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Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

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gend zum Tempel erkohren, und einen Verstand,
durch die ausgesuchteste Lectüre gebildet. Ich ließ ab,
mich in ihr Vertrauen eindrängen zu wollen; aber
sie war nun nicht mehr mein Kammermädchen, sie
ward meine Freundin. Als sie mich einst auf einer
Spatzierfahrt hieher begleitete, und ich in ihren
Augen das stille Entzücken las, mit welchem ihre
Seele an den Schönheiten der Natur hing, that
ich ihr den Vorschlag, hier zu bleiben, und sich
der häuslichen Wirthschaft anzunehmen. Sie er-
griff meine Hand, und drückte sie an ihre Lippen
mit ungewöhnlichem Feuer. Ihre dankbare Seele
schwamm in ihren stummen Thränen. Seitdem ist
sie hier, und wirkt unzähliges Gute im Verborge-
nen, und wird angebetet von jedem Geschöpfe, das
sich ihr nähert.
(mit einer Verbeugung) Ich bin fer-
tig, Herr Bruder.
Major. Zu wenig, um meine ganze Wißbe-
gierde zu befriedigen, aber doch genug, um den
Vorsatz zur That werden zu lassen. -- Schwester,
steh mir bey! -- ich heurathe sie.
Gräfin. Du?
Major. Ich.
Gräfin. Baron von der Horst?
F 3
gend zum Tempel erkohren, und einen Verſtand,
durch die ausgeſuchteſte Lectuͤre gebildet. Ich ließ ab,
mich in ihr Vertrauen eindraͤngen zu wollen; aber
ſie war nun nicht mehr mein Kammermaͤdchen, ſie
ward meine Freundin. Als ſie mich einſt auf einer
Spatzierfahrt hieher begleitete, und ich in ihren
Augen das ſtille Entzuͤcken las, mit welchem ihre
Seele an den Schoͤnheiten der Natur hing, that
ich ihr den Vorſchlag, hier zu bleiben, und ſich
der haͤuslichen Wirthſchaft anzunehmen. Sie er-
griff meine Hand, und druͤckte ſie an ihre Lippen
mit ungewoͤhnlichem Feuer. Ihre dankbare Seele
ſchwamm in ihren ſtummen Thraͤnen. Seitdem iſt
ſie hier, und wirkt unzaͤhliges Gute im Verborge-
nen, und wird angebetet von jedem Geſchoͤpfe, das
ſich ihr naͤhert.
(mit einer Verbeugung) Ich bin fer-
tig, Herr Bruder.
Major. Zu wenig, um meine ganze Wißbe-
gierde zu befriedigen, aber doch genug, um den
Vorſatz zur That werden zu laſſen. — Schweſter,
ſteh mir bey! — ich heurathe ſie.
Graͤfin. Du?
Major. Ich.
Graͤfin. Baron von der Horſt?
F 3
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[85/0093] gend zum Tempel erkohren, und einen Verſtand, durch die ausgeſuchteſte Lectuͤre gebildet. Ich ließ ab, mich in ihr Vertrauen eindraͤngen zu wollen; aber ſie war nun nicht mehr mein Kammermaͤdchen, ſie ward meine Freundin. Als ſie mich einſt auf einer Spatzierfahrt hieher begleitete, und ich in ihren Augen das ſtille Entzuͤcken las, mit welchem ihre Seele an den Schoͤnheiten der Natur hing, that ich ihr den Vorſchlag, hier zu bleiben, und ſich der haͤuslichen Wirthſchaft anzunehmen. Sie er- griff meine Hand, und druͤckte ſie an ihre Lippen mit ungewoͤhnlichem Feuer. Ihre dankbare Seele ſchwamm in ihren ſtummen Thraͤnen. Seitdem iſt ſie hier, und wirkt unzaͤhliges Gute im Verborge- nen, und wird angebetet von jedem Geſchoͤpfe, das ſich ihr naͤhert. (mit einer Verbeugung) Ich bin fer- tig, Herr Bruder. Major. Zu wenig, um meine ganze Wißbe- gierde zu befriedigen, aber doch genug, um den Vorſatz zur That werden zu laſſen. — Schweſter, ſteh mir bey! — ich heurathe ſie. Graͤfin. Du? Major. Ich. Graͤfin. Baron von der Horſt? F 3

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/93>, abgerufen am 21.11.2024.