Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.gewesen war, versicherte ihn Einer aus der Gesellschaft, Eine Dame von Welt will zuerst gefallen, dann Jch habe keine Zeit Sie hochzuschätzen, (sagt Mit dem Ehrentitel Artiste wird eine gewaltige Mä- gewesen war, versicherte ihn Einer aus der Gesellschaft, Eine Dame von Welt will zuerst gefallen, dann Jch habe keine Zeit Sie hochzuschaͤtzen, (sagt Mit dem Ehrentitel Artiste wird eine gewaltige Maͤ- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0187" n="187"/> gewesen war, versicherte ihn Einer aus der Gesellschaft,<lb/> es freue ihn außerordentlich zu sehen, daß er seiner Mey-<lb/> nung sey. Giebt man den Leuten <hi rendition="#g">keine</hi> Antwort, so<lb/> machen sie sich selber eine nach ihrem Wunsche. — Wer<lb/> nicht zuzuhoͤren versteht, sondern nur immer wiederholt,<lb/> was Andere geplaudert haben, der gleicht den kleinen<lb/><hi rendition="#g">Eimerchen</hi> an einem <hi rendition="#g">Schoͤpfrade,</hi> die sich immer-<lb/> waͤhrend anfuͤllen, und sogleich wieder ausleeren.“</p><lb/> <p>Eine Dame von Welt will zuerst gefallen, dann<lb/> und wann liebenswuͤrdig seyn, endlich Hochachtung ver-<lb/> dienen, das Letztere nur, wenn nichts Besseres mehr zu<lb/> thun ist, oder um sich auszuzeichnen, denn es giebt eine<lb/> Koketterie in der Moral, wie in der Kleidung, und<lb/> gluͤcklicher Weise wird die Tugend zuweilen <hi rendition="#g">Mode.</hi></p><lb/> <p>Jch habe <hi rendition="#g">keine Zeit</hi> Sie hochzuschaͤtzen, (sagt<lb/> eine solche Dame zu einem ehrlichen Manne, der ihr<lb/> lange Weile macht,) wenn <hi rendition="#g">Sie mir gefallen</hi> koͤnn-<lb/> ten, so waͤre das weit schneller geschehen.</p><lb/> <p>Mit dem Ehrentitel Artiste wird eine gewaltige Maͤ-<lb/> keley getrieben. Artiste en marbre, heißt ein gewoͤhn-<lb/> licher Steinhauer; Artiste en peinture, ein Hausan-<lb/> streicher. Monsieur Joly ist der beruͤhmteste Artiste en<lb/> cheveux. Er faͤhrt in seiner Equipage vor, huͤpft her-<lb/> ein, gruͤßt kaum, und scheint den Hut etwas abzuneh-<lb/> men, weil es ihm zu warm ist. Er tritt vor den Spie-<lb/> gel, mustert seinen Frack, seine lederne Beinkleider und<lb/> Stiefeln; dann kuͤßt er der Dame die Hand, laͤßt sich<lb/> eine Schachtel bringen, zieht allerlei Haarkram heraus,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [187/0187]
gewesen war, versicherte ihn Einer aus der Gesellschaft,
es freue ihn außerordentlich zu sehen, daß er seiner Mey-
nung sey. Giebt man den Leuten keine Antwort, so
machen sie sich selber eine nach ihrem Wunsche. — Wer
nicht zuzuhoͤren versteht, sondern nur immer wiederholt,
was Andere geplaudert haben, der gleicht den kleinen
Eimerchen an einem Schoͤpfrade, die sich immer-
waͤhrend anfuͤllen, und sogleich wieder ausleeren.“
Eine Dame von Welt will zuerst gefallen, dann
und wann liebenswuͤrdig seyn, endlich Hochachtung ver-
dienen, das Letztere nur, wenn nichts Besseres mehr zu
thun ist, oder um sich auszuzeichnen, denn es giebt eine
Koketterie in der Moral, wie in der Kleidung, und
gluͤcklicher Weise wird die Tugend zuweilen Mode.
Jch habe keine Zeit Sie hochzuschaͤtzen, (sagt
eine solche Dame zu einem ehrlichen Manne, der ihr
lange Weile macht,) wenn Sie mir gefallen koͤnn-
ten, so waͤre das weit schneller geschehen.
Mit dem Ehrentitel Artiste wird eine gewaltige Maͤ-
keley getrieben. Artiste en marbre, heißt ein gewoͤhn-
licher Steinhauer; Artiste en peinture, ein Hausan-
streicher. Monsieur Joly ist der beruͤhmteste Artiste en
cheveux. Er faͤhrt in seiner Equipage vor, huͤpft her-
ein, gruͤßt kaum, und scheint den Hut etwas abzuneh-
men, weil es ihm zu warm ist. Er tritt vor den Spie-
gel, mustert seinen Frack, seine lederne Beinkleider und
Stiefeln; dann kuͤßt er der Dame die Hand, laͤßt sich
eine Schachtel bringen, zieht allerlei Haarkram heraus,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |