fünf und zwanzig Albano's? und eben so vielen Anni- bal Carraccio's? nicht einmal eine Sylbe von Domeni- chino's berühmter Communion des heil. Hyero- nimus? u. s. w. -- Nichts von alle dem. Jch habe ja meine Schwachheit bereits gestanden. Was ich blos mit Kunstsinn beschaue, und, wenn man will, auch be- wundere, das gräbt sich nicht in mein Gedächtniß, ich kann nichts davon wieder erzählen. Die hochgepriesene Abnahme vom Kreuz z. B. -- ja ich finde sie auch außerordentlich schön -- aber ich kann nie dabei verges- sen, daß das Kreuz bei den Juden eben so viel war als bei uns der Galgen, und daß eine Abnahme vom Galgen durchaus kein Gegenstand für die schö- nen Künste ist. Eben so geht es mir mit den fatalen Märtyrern, von welchen diese Gallerie gleichfalls wim- melt. So ein gerösteter, gespickter oder geschundener Heiliger, und hätte ihn der liebe Gott selbst gemalt, ist mir ein unausstehliches Kunstwerk, an dem ich schnell vorüber eile. -- Was die Landschaften betrifft, so he- ge ich da wieder meine eigene Ketzerei. Zwar sind mir die gemalten Landschaften weit lieber als die be- schriebenen, und Vernet und Hakkert (von dem hier aber nichts ist) reißen auch mich oft zu stau- nender Bewunderung hin, aber -- es bleibt mir kein Bild in der Seele; es wäre denn daß die Landschaft durch eine Geschichte belebt würde, denn für mich ist nun einmal Geschichtsmalerei das Höchste und Ein- zige in dieser Kunst!
Schade daß der Catalog der Gallerie so sehr man- gelhaft ist. Viele Bilder haben ganz falsche Nummern und viele gar keine. -- Mit der Fremden-Karte in der Tasche kann man diesen herrlichen Kunsttempel
fuͤnf und zwanzig Albano's? und eben so vielen Anni- bal Carraccio's? nicht einmal eine Sylbe von Domeni- chino's beruͤhmter Communion des heil. Hyero- nimus? u. s. w. — Nichts von alle dem. Jch habe ja meine Schwachheit bereits gestanden. Was ich blos mit Kunstsinn beschaue, und, wenn man will, auch be- wundere, das graͤbt sich nicht in mein Gedaͤchtniß, ich kann nichts davon wieder erzaͤhlen. Die hochgepriesene Abnahme vom Kreuz z. B. — ja ich finde sie auch außerordentlich schoͤn — aber ich kann nie dabei verges- sen, daß das Kreuz bei den Juden eben so viel war als bei uns der Galgen, und daß eine Abnahme vom Galgen durchaus kein Gegenstand fuͤr die schoͤ- nen Kuͤnste ist. Eben so geht es mir mit den fatalen Maͤrtyrern, von welchen diese Gallerie gleichfalls wim- melt. So ein geroͤsteter, gespickter oder geschundener Heiliger, und haͤtte ihn der liebe Gott selbst gemalt, ist mir ein unausstehliches Kunstwerk, an dem ich schnell voruͤber eile. — Was die Landschaften betrifft, so he- ge ich da wieder meine eigene Ketzerei. Zwar sind mir die gemalten Landschaften weit lieber als die be- schriebenen, und Vernet und Hakkert (von dem hier aber nichts ist) reißen auch mich oft zu stau- nender Bewunderung hin, aber — es bleibt mir kein Bild in der Seele; es waͤre denn daß die Landschaft durch eine Geschichte belebt wuͤrde, denn fuͤr mich ist nun einmal Geschichtsmalerei das Hoͤchste und Ein- zige in dieser Kunst!
Schade daß der Catalog der Gallerie so sehr man- gelhaft ist. Viele Bilder haben ganz falsche Nummern und viele gar keine. — Mit der Fremden-Karte in der Tasche kann man diesen herrlichen Kunsttempel
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fuͤnf und zwanzig Albano's? und eben so vielen Anni-
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chino's beruͤhmter Communion des heil. Hyero-
nimus? u. s. w. — Nichts von alle dem. Jch habe
ja meine Schwachheit bereits gestanden. Was ich blos
mit Kunstsinn beschaue, und, wenn man will, auch be-
wundere, das graͤbt sich nicht in mein Gedaͤchtniß, ich
kann nichts davon wieder erzaͤhlen. Die hochgepriesene
Abnahme vom Kreuz z. B. — ja ich finde sie auch
außerordentlich schoͤn — aber ich kann nie dabei verges-
sen, daß das Kreuz bei den Juden eben so viel war
als bei uns der Galgen, und daß eine Abnahme
vom Galgen durchaus kein Gegenstand fuͤr die schoͤ-
nen Kuͤnste ist. Eben so geht es mir mit den fatalen
Maͤrtyrern, von welchen diese Gallerie gleichfalls wim-
melt. So ein geroͤsteter, gespickter oder geschundener
Heiliger, und haͤtte ihn der liebe Gott selbst gemalt,
ist mir ein unausstehliches Kunstwerk, an dem ich schnell
voruͤber eile. — Was die Landschaften betrifft, so he-
ge ich da wieder meine eigene Ketzerei. Zwar sind mir
die gemalten Landschaften weit lieber als die be-
schriebenen, und Vernet und Hakkert (von
dem hier aber nichts ist) reißen auch mich oft zu stau-
nender Bewunderung hin, aber — es bleibt mir kein
Bild in der Seele; es waͤre denn daß die Landschaft
durch eine Geschichte belebt wuͤrde, denn fuͤr mich
ist nun einmal Geschichtsmalerei das Hoͤchste und Ein-
zige in dieser Kunst!
Schade daß der Catalog der Gallerie so sehr man-
gelhaft ist. Viele Bilder haben ganz falsche Nummern
und viele gar keine. — Mit der Fremden-Karte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/152>, abgerufen am 16.02.2025.
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