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Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Schultern, die sich dergleichen nicht vermutheten. Hatten die Schläge zuweilen nicht den richtigen Mann getroffen, so sagte Checco: Nun, dafür wird ihm Gott andere Sünden vergeben, geißeln wir uns! Hierauf pflegten sie sämmtlich Stöcke zu nehmen, stellten sich im Kreis und hieben einander weidlich durch. Verschlagen waren Alle wie Füchse, listig wie Schlangen, vorsichtig wie die Marder, und wollte man sie fangen, so wurden sie zu Aalen und entwischten aus den Händen der Häscher, wenn man sie schon fest zu haben glaubte. Das ganze Gebirg, voll labyrinthischer Höhlen, war der Palast, in dem sie wohnten. An steilen Felswänden hatten sie kleine Stufen und Griffe zum Klettern gehauen, an denen sie, gleich Steinböcken, wunderbar schnell hinanlaufen konnten, die aber, gleich einem Räthsel, so wunderlich verworren durcheinander gingen, daß Niemand den Flüchtigen nachzueilen vermochte. So hatten sie, wo man sie umzingelt zu haben glaubte, noch hundert Ausgänge und waren ihren Verfolgern an List immer überlegen. Es war, als ob keine Kugel sie treffen könnte, und Wenige waren im Volk, die sie nicht für Zauberer hielten. Als hätten sie den Carneval geplündert, erschienen sie bald in dieser bald in jener wunderlichen Verkappung und gaben den Leuten viel zu erzählen. Dabei versäumten sie kein Madonnenfest, gingen fleißig zur Messe und bei einem Pater Namens Andronico zur Beichte, der ihnen oft harte Büßungen auflegte, welche sie gewissenhaft erfüllten. So beteten sie

Schultern, die sich dergleichen nicht vermutheten. Hatten die Schläge zuweilen nicht den richtigen Mann getroffen, so sagte Checco: Nun, dafür wird ihm Gott andere Sünden vergeben, geißeln wir uns! Hierauf pflegten sie sämmtlich Stöcke zu nehmen, stellten sich im Kreis und hieben einander weidlich durch. Verschlagen waren Alle wie Füchse, listig wie Schlangen, vorsichtig wie die Marder, und wollte man sie fangen, so wurden sie zu Aalen und entwischten aus den Händen der Häscher, wenn man sie schon fest zu haben glaubte. Das ganze Gebirg, voll labyrinthischer Höhlen, war der Palast, in dem sie wohnten. An steilen Felswänden hatten sie kleine Stufen und Griffe zum Klettern gehauen, an denen sie, gleich Steinböcken, wunderbar schnell hinanlaufen konnten, die aber, gleich einem Räthsel, so wunderlich verworren durcheinander gingen, daß Niemand den Flüchtigen nachzueilen vermochte. So hatten sie, wo man sie umzingelt zu haben glaubte, noch hundert Ausgänge und waren ihren Verfolgern an List immer überlegen. Es war, als ob keine Kugel sie treffen könnte, und Wenige waren im Volk, die sie nicht für Zauberer hielten. Als hätten sie den Carneval geplündert, erschienen sie bald in dieser bald in jener wunderlichen Verkappung und gaben den Leuten viel zu erzählen. Dabei versäumten sie kein Madonnenfest, gingen fleißig zur Messe und bei einem Pater Namens Andronico zur Beichte, der ihnen oft harte Büßungen auflegte, welche sie gewissenhaft erfüllten. So beteten sie

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[0034] Schultern, die sich dergleichen nicht vermutheten. Hatten die Schläge zuweilen nicht den richtigen Mann getroffen, so sagte Checco: Nun, dafür wird ihm Gott andere Sünden vergeben, geißeln wir uns! Hierauf pflegten sie sämmtlich Stöcke zu nehmen, stellten sich im Kreis und hieben einander weidlich durch. Verschlagen waren Alle wie Füchse, listig wie Schlangen, vorsichtig wie die Marder, und wollte man sie fangen, so wurden sie zu Aalen und entwischten aus den Händen der Häscher, wenn man sie schon fest zu haben glaubte. Das ganze Gebirg, voll labyrinthischer Höhlen, war der Palast, in dem sie wohnten. An steilen Felswänden hatten sie kleine Stufen und Griffe zum Klettern gehauen, an denen sie, gleich Steinböcken, wunderbar schnell hinanlaufen konnten, die aber, gleich einem Räthsel, so wunderlich verworren durcheinander gingen, daß Niemand den Flüchtigen nachzueilen vermochte. So hatten sie, wo man sie umzingelt zu haben glaubte, noch hundert Ausgänge und waren ihren Verfolgern an List immer überlegen. Es war, als ob keine Kugel sie treffen könnte, und Wenige waren im Volk, die sie nicht für Zauberer hielten. Als hätten sie den Carneval geplündert, erschienen sie bald in dieser bald in jener wunderlichen Verkappung und gaben den Leuten viel zu erzählen. Dabei versäumten sie kein Madonnenfest, gingen fleißig zur Messe und bei einem Pater Namens Andronico zur Beichte, der ihnen oft harte Büßungen auflegte, welche sie gewissenhaft erfüllten. So beteten sie

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:35:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/34>, abgerufen am 20.04.2024.