Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ich, wie man's machen soll. Man fragt nicht lange, und macht sich auch ohne diese Dummheiten auf den langen Weg. Es ist doch so Alles Eins.

Josseph sprach kein Wort; es that ihm in innerster Seele weh, die gewaltsame Natur des "Dechanten" über seine Schwelle geladen zu haben; es war ihm in diesem Momente, als ginge der Hauch einer zerstörenden und zerfressenden Kraft an seinem Leben vorüber, als hörte er über und unter sich Messer schleifen, die die unsichtbarsten Punkte seines Daseins mit scharfer Schneide trafen. Innerlich fühlte er sich von einer großen Last befreit, als Parzik Anstalten zum Fortgehen machte.

Erst als der Bauer sich entfernt hatte und seine breitspurigen Schritte über die Schwelle hinausgetragen, fiel es Josseph ein, daß er über dem Gespräch mit ihm den eigentlichen Zweck, warum er den "Dechant" gerufen, ganz vergessen hatte.

Fast unbewußt, ob er dem Bauer wirklich nachgerufen habe, entrang sich ihm ein Laut, den die Angst und sein Seelenleiden erzeugt haben mochten. Als Parzik sich wieder umwandte und langsam auf das Haus zuging, war es Josseph, als müßte er vor Scham vergehen; er fühlte sich gedemüthigt, daß er bei einem Bauer sich Raths erholen mußte.

Mit einer hastigen Geberde riß er die angelehnte Gewölbthür auf und fragte bebend, als gälte es die

ich, wie man's machen soll. Man fragt nicht lange, und macht sich auch ohne diese Dummheiten auf den langen Weg. Es ist doch so Alles Eins.

Josseph sprach kein Wort; es that ihm in innerster Seele weh, die gewaltsame Natur des „Dechanten“ über seine Schwelle geladen zu haben; es war ihm in diesem Momente, als ginge der Hauch einer zerstörenden und zerfressenden Kraft an seinem Leben vorüber, als hörte er über und unter sich Messer schleifen, die die unsichtbarsten Punkte seines Daseins mit scharfer Schneide trafen. Innerlich fühlte er sich von einer großen Last befreit, als Parzik Anstalten zum Fortgehen machte.

Erst als der Bauer sich entfernt hatte und seine breitspurigen Schritte über die Schwelle hinausgetragen, fiel es Josseph ein, daß er über dem Gespräch mit ihm den eigentlichen Zweck, warum er den „Dechant“ gerufen, ganz vergessen hatte.

Fast unbewußt, ob er dem Bauer wirklich nachgerufen habe, entrang sich ihm ein Laut, den die Angst und sein Seelenleiden erzeugt haben mochten. Als Parzik sich wieder umwandte und langsam auf das Haus zuging, war es Josseph, als müßte er vor Scham vergehen; er fühlte sich gedemüthigt, daß er bei einem Bauer sich Raths erholen mußte.

Mit einer hastigen Geberde riß er die angelehnte Gewölbthür auf und fragte bebend, als gälte es die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0066"/>
ich, wie man's machen soll. Man fragt                nicht lange, und macht sich auch ohne diese Dummheiten auf den langen Weg. Es ist                doch so Alles Eins.</p><lb/>
        <p>Josseph sprach kein Wort; es that ihm in innerster Seele weh, die gewaltsame Natur                des &#x201E;Dechanten&#x201C; über seine Schwelle geladen zu haben; es war ihm in diesem Momente,                als ginge der Hauch einer zerstörenden und zerfressenden Kraft an seinem Leben                vorüber, als hörte er über und unter sich Messer schleifen, die die unsichtbarsten                Punkte seines Daseins mit scharfer Schneide trafen. Innerlich fühlte er sich von                einer großen Last befreit, als Parzik Anstalten zum Fortgehen machte.</p><lb/>
        <p>Erst als der Bauer sich entfernt hatte und seine breitspurigen Schritte über die                Schwelle hinausgetragen, fiel es Josseph ein, daß er über dem Gespräch mit ihm den                eigentlichen Zweck, warum er den &#x201E;Dechant&#x201C; gerufen, ganz vergessen hatte.</p><lb/>
        <p>Fast unbewußt, ob er dem Bauer wirklich nachgerufen habe, entrang sich ihm ein Laut,                den die Angst und sein Seelenleiden erzeugt haben mochten. Als Parzik sich wieder                umwandte und langsam auf das Haus zuging, war es Josseph, als müßte er vor Scham                vergehen; er fühlte sich gedemüthigt, daß er bei einem Bauer sich Raths erholen                mußte.</p><lb/>
        <p>Mit einer hastigen Geberde riß er die angelehnte Gewölbthür auf und fragte bebend,                als gälte es die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0066] ich, wie man's machen soll. Man fragt nicht lange, und macht sich auch ohne diese Dummheiten auf den langen Weg. Es ist doch so Alles Eins. Josseph sprach kein Wort; es that ihm in innerster Seele weh, die gewaltsame Natur des „Dechanten“ über seine Schwelle geladen zu haben; es war ihm in diesem Momente, als ginge der Hauch einer zerstörenden und zerfressenden Kraft an seinem Leben vorüber, als hörte er über und unter sich Messer schleifen, die die unsichtbarsten Punkte seines Daseins mit scharfer Schneide trafen. Innerlich fühlte er sich von einer großen Last befreit, als Parzik Anstalten zum Fortgehen machte. Erst als der Bauer sich entfernt hatte und seine breitspurigen Schritte über die Schwelle hinausgetragen, fiel es Josseph ein, daß er über dem Gespräch mit ihm den eigentlichen Zweck, warum er den „Dechant“ gerufen, ganz vergessen hatte. Fast unbewußt, ob er dem Bauer wirklich nachgerufen habe, entrang sich ihm ein Laut, den die Angst und sein Seelenleiden erzeugt haben mochten. Als Parzik sich wieder umwandte und langsam auf das Haus zuging, war es Josseph, als müßte er vor Scham vergehen; er fühlte sich gedemüthigt, daß er bei einem Bauer sich Raths erholen mußte. Mit einer hastigen Geberde riß er die angelehnte Gewölbthür auf und fragte bebend, als gälte es die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/66
Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/66>, abgerufen am 04.12.2024.