Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.Das Taubstummeninstitut. Der Nachfolger des berühmten Abbe de l'Epee, der Trotz seiner kaum überstandenen Krankheit, redete Das Taubstummeninstitut. Der Nachfolger des beruͤhmten Abbé de l'Epée, der Trotz seiner kaum uͤberstandenen Krankheit, redete <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0116" n="116"/> <div n="1"> <head>Das Taubstummeninstitut.</head><lb/> <p>Der Nachfolger des beruͤhmten Abbé de l'Epée, der<lb/> nicht unberuͤhmte <hi rendition="#g">Sicard,</hi> war eine Zeitlang krank ge-<lb/> wesen, und hatte die gewoͤhnlichen oͤffentlichen Sitzungen<lb/> aussetzen muͤssen, daher war die Versammlung sehr zahl-<lb/> reich, als er zum erstenmal dazu einlud. Kaum faßte<lb/> der große Saal die Menge der Fremden. Seine einzige<lb/> Verzierung war die Buͤste des Abbé de J'Epée. Reihen<lb/> von Baͤnken erhoben sich amphitheatralisch, die taubstum-<lb/> men Zoͤglinge saßen auf den vordersten; Sicard selbst be-<lb/> trat ein Katheder.</p><lb/> <p>Trotz seiner kaum uͤberstandenen Krankheit, redete<lb/> er fast ununterbrochen, von halb zwoͤlf Uhr an, bis nach<lb/> vier Uhr, also fast <hi rendition="#g">fuͤnf</hi> Stunden, um die er uns aber<lb/> gewißermaßen betrog: denn Niemanden glaubte laͤnger,<lb/> als ein paar Stunden, gegenwaͤrtig gewesen zu seyn.<lb/> Man hat ihm verschiedentlich in dentschen Blaͤttern den<lb/> Vorwurf der Charlatanerie gemacht, ich meyne aber,<lb/> man thue ihm Unrecht. Der Mann hat durchaus nichts<lb/> Aehnliches mit einem Charlatan; und wenn er zuweilen<lb/> in diesen Sitzungen die sinnreichsten Taubstummen einige<lb/><hi rendition="#g">Kuͤnste</hi> machen laͤßt, so ist ihm das wohl zu verzeihen:<lb/> denn, womit soll er dann eine so große, so sehr <hi rendition="#g">ge-<lb/> mischte</hi> Versammlung unterhalten? — Er that doch<lb/> an jenem Tage bey weitem <hi rendition="#g">Mehr,</hi> und wirklich <hi rendition="#g">zu<lb/> Viel</hi> fuͤr ein solches, groͤßtentheils aus Damen bestan-<lb/> denes Publikum. Er entwickelte seine <hi rendition="#g">Methode,</hi> den<lb/><hi rendition="#g">Zweck,</hi> (naͤmlich Menschen aus diesen Ungluͤcklichen zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [116/0116]
Das Taubstummeninstitut.
Der Nachfolger des beruͤhmten Abbé de l'Epée, der
nicht unberuͤhmte Sicard, war eine Zeitlang krank ge-
wesen, und hatte die gewoͤhnlichen oͤffentlichen Sitzungen
aussetzen muͤssen, daher war die Versammlung sehr zahl-
reich, als er zum erstenmal dazu einlud. Kaum faßte
der große Saal die Menge der Fremden. Seine einzige
Verzierung war die Buͤste des Abbé de J'Epée. Reihen
von Baͤnken erhoben sich amphitheatralisch, die taubstum-
men Zoͤglinge saßen auf den vordersten; Sicard selbst be-
trat ein Katheder.
Trotz seiner kaum uͤberstandenen Krankheit, redete
er fast ununterbrochen, von halb zwoͤlf Uhr an, bis nach
vier Uhr, also fast fuͤnf Stunden, um die er uns aber
gewißermaßen betrog: denn Niemanden glaubte laͤnger,
als ein paar Stunden, gegenwaͤrtig gewesen zu seyn.
Man hat ihm verschiedentlich in dentschen Blaͤttern den
Vorwurf der Charlatanerie gemacht, ich meyne aber,
man thue ihm Unrecht. Der Mann hat durchaus nichts
Aehnliches mit einem Charlatan; und wenn er zuweilen
in diesen Sitzungen die sinnreichsten Taubstummen einige
Kuͤnste machen laͤßt, so ist ihm das wohl zu verzeihen:
denn, womit soll er dann eine so große, so sehr ge-
mischte Versammlung unterhalten? — Er that doch
an jenem Tage bey weitem Mehr, und wirklich zu
Viel fuͤr ein solches, groͤßtentheils aus Damen bestan-
denes Publikum. Er entwickelte seine Methode, den
Zweck, (naͤmlich Menschen aus diesen Ungluͤcklichen zu
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