Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ich versteh' nicht ein Wort von dem, was du da sprichst, sagte Josseph, den das unheimliche Treiben des Bauern immer mehr entsetzte. Parzik erwachte aus seiner wilden Verzückung. Willst du wissen, Jude, sprach er ohne Bitterkeit, fast als ob die Richtigkeit seines Ausspruches über allem Zweifel erhaben stünde, willst du wissen, wer das auf die Gewölbthür hat schreiben lassen? Josseph nickte ein ängstliches Ja. Der da drüben, sagte der Bauer, indem er ruhig mit dem Zeigefinger auf die Pfarrei hinwies. Der Pfarrer? lallte Josseph, zum Tod erblassend. Parzik hatte sich nach diesem Ausschluß eiligst entfernt; noch lange nachher starrten die Augen Josseph's nach den Fenstern der Pfarrwohnung hin. Also dort lebte der Feind? 5. Die Sendung. Seltsame Erscheinung! Daß man sich vor dem Zorne der beleidigten Kirche mehr fürchtet, als vor dem drohend aufgehobenen Finger der Staatsgewalt! Ein dunkles Gefühl, dem Josseph nur keinen Ausdruck zu geben wußte, sagte ihm, daß der Rächer eines gekränkten Gottes unsichtbar, aber desto sicherer treffend Ich versteh' nicht ein Wort von dem, was du da sprichst, sagte Josseph, den das unheimliche Treiben des Bauern immer mehr entsetzte. Parzik erwachte aus seiner wilden Verzückung. Willst du wissen, Jude, sprach er ohne Bitterkeit, fast als ob die Richtigkeit seines Ausspruches über allem Zweifel erhaben stünde, willst du wissen, wer das auf die Gewölbthür hat schreiben lassen? Josseph nickte ein ängstliches Ja. Der da drüben, sagte der Bauer, indem er ruhig mit dem Zeigefinger auf die Pfarrei hinwies. Der Pfarrer? lallte Josseph, zum Tod erblassend. Parzik hatte sich nach diesem Ausschluß eiligst entfernt; noch lange nachher starrten die Augen Josseph's nach den Fenstern der Pfarrwohnung hin. Also dort lebte der Feind? 5. Die Sendung. Seltsame Erscheinung! Daß man sich vor dem Zorne der beleidigten Kirche mehr fürchtet, als vor dem drohend aufgehobenen Finger der Staatsgewalt! Ein dunkles Gefühl, dem Josseph nur keinen Ausdruck zu geben wußte, sagte ihm, daß der Rächer eines gekränkten Gottes unsichtbar, aber desto sicherer treffend <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <pb facs="#f0068"/> <p>Ich versteh' nicht ein Wort von dem, was du da sprichst, sagte Josseph, den das unheimliche Treiben des Bauern immer mehr entsetzte.</p><lb/> <p>Parzik erwachte aus seiner wilden Verzückung. Willst du wissen, Jude, sprach er ohne Bitterkeit, fast als ob die Richtigkeit seines Ausspruches über allem Zweifel erhaben stünde, willst du wissen, wer das auf die Gewölbthür hat schreiben lassen?</p><lb/> <p>Josseph nickte ein ängstliches Ja.</p><lb/> <p>Der da drüben, sagte der Bauer, indem er ruhig mit dem Zeigefinger auf die Pfarrei hinwies.</p><lb/> <p>Der Pfarrer? lallte Josseph, zum Tod erblassend.</p><lb/> <p>Parzik hatte sich nach diesem Ausschluß eiligst entfernt; noch lange nachher starrten die Augen Josseph's nach den Fenstern der Pfarrwohnung hin.</p><lb/> <p>Also dort lebte der Feind?</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="5"> <head>5. Die Sendung.</head> <p>Seltsame Erscheinung! Daß man sich vor dem Zorne der beleidigten Kirche mehr fürchtet, als vor dem drohend aufgehobenen Finger der Staatsgewalt! Ein dunkles Gefühl, dem Josseph nur keinen Ausdruck zu geben wußte, sagte ihm, daß der Rächer eines gekränkten Gottes unsichtbar, aber desto sicherer treffend<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
Ich versteh' nicht ein Wort von dem, was du da sprichst, sagte Josseph, den das unheimliche Treiben des Bauern immer mehr entsetzte.
Parzik erwachte aus seiner wilden Verzückung. Willst du wissen, Jude, sprach er ohne Bitterkeit, fast als ob die Richtigkeit seines Ausspruches über allem Zweifel erhaben stünde, willst du wissen, wer das auf die Gewölbthür hat schreiben lassen?
Josseph nickte ein ängstliches Ja.
Der da drüben, sagte der Bauer, indem er ruhig mit dem Zeigefinger auf die Pfarrei hinwies.
Der Pfarrer? lallte Josseph, zum Tod erblassend.
Parzik hatte sich nach diesem Ausschluß eiligst entfernt; noch lange nachher starrten die Augen Josseph's nach den Fenstern der Pfarrwohnung hin.
Also dort lebte der Feind?
5. Die Sendung. Seltsame Erscheinung! Daß man sich vor dem Zorne der beleidigten Kirche mehr fürchtet, als vor dem drohend aufgehobenen Finger der Staatsgewalt! Ein dunkles Gefühl, dem Josseph nur keinen Ausdruck zu geben wußte, sagte ihm, daß der Rächer eines gekränkten Gottes unsichtbar, aber desto sicherer treffend
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Zitationshilfe: | Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/68>, abgerufen am 23.07.2024. |