Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.in mir wohl den Fremdling erkannte, und meine schöne Wir traten jetzt aus der langen finstern Gruft in Aus dem beraubten Tempel des Todes stiegen wir Als wir die Abtey verließen, erfüllte er sein Ver- in mir wohl den Fremdling erkannte, und meine schoͤne Wir traten jetzt aus der langen finstern Gruft in Aus dem beraubten Tempel des Todes stiegen wir Als wir die Abtey verließen, erfuͤllte er sein Ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0006" n="6"/> in mir wohl den Fremdling erkannte, und meine schoͤne<lb/> Begleiterinn so herzlich bewegt sah, faßte er Zutrauen,<lb/> und bekannte, er habe die Gebeine nicht verbrannt, son-<lb/> dern sie etwa hundert Schritte von der Abtey in stiller<lb/> Nacht begraben. Wir baten ihn, uns dahin zu fuͤhren.<lb/> Er versprachs.</p><lb/> <p>Wir traten jetzt aus der langen finstern Gruft in<lb/> eine helle unterirdische Kapelle, wo noch viele Bildsaͤu-<lb/> len von Heiligen in Lebensgroͤße standen. Der Schwei-<lb/> zer machte uns aufmerksam auf eine Jungfrau Maria,<lb/> die, durch einen seltsamen Zufall, der ungluͤcklichen Koͤ-<lb/> niginn Maria Antoinette so aͤhnlich sieht, daß Jeder, der<lb/> diese nur einmal sah, bekennen muß, es gebe kein aͤhn-<lb/> licheres Bild von ihr.</p><lb/> <p>Aus dem beraubten Tempel des Todes stiegen wir<lb/> wieder hinauf in die oͤden Hallen, an welchen die<lb/> Zeit zum erstenmal es wagt ihre Sichel zu wetzen. Der<lb/> Alte schmeichelt sich es noch zu erleben, daß die Abtey<lb/> wieder hergestellt werde; seine Hoffnung gruͤndet sich auf<lb/> einige Worte, die Bonaparte einst soll geaͤußert haben.<lb/> Da der Bau aber große Summen kosten wuͤrde, so ist<lb/> wenigstens vor der Hand nicht daran zu denken; doch<lb/> wohl dem guten Greise, daß er noch hienieden an einer<lb/> Hoffnung haͤngt! sie ist das letzte Oehl zu seinem Lebens-<lb/> tochte; wer die ihm heute raubt, der findt ihn morgen<lb/> todt.</p><lb/> <p>Als wir die Abtey verließen, erfuͤllte er sein Ver-<lb/> sprechen, und fuͤhrte uns, etwa hundert Schritt von da,<lb/> auf einen kleinen Grasplatz, der sich durch Nichts, durch<lb/> gar Nichts anszeichnete. Hier, auf einem Raume, den<lb/> meine ausgebreitete Arme umspannten, lagen unter mei-<lb/> nen Fuͤßen die Gebeine von mehr als vierzig Koͤnigen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0006]
in mir wohl den Fremdling erkannte, und meine schoͤne
Begleiterinn so herzlich bewegt sah, faßte er Zutrauen,
und bekannte, er habe die Gebeine nicht verbrannt, son-
dern sie etwa hundert Schritte von der Abtey in stiller
Nacht begraben. Wir baten ihn, uns dahin zu fuͤhren.
Er versprachs.
Wir traten jetzt aus der langen finstern Gruft in
eine helle unterirdische Kapelle, wo noch viele Bildsaͤu-
len von Heiligen in Lebensgroͤße standen. Der Schwei-
zer machte uns aufmerksam auf eine Jungfrau Maria,
die, durch einen seltsamen Zufall, der ungluͤcklichen Koͤ-
niginn Maria Antoinette so aͤhnlich sieht, daß Jeder, der
diese nur einmal sah, bekennen muß, es gebe kein aͤhn-
licheres Bild von ihr.
Aus dem beraubten Tempel des Todes stiegen wir
wieder hinauf in die oͤden Hallen, an welchen die
Zeit zum erstenmal es wagt ihre Sichel zu wetzen. Der
Alte schmeichelt sich es noch zu erleben, daß die Abtey
wieder hergestellt werde; seine Hoffnung gruͤndet sich auf
einige Worte, die Bonaparte einst soll geaͤußert haben.
Da der Bau aber große Summen kosten wuͤrde, so ist
wenigstens vor der Hand nicht daran zu denken; doch
wohl dem guten Greise, daß er noch hienieden an einer
Hoffnung haͤngt! sie ist das letzte Oehl zu seinem Lebens-
tochte; wer die ihm heute raubt, der findt ihn morgen
todt.
Als wir die Abtey verließen, erfuͤllte er sein Ver-
sprechen, und fuͤhrte uns, etwa hundert Schritt von da,
auf einen kleinen Grasplatz, der sich durch Nichts, durch
gar Nichts anszeichnete. Hier, auf einem Raume, den
meine ausgebreitete Arme umspannten, lagen unter mei-
nen Fuͤßen die Gebeine von mehr als vierzig Koͤnigen,
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