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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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unter uns sind. Was hat der Wein schon alles verrathen!
Denke daran! Rückwärtsschauen ist die Mutter der Vorsicht." --
Wir meinen, daß der vorsichtige Oberpriester aus diesen Gründen
dringend hätte abrathen sollen, die Gäste trunken zu machen und
zum Plaudern zu verleiten. -- Auch über völlig dunkel bleibende
Dinge gehen die Ebersleser ruhig hinaus. Oder wissen dieselben
ohne alle Erklärung, was man zu verstehen hat unter: Hennah,
Mora spielen, Nehabäumen, Uzaaugen, Taricheuten? Ebenso
ruhig wird vom regelrechten Verehrer der Ebers'schen Romane
hingenommen, daß man im vierzehnten Jahrhundert vor Christo
"Prälaten" mit "Krummstäben", "Veranden" und "Kioske",
"Beichtzimmer" und "Prozessionen", "Polizeisoldaten", "Fest-
redner", "Garden" und neben der Anrede "Herr Mahor" auch
die "Herr Jägermeister" gehabt hat. --

Vier Jahre nach Uarda erschien der einbändige Roman
Homo sum. Auf dem Titelblatte ein Kreuz, auf der Einband-
decke das Monogramm Christi, im Vorwort der Satz: "Ein
Anachoret, fälschlich für einen andern beschuldigt, nimmt, ohne
sich zu vertheidigen, dessen Strafe, die Ausstoßung, auf sich.
Erst durch das Bekenntniß des Missethäters wird seine Unschuld
erkannt." -- Christliche Leser harmloser Natur waren von diesem
Buche entzückt, und als eine abfällige Kritik des Homo sum von
christlicher Seite erschien, war man entsetzt über den vermeint-
lichen Mißgriff. Treten wir demjenigen Ebers'schen Romane
näher, in welchem zum ersten Male Christen, ja in über-
wiegender Zahl Christen eine Rolle spielen.

Hoch in der Steinwüste des Sinai pflegt der gesunde
Anachoret Paulus den kranken Anachoreten Stephanus.
Jahre lang kennen sie sich, aber "die Selbstsucht, die Selbstsucht",
seufzt der Kranke, denn er fragt jetzt erst nach dem früheren
Leben seines Freundes. Daß dieser Mangel an Neugierde auch
ein Stück Askese sein kann, ein Stück Selbstverleugnung, also
das Gegentheil von Selbstsucht, daran denkt Ebers nicht. Paulus
erzählt, daß er des Herophilus Sohn sei und früher Menander
geheißen habe. Jn der Jugend habe er ungern sich mit den
Wissenschaften beschäftigt, aber die Musik und alle athletischen

Zeitfragen des christl. Volkslebens. IX. 4. Heft. 2

unter uns ſind. Was hat der Wein ſchon alles verrathen!
Denke daran! Rückwärtsſchauen iſt die Mutter der Vorſicht.‟ —
Wir meinen, daß der vorſichtige Oberprieſter aus dieſen Gründen
dringend hätte abrathen ſollen, die Gäſte trunken zu machen und
zum Plaudern zu verleiten. — Auch über völlig dunkel bleibende
Dinge gehen die Ebersleſer ruhig hinaus. Oder wiſſen dieſelben
ohne alle Erklärung, was man zu verſtehen hat unter: Hennah,
Mora ſpielen, Nehabäumen, Uzaaugen, Taricheuten? Ebenſo
ruhig wird vom regelrechten Verehrer der Ebers’ſchen Romane
hingenommen, daß man im vierzehnten Jahrhundert vor Chriſto
„Prälaten‟ mit „Krummſtäben‟, „Veranden‟ und „Kioske‟,
„Beichtzimmer‟ und „Prozeſſionen‟, „Polizeiſoldaten‟, „Feſt-
redner‟, „Garden‟ und neben der Anrede „Herr Mahor‟ auch
die „Herr Jägermeiſter‟ gehabt hat. —

Vier Jahre nach Uarda erſchien der einbändige Roman
Homo sum. Auf dem Titelblatte ein Kreuz, auf der Einband-
decke das Monogramm Chriſti, im Vorwort der Satz: „Ein
Anachoret, fälſchlich für einen andern beſchuldigt, nimmt, ohne
ſich zu vertheidigen, deſſen Strafe, die Ausſtoßung, auf ſich.
Erſt durch das Bekenntniß des Miſſethäters wird ſeine Unſchuld
erkannt.‟ — Chriſtliche Leſer harmloſer Natur waren von dieſem
Buche entzückt, und als eine abfällige Kritik des Homo sum von
chriſtlicher Seite erſchien, war man entſetzt über den vermeint-
lichen Mißgriff. Treten wir demjenigen Ebers’ſchen Romane
näher, in welchem zum erſten Male Chriſten, ja in über-
wiegender Zahl Chriſten eine Rolle ſpielen.

Hoch in der Steinwüſte des Sinai pflegt der geſunde
Anachoret Paulus den kranken Anachoreten Stephanus.
Jahre lang kennen ſie ſich, aber „die Selbſtſucht, die Selbſtſucht‟,
ſeufzt der Kranke, denn er fragt jetzt erſt nach dem früheren
Leben ſeines Freundes. Daß dieſer Mangel an Neugierde auch
ein Stück Askeſe ſein kann, ein Stück Selbſtverleugnung, alſo
das Gegentheil von Selbſtſucht, daran denkt Ebers nicht. Paulus
erzählt, daß er des Herophilus Sohn ſei und früher Menander
geheißen habe. Jn der Jugend habe er ungern ſich mit den
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Zeitfragen des chriſtl. Volkslebens. IX. 4. Heft. 2
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[17/0017] unter uns ſind. Was hat der Wein ſchon alles verrathen! Denke daran! Rückwärtsſchauen iſt die Mutter der Vorſicht.‟ — Wir meinen, daß der vorſichtige Oberprieſter aus dieſen Gründen dringend hätte abrathen ſollen, die Gäſte trunken zu machen und zum Plaudern zu verleiten. — Auch über völlig dunkel bleibende Dinge gehen die Ebersleſer ruhig hinaus. Oder wiſſen dieſelben ohne alle Erklärung, was man zu verſtehen hat unter: Hennah, Mora ſpielen, Nehabäumen, Uzaaugen, Taricheuten? Ebenſo ruhig wird vom regelrechten Verehrer der Ebers’ſchen Romane hingenommen, daß man im vierzehnten Jahrhundert vor Chriſto „Prälaten‟ mit „Krummſtäben‟, „Veranden‟ und „Kioske‟, „Beichtzimmer‟ und „Prozeſſionen‟, „Polizeiſoldaten‟, „Feſt- redner‟, „Garden‟ und neben der Anrede „Herr Mahor‟ auch die „Herr Jägermeiſter‟ gehabt hat. — Vier Jahre nach Uarda erſchien der einbändige Roman Homo sum. Auf dem Titelblatte ein Kreuz, auf der Einband- decke das Monogramm Chriſti, im Vorwort der Satz: „Ein Anachoret, fälſchlich für einen andern beſchuldigt, nimmt, ohne ſich zu vertheidigen, deſſen Strafe, die Ausſtoßung, auf ſich. Erſt durch das Bekenntniß des Miſſethäters wird ſeine Unſchuld erkannt.‟ — Chriſtliche Leſer harmloſer Natur waren von dieſem Buche entzückt, und als eine abfällige Kritik des Homo sum von chriſtlicher Seite erſchien, war man entſetzt über den vermeint- lichen Mißgriff. Treten wir demjenigen Ebers’ſchen Romane näher, in welchem zum erſten Male Chriſten, ja in über- wiegender Zahl Chriſten eine Rolle ſpielen. Hoch in der Steinwüſte des Sinai pflegt der geſunde Anachoret Paulus den kranken Anachoreten Stephanus. Jahre lang kennen ſie ſich, aber „die Selbſtſucht, die Selbſtſucht‟, ſeufzt der Kranke, denn er fragt jetzt erſt nach dem früheren Leben ſeines Freundes. Daß dieſer Mangel an Neugierde auch ein Stück Askeſe ſein kann, ein Stück Selbſtverleugnung, alſo das Gegentheil von Selbſtſucht, daran denkt Ebers nicht. Paulus erzählt, daß er des Herophilus Sohn ſei und früher Menander geheißen habe. Jn der Jugend habe er ungern ſich mit den Wiſſenſchaften beſchäftigt, aber die Muſik und alle athletiſchen Zeitfragen des chriſtl. Volkslebens. IX. 4. Heft. 2

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/17>, abgerufen am 24.11.2024.