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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zumachen, bevor sie mich begraben? Schuldig bin ich nichts, mir sind Andere auch nichts schuldig, aber zwischen mir und meinem Sohn Pawel da hat es noch eine Rechnung gegeben, und die habe ich zahlen wollen, ehe es zu spät war. Früh Morgens bin ich weggegangen, und am Abend bin ich erst ins Dorf gekommen. -- Der alte Birnbaum hat keine Kräfte mehr. Ich komme in das Haus meines Pawel's, da ist der nicht zu Haus, nur Weib und Kinder treffe ich da, und die kennen mich nicht. Ich hab' auch nicht gleich gesagt, daß ich der Großvater bin, und spreche zu meiner Schwiegertochter: ich möchte auf ihren Mann warten, bis der käme, ich hätte mit ihm zu sprechen. Meines Pawel's Weib sagt drauf, da könnte sie nichts einwenden dagegen, ich sollte mich indessen setzen, damit das Kleinste in der Wiege bei Nacht schlafen könne, und schickt ihr ältestes Kind weg, damit es Bier und Brot und Butter holt. Da setzt sie sich nun zu mir hin und stellt sich vor mich, daß ich ihr ganzes Wesen hab' ansehen können. Von Minute zu Minute ist sie mir lieber geworden; denn das hab' ich gleich bemerken können, wie sie eine gar gute Mutter sein muß die Kinder waren so sauber und wohl erzogen, wie ich das seit Langem nicht gesehen, und wenn eines nicht folgte, da hat sie es nicht geschlagen oder hat, wie es die Mütter gewöhnlich thun, gesagt: Wart' nur, bis der Vater heim kömmt, sondern das Kind hat gleich gefolgt, und mir hat das außerordentlich gefallen. Das

zumachen, bevor sie mich begraben? Schuldig bin ich nichts, mir sind Andere auch nichts schuldig, aber zwischen mir und meinem Sohn Pawel da hat es noch eine Rechnung gegeben, und die habe ich zahlen wollen, ehe es zu spät war. Früh Morgens bin ich weggegangen, und am Abend bin ich erst ins Dorf gekommen. — Der alte Birnbaum hat keine Kräfte mehr. Ich komme in das Haus meines Pawel's, da ist der nicht zu Haus, nur Weib und Kinder treffe ich da, und die kennen mich nicht. Ich hab' auch nicht gleich gesagt, daß ich der Großvater bin, und spreche zu meiner Schwiegertochter: ich möchte auf ihren Mann warten, bis der käme, ich hätte mit ihm zu sprechen. Meines Pawel's Weib sagt drauf, da könnte sie nichts einwenden dagegen, ich sollte mich indessen setzen, damit das Kleinste in der Wiege bei Nacht schlafen könne, und schickt ihr ältestes Kind weg, damit es Bier und Brot und Butter holt. Da setzt sie sich nun zu mir hin und stellt sich vor mich, daß ich ihr ganzes Wesen hab' ansehen können. Von Minute zu Minute ist sie mir lieber geworden; denn das hab' ich gleich bemerken können, wie sie eine gar gute Mutter sein muß die Kinder waren so sauber und wohl erzogen, wie ich das seit Langem nicht gesehen, und wenn eines nicht folgte, da hat sie es nicht geschlagen oder hat, wie es die Mütter gewöhnlich thun, gesagt: Wart' nur, bis der Vater heim kömmt, sondern das Kind hat gleich gefolgt, und mir hat das außerordentlich gefallen. Das

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[0123] zumachen, bevor sie mich begraben? Schuldig bin ich nichts, mir sind Andere auch nichts schuldig, aber zwischen mir und meinem Sohn Pawel da hat es noch eine Rechnung gegeben, und die habe ich zahlen wollen, ehe es zu spät war. Früh Morgens bin ich weggegangen, und am Abend bin ich erst ins Dorf gekommen. — Der alte Birnbaum hat keine Kräfte mehr. Ich komme in das Haus meines Pawel's, da ist der nicht zu Haus, nur Weib und Kinder treffe ich da, und die kennen mich nicht. Ich hab' auch nicht gleich gesagt, daß ich der Großvater bin, und spreche zu meiner Schwiegertochter: ich möchte auf ihren Mann warten, bis der käme, ich hätte mit ihm zu sprechen. Meines Pawel's Weib sagt drauf, da könnte sie nichts einwenden dagegen, ich sollte mich indessen setzen, damit das Kleinste in der Wiege bei Nacht schlafen könne, und schickt ihr ältestes Kind weg, damit es Bier und Brot und Butter holt. Da setzt sie sich nun zu mir hin und stellt sich vor mich, daß ich ihr ganzes Wesen hab' ansehen können. Von Minute zu Minute ist sie mir lieber geworden; denn das hab' ich gleich bemerken können, wie sie eine gar gute Mutter sein muß die Kinder waren so sauber und wohl erzogen, wie ich das seit Langem nicht gesehen, und wenn eines nicht folgte, da hat sie es nicht geschlagen oder hat, wie es die Mütter gewöhnlich thun, gesagt: Wart' nur, bis der Vater heim kömmt, sondern das Kind hat gleich gefolgt, und mir hat das außerordentlich gefallen. Das

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/123>, abgerufen am 29.11.2024.