die Axt gegen sie auf, um sie bis auf die Wurzel niederzuhauen. Da fällt es so einem Baum wieder ein; früh kommt Ihr in den Garten, da ist er Euch ganz mit weißen und rothen Blüten bedeckt. Ich hab' mir also meinen Birnbaum angesehen, der ist Euch ausgehöhlt von oben bis unten, zwei Männer könnten darin Platz haben, und vom Saft, da weiß der Baum gar nichts mehr zu erzählen. Drauf geh' ich in meine Stube zurück, nehme meinen Stecken und mach' mich auf den Weg.

Zu wem? fragte Josseph zerstreut.

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[0122] mit Fingern auf einen zeigen? Wahr ist, meine Schwiegertochter ist keine Jüdin mehr, aber die Leute sagen doch immer: die Jüdin! Und sie geht doch seit zehn Jahren schon in die Kirche, hat die heilige Taufe erhalten und ist das Weib meines Sohnes. — Eine starke Röthe — war es die des Zornes oder der Scham? — ward in diesem Augenblick auf Josseph's Antlitz sichtbar. Er sprach kein Wort. Am andern Tage da hab' ich mir den Birnbaum erst recht angesehen, fuhr der Bauer fort, und da hab' ich gefunden, dem könnt' nur ein Wunder Gottes helfen, daß er wieder Blüten ausschlägt. Denn Ihr müßt wissen, das kann zuweilen auch geschehen. Bäume stehen da Jahre lang wie stumm, und man hebt schon die Axt gegen sie auf, um sie bis auf die Wurzel niederzuhauen. Da fällt es so einem Baum wieder ein; früh kommt Ihr in den Garten, da ist er Euch ganz mit weißen und rothen Blüten bedeckt. Ich hab' mir also meinen Birnbaum angesehen, der ist Euch ausgehöhlt von oben bis unten, zwei Männer könnten darin Platz haben, und vom Saft, da weiß der Baum gar nichts mehr zu erzählen. Drauf geh' ich in meine Stube zurück, nehme meinen Stecken und mach' mich auf den Weg. Zu wem? fragte Josseph zerstreut. Zu meinem Sohn Pawel! Zu wem denn anders? entgegnete drauf Waczlaw etwas gereizt. Hab' ich denn mit einem Andern etwas auf der Welt ab-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/122>, abgerufen am 29.11.2024.