Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.Pariser Gewohnheiten und Sitten. J. Essen und Trinken. Seit man in Paris sich zwischen 6 und 7 Uhr Abends Pariser Gewohnheiten und Sitten. J. Essen und Trinken. Seit man in Paris sich zwischen 6 und 7 Uhr Abends <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0165" n="161"/> <div n="3"> <head>Pariser Gewohnheiten und Sitten.</head><lb/> <div n="4"> <head>J. Essen und Trinken.</head><lb/> <p>Seit man in Paris sich zwischen 6 und 7 Uhr Abends<lb/> zur Mittagstafel setzt, weiß man natuͤrlich nichts mehr<lb/> von <hi rendition="#g">Vesperbrod,</hi> (gouté); nur Schulknaben, Land-<lb/> leute und Bewohner einiger entfernter Provinzen kennen<lb/> noch das liebliche Schauspiel einer froͤhlichen Gesellschaft,<lb/> die sich um die geschaͤftige Hausmutter an einem Tische<lb/> sammelt, der mit Milch, Fruͤchten u. dgl. besetzt ist.<lb/> Welch ein Leben! besonders im Freien, im Gruͤnen.<lb/> Dergleichen Scenen liebt man auch wohl in Paris noch,<lb/> aber nur in der Oper. Der <hi rendition="#g">Thee</hi> hat den Platz des<lb/> Vesperbrods eingenommen. <hi rendition="#g">Thee</hi> nennt man aber jetzt<lb/> eine <hi rendition="#g">Mahlzeit,</hi> die zwischen 2 und 3 Uhr Morgens<lb/> aufgetischt wird, und wobei man so ziemlich alles fin-<lb/> det, nur keinen <hi rendition="#g">Thee.</hi> Fleisch, Wild, hitzige, schaͤu-<lb/> mende Weine, Punsch, Bischof, das sind die Haupt-<lb/> bestandtheile eines <hi rendition="#g">Thees.</hi> — Jn einigen Staͤdten<lb/> Frankreichs sollen noch große goutés bei Kindtaufen ge-<lb/> woͤhnlich seyn; dann heißen sie <hi rendition="#g">Collationen.</hi> Alle<lb/> ersinnliche Leckereien werden dabei verschwendet, doch<lb/> alles wird kalt servirt. — Die Beschreibung eines Ve-<lb/> sperbrods nach alter guter Sitte findet man nur noch<lb/> in der <hi rendition="#g">neuen Heloise,</hi> wo Frau von Wolmar ein<lb/> solches in ihrem Elysium veranstaltet hat. — Jn Paris<lb/> sind die goutés sogar bei den <hi rendition="#g">Preisaustheilungen</hi><lb/> an die fleißige Jugend verschwunden. Daher wuͤrde ein<lb/> ehrgeiziger Wirth in nicht geringe Verlegenheit gerathen,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [161/0165]
Pariser Gewohnheiten und Sitten.
J. Essen und Trinken.
Seit man in Paris sich zwischen 6 und 7 Uhr Abends
zur Mittagstafel setzt, weiß man natuͤrlich nichts mehr
von Vesperbrod, (gouté); nur Schulknaben, Land-
leute und Bewohner einiger entfernter Provinzen kennen
noch das liebliche Schauspiel einer froͤhlichen Gesellschaft,
die sich um die geschaͤftige Hausmutter an einem Tische
sammelt, der mit Milch, Fruͤchten u. dgl. besetzt ist.
Welch ein Leben! besonders im Freien, im Gruͤnen.
Dergleichen Scenen liebt man auch wohl in Paris noch,
aber nur in der Oper. Der Thee hat den Platz des
Vesperbrods eingenommen. Thee nennt man aber jetzt
eine Mahlzeit, die zwischen 2 und 3 Uhr Morgens
aufgetischt wird, und wobei man so ziemlich alles fin-
det, nur keinen Thee. Fleisch, Wild, hitzige, schaͤu-
mende Weine, Punsch, Bischof, das sind die Haupt-
bestandtheile eines Thees. — Jn einigen Staͤdten
Frankreichs sollen noch große goutés bei Kindtaufen ge-
woͤhnlich seyn; dann heißen sie Collationen. Alle
ersinnliche Leckereien werden dabei verschwendet, doch
alles wird kalt servirt. — Die Beschreibung eines Ve-
sperbrods nach alter guter Sitte findet man nur noch
in der neuen Heloise, wo Frau von Wolmar ein
solches in ihrem Elysium veranstaltet hat. — Jn Paris
sind die goutés sogar bei den Preisaustheilungen
an die fleißige Jugend verschwunden. Daher wuͤrde ein
ehrgeiziger Wirth in nicht geringe Verlegenheit gerathen,
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