Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.
Pinsel uns darstellt -- oder -- nun ja, wohin Gott will! Fort! fort aus diesem cultivirten, mo- ralischen Lazareth! -- Hörst du, Franz? morgen mit dem frühesten. Franz. Ganz wohl. Unbek. Doch vorher, Franz, noch ein kleines Geschäft für dich. Geh hinunter ins Dorf, miethe dir Pferde und Wagen von einem Bauern, und eile in das benachbarte Städtchen. Du kannst vor Son- nenuntergang noch zurück seyn. Ich will dir einen Brief an eine Bürgersfrau mitgeben, die ich kenne. Dort wirst du zwey Kinder finden; es sind meine Kinder -- Franz. (erstaunt) Ihre Kinder, Herr? Unbek. Nimm sie, packe sie auf den Wagen, und bringe sie hieher. Franz. Ihre Kinder, Herr? Unbek. Nun ja doch, meine Kinder; ist denn das so unbegreiflich? Franz. Ich begreife wohl, daß Sie Kinder haben können; aber daß ich nun schon drey Jahre in Ihren Diensten bin, und noch nie ein Wörtchen davon erfuhr, das ist doch sonderbar.
Pinſel uns darſtellt — oder — nun ja, wohin Gott will! Fort! fort aus dieſem cultivirten, mo- raliſchen Lazareth! — Hoͤrſt du, Franz? morgen mit dem fruͤheſten. Franz. Ganz wohl. Unbek. Doch vorher, Franz, noch ein kleines Geſchaͤft fuͤr dich. Geh hinunter ins Dorf, miethe dir Pferde und Wagen von einem Bauern, und eile in das benachbarte Staͤdtchen. Du kannſt vor Son- nenuntergang noch zuruͤck ſeyn. Ich will dir einen Brief an eine Buͤrgersfrau mitgeben, die ich kenne. Dort wirſt du zwey Kinder finden; es ſind meine Kinder — Franz. (erſtaunt) Ihre Kinder, Herr? Unbek. Nimm ſie, packe ſie auf den Wagen, und bringe ſie hieher. Franz. Ihre Kinder, Herr? Unbek. Nun ja doch, meine Kinder; iſt denn das ſo unbegreiflich? Franz. Ich begreife wohl, daß Sie Kinder haben koͤnnen; aber daß ich nun ſchon drey Jahre in Ihren Dienſten bin, und noch nie ein Woͤrtchen davon erfuhr, das iſt doch ſonderbar. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#UNBE"> <p><pb facs="#f0130" n="122"/> Pinſel uns darſtellt — oder — nun ja, wohin<lb/> Gott will! Fort! fort aus dieſem cultivirten, mo-<lb/> raliſchen Lazareth! — Hoͤrſt du, Franz? morgen<lb/> mit dem fruͤheſten.</p> </sp><lb/> <sp who="#FRA"> <speaker> <hi rendition="#fr">Franz.</hi> </speaker> <p>Ganz wohl.</p> </sp><lb/> <sp who="#UNBE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker> <p>Doch vorher, Franz, noch ein kleines<lb/> Geſchaͤft fuͤr dich. Geh hinunter ins Dorf, miethe<lb/> dir Pferde und Wagen von einem Bauern, und eile<lb/> in das benachbarte Staͤdtchen. Du kannſt vor Son-<lb/> nenuntergang noch zuruͤck ſeyn. Ich will dir einen<lb/> Brief an eine Buͤrgersfrau mitgeben, die ich kenne.<lb/> Dort wirſt du zwey Kinder finden; es ſind meine<lb/> Kinder —</p> </sp><lb/> <sp who="#FRA"> <speaker> <hi rendition="#fr">Franz.</hi> </speaker> <stage>(erſtaunt)</stage> <p>Ihre Kinder, Herr?</p> </sp><lb/> <sp who="#UNBE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker> <p>Nimm ſie, packe ſie auf den Wagen,<lb/> und bringe ſie hieher.</p> </sp><lb/> <sp who="#FRA"> <speaker> <hi rendition="#fr">Franz.</hi> </speaker> <p>Ihre Kinder, Herr?</p> </sp><lb/> <sp who="#UNBE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker> <p>Nun ja doch, meine Kinder; iſt denn<lb/> das ſo unbegreiflich?</p> </sp><lb/> <sp who="#FRA"> <speaker> <hi rendition="#fr">Franz.</hi> </speaker> <p>Ich begreife wohl, daß Sie Kinder<lb/> haben koͤnnen; aber daß ich nun ſchon drey Jahre<lb/> in Ihren Dienſten bin, und noch nie ein Woͤrtchen<lb/> davon erfuhr, das iſt doch ſonderbar.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0130]
Pinſel uns darſtellt — oder — nun ja, wohin
Gott will! Fort! fort aus dieſem cultivirten, mo-
raliſchen Lazareth! — Hoͤrſt du, Franz? morgen
mit dem fruͤheſten.
Franz. Ganz wohl.
Unbek. Doch vorher, Franz, noch ein kleines
Geſchaͤft fuͤr dich. Geh hinunter ins Dorf, miethe
dir Pferde und Wagen von einem Bauern, und eile
in das benachbarte Staͤdtchen. Du kannſt vor Son-
nenuntergang noch zuruͤck ſeyn. Ich will dir einen
Brief an eine Buͤrgersfrau mitgeben, die ich kenne.
Dort wirſt du zwey Kinder finden; es ſind meine
Kinder —
Franz. (erſtaunt) Ihre Kinder, Herr?
Unbek. Nimm ſie, packe ſie auf den Wagen,
und bringe ſie hieher.
Franz. Ihre Kinder, Herr?
Unbek. Nun ja doch, meine Kinder; iſt denn
das ſo unbegreiflich?
Franz. Ich begreife wohl, daß Sie Kinder
haben koͤnnen; aber daß ich nun ſchon drey Jahre
in Ihren Dienſten bin, und noch nie ein Woͤrtchen
davon erfuhr, das iſt doch ſonderbar.
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