Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Allgemeine Thierzuchtlehre.
ob z. B. ein Hammel pro Tag 0.5, 1 oder 1.5 Kilogr. Kleeheu ohne jegliches Bei-
futter verzehrt.

Für die Verdaulichkeit der Nährstoffe ist es gleichgiltig, ob das Futter im
grünen oder heutrockenen Zustande verzehrt wird, vorausgesetzt, daß das Grünfutter
und Heu von ganz derselben Zusammensetzung sind. In der Wirklichkeit ist jedoch
das Grünfutter dem Heu im Nähreffecte aus dem Grunde überlegen, weil bei dem
gewöhnlichen Verfahren der Dürrheubereitung zarte, besonders nahrhafte Pflanzen-
theile, wie Blätter und feinere Stengel, verloren gehen. Dieser Verlust 1) kann bis
zu 10 % betragen und noch höher steigen, wenn die Dürrheubereitung bei nasser
Witterung vorgenommen werden muß, wodurch das Heu nicht nur ausgelaugt 2),
sondern durch die eintretende Gährung auch an Schmackhaftigkeit verliert. Die Ver-
daulichkeit verringert sich gewöhnlich um 4--5 %.

Nach neueren Untersuchungen von G. Kühn u. A. 3) werden bei der Grünfütterung
gegenüber der Trockenfütterung von Schnittochsen mehr verdaut von

[Tabelle]

Eine weitere Verminderung der Verdaulichkeit und des Nährstoffgehaltes er-
leidet das Heu durch die Aufbewahrung. Anderson fand im frischen Heu 16.54 %
Wasser und 6.1 % Proteinstoffe, in ein Jahr altem Heu 13.13 % Wasser und
nur 4 % Proteinstoffe.

Den größten Einfluß auf die Verdaulichkeit und den Nährwerth der Futterstoffe
nimmt der Vegetationszeitpunkt, zu welchem die betreffende Futterpflanze geerntet
wird. Im Allgemeinen erhöht sich mit zunehmendem Alter der Gehalt der Futter-
mittel an Holzfaser, während der Gehalt an Proteinsubstanzen 4) abnimmt. Die
Verdaulichkeit des Rohproteins und der Rohfaser ist um so größer, je jünger und
zarter die Pflanze und um so geringer, je älter und verholzter die Pflanze ist.
Die Verdaulichkeit der Extractstoffe scheint dagegen unabhängig von der Vegetations-
periode zu sein. Einen weiteren Einfluß auf den Nährwerth des Futters nimmt
die Jahreswitterung, die Bodenbeschaffenheit, der Düngungszustand, die Lage des
Futterfeldes und das Auftreten von Pflanzenkrankheiten, ohne daß es jedoch bisher
in den meisten Fällen gelungen wäre, diesen Einfluß zifferisch festzustellen.

Im Allgemeinen besitzen auf schwerem, feuchtem Boden gebaute Kartoffeln einen ge-
ringeren Stärkegehalt als solche, welche auf einem sandigen, trockenen Boden gebaut wurden.
Eine frische, stickstoffreiche Düngung liefert proteinreiche aber stärke- und zuckerarme Kartoffeln

1) Siehe Verluste bei der Dürr- und Brennheubereitung. Bd. I, S. 260.
2) Siehe Unterschied zwischen trocken eingebrachtem und beregnetem Wundkleeheu.
Bd. I, S. 255.
3) Landw. Vers. Stat. 1869, S. 177 und 1873, S. 81.
4) Siehe Zusammensetzung des Rothklee's in verschiedenen Entwickelungsstadien. Bd. I,
S. 253 u. 254 und Bd. II, S. 187.

Allgemeine Thierzuchtlehre.
ob z. B. ein Hammel pro Tag 0.5, 1 oder 1.5 Kilogr. Kleeheu ohne jegliches Bei-
futter verzehrt.

Für die Verdaulichkeit der Nährſtoffe iſt es gleichgiltig, ob das Futter im
grünen oder heutrockenen Zuſtande verzehrt wird, vorausgeſetzt, daß das Grünfutter
und Heu von ganz derſelben Zuſammenſetzung ſind. In der Wirklichkeit iſt jedoch
das Grünfutter dem Heu im Nähreffecte aus dem Grunde überlegen, weil bei dem
gewöhnlichen Verfahren der Dürrheubereitung zarte, beſonders nahrhafte Pflanzen-
theile, wie Blätter und feinere Stengel, verloren gehen. Dieſer Verluſt 1) kann bis
zu 10 % betragen und noch höher ſteigen, wenn die Dürrheubereitung bei naſſer
Witterung vorgenommen werden muß, wodurch das Heu nicht nur ausgelaugt 2),
ſondern durch die eintretende Gährung auch an Schmackhaftigkeit verliert. Die Ver-
daulichkeit verringert ſich gewöhnlich um 4—5 %.

Nach neueren Unterſuchungen von G. Kühn u. A. 3) werden bei der Grünfütterung
gegenüber der Trockenfütterung von Schnittochſen mehr verdaut von

[Tabelle]

Eine weitere Verminderung der Verdaulichkeit und des Nährſtoffgehaltes er-
leidet das Heu durch die Aufbewahrung. Anderſon fand im friſchen Heu 16.54 %
Waſſer und 6.1 % Proteïnſtoffe, in ein Jahr altem Heu 13.13 % Waſſer und
nur 4 % Proteïnſtoffe.

Den größten Einfluß auf die Verdaulichkeit und den Nährwerth der Futterſtoffe
nimmt der Vegetationszeitpunkt, zu welchem die betreffende Futterpflanze geerntet
wird. Im Allgemeinen erhöht ſich mit zunehmendem Alter der Gehalt der Futter-
mittel an Holzfaſer, während der Gehalt an Proteïnſubſtanzen 4) abnimmt. Die
Verdaulichkeit des Rohproteïns und der Rohfaſer iſt um ſo größer, je jünger und
zarter die Pflanze und um ſo geringer, je älter und verholzter die Pflanze iſt.
Die Verdaulichkeit der Extractſtoffe ſcheint dagegen unabhängig von der Vegetations-
periode zu ſein. Einen weiteren Einfluß auf den Nährwerth des Futters nimmt
die Jahreswitterung, die Bodenbeſchaffenheit, der Düngungszuſtand, die Lage des
Futterfeldes und das Auftreten von Pflanzenkrankheiten, ohne daß es jedoch bisher
in den meiſten Fällen gelungen wäre, dieſen Einfluß zifferiſch feſtzuſtellen.

Im Allgemeinen beſitzen auf ſchwerem, feuchtem Boden gebaute Kartoffeln einen ge-
ringeren Stärkegehalt als ſolche, welche auf einem ſandigen, trockenen Boden gebaut wurden.
Eine friſche, ſtickſtoffreiche Düngung liefert proteïnreiche aber ſtärke- und zuckerarme Kartoffeln

1) Siehe Verluſte bei der Dürr- und Brennheubereitung. Bd. I, S. 260.
2) Siehe Unterſchied zwiſchen trocken eingebrachtem und beregnetem Wundkleeheu.
Bd. I, S. 255.
3) Landw. Verſ. Stat. 1869, S. 177 und 1873, S. 81.
4) Siehe Zuſammenſetzung des Rothklee’s in verſchiedenen Entwickelungsſtadien. Bd. I,
S. 253 u. 254 und Bd. II, S. 187.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0068" n="52"/><fw place="top" type="header">Allgemeine Thierzuchtlehre.</fw><lb/>
ob z. B. ein Hammel pro Tag 0.5, 1 oder 1.5 Kilogr. Kleeheu ohne jegliches Bei-<lb/>
futter verzehrt.</p><lb/>
                <p>Für die Verdaulichkeit der Nähr&#x017F;toffe i&#x017F;t es gleichgiltig, ob das Futter im<lb/>
grünen oder heutrockenen Zu&#x017F;tande verzehrt wird, vorausge&#x017F;etzt, daß das Grünfutter<lb/>
und Heu von ganz der&#x017F;elben Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung &#x017F;ind. In der Wirklichkeit i&#x017F;t jedoch<lb/>
das Grünfutter dem Heu im Nähreffecte aus dem Grunde überlegen, weil bei dem<lb/>
gewöhnlichen Verfahren der Dürrheubereitung zarte, be&#x017F;onders nahrhafte Pflanzen-<lb/>
theile, wie Blätter und feinere Stengel, verloren gehen. Die&#x017F;er Verlu&#x017F;t <note place="foot" n="1)">Siehe Verlu&#x017F;te bei der Dürr- und Brennheubereitung. Bd. <hi rendition="#aq">I,</hi> S. 260.</note> kann bis<lb/>
zu 10 % betragen und noch höher &#x017F;teigen, wenn die Dürrheubereitung bei na&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Witterung vorgenommen werden muß, wodurch das Heu nicht nur ausgelaugt <note place="foot" n="2)">Siehe Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen trocken eingebrachtem und beregnetem Wundkleeheu.<lb/>
Bd. <hi rendition="#aq">I,</hi> S. 255.</note>,<lb/>
&#x017F;ondern durch die eintretende Gährung auch an Schmackhaftigkeit verliert. Die Ver-<lb/>
daulichkeit verringert &#x017F;ich gewöhnlich um 4&#x2014;5 %.</p><lb/>
                <p>Nach neueren Unter&#x017F;uchungen von G. Kühn u. A. <note place="foot" n="3)">Landw. Ver&#x017F;. Stat. 1869, S. 177 und 1873, S. 81.</note> werden bei der Grünfütterung<lb/>
gegenüber der Trockenfütterung von Schnittoch&#x017F;en mehr verdaut von</p><lb/>
                <table>
                  <row>
                    <cell/>
                  </row>
                </table>
                <p>Eine weitere Verminderung der Verdaulichkeit und des Nähr&#x017F;toffgehaltes er-<lb/>
leidet das Heu durch die Aufbewahrung. Ander&#x017F;on fand im fri&#x017F;chen Heu 16.54 %<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er und 6.1 % Prote<hi rendition="#aq">ï</hi>n&#x017F;toffe, in ein Jahr altem Heu 13.13 % Wa&#x017F;&#x017F;er und<lb/>
nur 4 % Prote<hi rendition="#aq">ï</hi>n&#x017F;toffe.</p><lb/>
                <p>Den größten Einfluß auf die Verdaulichkeit und den Nährwerth der Futter&#x017F;toffe<lb/>
nimmt der Vegetationszeitpunkt, zu welchem die betreffende Futterpflanze geerntet<lb/>
wird. Im Allgemeinen erhöht &#x017F;ich mit zunehmendem Alter der Gehalt der Futter-<lb/>
mittel an Holzfa&#x017F;er, während der Gehalt an Prote<hi rendition="#aq">ï</hi>n&#x017F;ub&#x017F;tanzen <note place="foot" n="4)">Siehe Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung des Rothklee&#x2019;s in ver&#x017F;chiedenen Entwickelungs&#x017F;tadien. Bd. <hi rendition="#aq">I,</hi><lb/>
S. 253 u. 254 und Bd. <hi rendition="#aq">II</hi>, S. 187.</note> abnimmt. Die<lb/>
Verdaulichkeit des Rohprote<hi rendition="#aq">ï</hi>ns und der Rohfa&#x017F;er i&#x017F;t um &#x017F;o größer, je jünger und<lb/>
zarter die Pflanze und um &#x017F;o geringer, je älter und verholzter die Pflanze i&#x017F;t.<lb/>
Die Verdaulichkeit der Extract&#x017F;toffe &#x017F;cheint dagegen unabhängig von der Vegetations-<lb/>
periode zu &#x017F;ein. Einen weiteren Einfluß auf den Nährwerth des Futters nimmt<lb/>
die Jahreswitterung, die Bodenbe&#x017F;chaffenheit, der Düngungszu&#x017F;tand, die Lage des<lb/>
Futterfeldes und das Auftreten von Pflanzenkrankheiten, ohne daß es jedoch bisher<lb/>
in den mei&#x017F;ten Fällen gelungen wäre, die&#x017F;en Einfluß zifferi&#x017F;ch fe&#x017F;tzu&#x017F;tellen.</p><lb/>
                <p>Im Allgemeinen be&#x017F;itzen auf &#x017F;chwerem, feuchtem Boden gebaute Kartoffeln einen ge-<lb/>
ringeren Stärkegehalt als &#x017F;olche, welche auf einem &#x017F;andigen, trockenen Boden gebaut wurden.<lb/>
Eine fri&#x017F;che, &#x017F;tick&#x017F;toffreiche Düngung liefert prote<hi rendition="#aq">ï</hi>nreiche aber &#x017F;tärke- und zuckerarme Kartoffeln<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0068] Allgemeine Thierzuchtlehre. ob z. B. ein Hammel pro Tag 0.5, 1 oder 1.5 Kilogr. Kleeheu ohne jegliches Bei- futter verzehrt. Für die Verdaulichkeit der Nährſtoffe iſt es gleichgiltig, ob das Futter im grünen oder heutrockenen Zuſtande verzehrt wird, vorausgeſetzt, daß das Grünfutter und Heu von ganz derſelben Zuſammenſetzung ſind. In der Wirklichkeit iſt jedoch das Grünfutter dem Heu im Nähreffecte aus dem Grunde überlegen, weil bei dem gewöhnlichen Verfahren der Dürrheubereitung zarte, beſonders nahrhafte Pflanzen- theile, wie Blätter und feinere Stengel, verloren gehen. Dieſer Verluſt 1) kann bis zu 10 % betragen und noch höher ſteigen, wenn die Dürrheubereitung bei naſſer Witterung vorgenommen werden muß, wodurch das Heu nicht nur ausgelaugt 2), ſondern durch die eintretende Gährung auch an Schmackhaftigkeit verliert. Die Ver- daulichkeit verringert ſich gewöhnlich um 4—5 %. Nach neueren Unterſuchungen von G. Kühn u. A. 3) werden bei der Grünfütterung gegenüber der Trockenfütterung von Schnittochſen mehr verdaut von Eine weitere Verminderung der Verdaulichkeit und des Nährſtoffgehaltes er- leidet das Heu durch die Aufbewahrung. Anderſon fand im friſchen Heu 16.54 % Waſſer und 6.1 % Proteïnſtoffe, in ein Jahr altem Heu 13.13 % Waſſer und nur 4 % Proteïnſtoffe. Den größten Einfluß auf die Verdaulichkeit und den Nährwerth der Futterſtoffe nimmt der Vegetationszeitpunkt, zu welchem die betreffende Futterpflanze geerntet wird. Im Allgemeinen erhöht ſich mit zunehmendem Alter der Gehalt der Futter- mittel an Holzfaſer, während der Gehalt an Proteïnſubſtanzen 4) abnimmt. Die Verdaulichkeit des Rohproteïns und der Rohfaſer iſt um ſo größer, je jünger und zarter die Pflanze und um ſo geringer, je älter und verholzter die Pflanze iſt. Die Verdaulichkeit der Extractſtoffe ſcheint dagegen unabhängig von der Vegetations- periode zu ſein. Einen weiteren Einfluß auf den Nährwerth des Futters nimmt die Jahreswitterung, die Bodenbeſchaffenheit, der Düngungszuſtand, die Lage des Futterfeldes und das Auftreten von Pflanzenkrankheiten, ohne daß es jedoch bisher in den meiſten Fällen gelungen wäre, dieſen Einfluß zifferiſch feſtzuſtellen. Im Allgemeinen beſitzen auf ſchwerem, feuchtem Boden gebaute Kartoffeln einen ge- ringeren Stärkegehalt als ſolche, welche auf einem ſandigen, trockenen Boden gebaut wurden. Eine friſche, ſtickſtoffreiche Düngung liefert proteïnreiche aber ſtärke- und zuckerarme Kartoffeln 1) Siehe Verluſte bei der Dürr- und Brennheubereitung. Bd. I, S. 260. 2) Siehe Unterſchied zwiſchen trocken eingebrachtem und beregnetem Wundkleeheu. Bd. I, S. 255. 3) Landw. Verſ. Stat. 1869, S. 177 und 1873, S. 81. 4) Siehe Zuſammenſetzung des Rothklee’s in verſchiedenen Entwickelungsſtadien. Bd. I, S. 253 u. 254 und Bd. II, S. 187.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/68
Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/68>, abgerufen am 23.11.2024.