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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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sie lassen uns ganz kalt, während doch die nüchternsten Kritiker
von lebenswahren und lebensfrischen Romanen erfaßt und er-
wärmt werden. "Die altegyptischen Romane" -- sagt Joh.
Prölß
-- "sind Schriften eines ausgezeichneten Forschers, dem
ein mittelmäßiger Poet die Feder führte. -- Seine historischen
Lebensbilder sind nicht Werke eines poetischen Genius. -- Die
Begriffe der altegyptischen Anschauungswelt erlebten das Schicksal
eben von Kuriositäten, sie wurden Mode und mit ihnen wurde
auf einige Zeit Georg Ebers der meistgenannte und meistgelesene
Autor Deutschlands, obgleich die so beliebten Romane von der
Kritik nur mittelmäßige Produkte der Poesie genannt werden
können."

Bekanntlich hat es lange gedauert, bis der literarische Ruhm
des Professor Ebers zum Durchbruch kam. Ernst Eckstein hat
-- ebenfalls in der "Frankfurter Zeitung" unter der Ueberschrift
"Verborgne Strömungen" -- diese merkwürdige Erscheinung in
zutreffender Weise besprochen. Nachdem er das Ueberhandnehmen
von Moden in Trachten und Geräthen als leicht erklärbar be-
zeichnet hat, bemerkt er: "wirklich complicirt und in ihrer Un-
erklärlichkeit oft geradezu ungeheuerlich sind dagegen gewisse
geistige Strömungen." Die 1864 erschienene "egyptische Königs-
tochter" -- "trotz einiger Mängel in der Composition eine
schätzenswerthe und interessante literarische Leistung" -- wurde
zehn Jahre lang von leistungsfähigen Sortimentern allenfalls in
1 Exemplar auf Lager gehalten. Eduard Hallberger (der
Verleger) soll bezüglich der zweiten Auflage lange geschwankt
haben. "Die egyptische Königstochter" gehörte zu den sporadisch
verlangten Artikeln, die der Käufer in leidenschaftsloser Ab-
geschlossenheit liest und seinen Bekannten gegenüber nur flüchtig
erwähnt. Mit einem Male geschah das Unerhörte, daß die
"egyptische Königstochter" binnen wenigen Tagen zweimal ver-
langt wurde, dann mehrmals an einem Tage -- und in kürzester
Frist war jener kolossale "Erfolg, der selbst den vielbeneideten
Verfasser der ,Ahnen' verdunkeln sollte, glorreiche Thatsache." --
Wie erklärt sich die phänomenale Einmüthigkeit des Publikums in
der plötzlichen Ergreifung dieses Werks? Weder die Thätigkeit

ſie laſſen uns ganz kalt, während doch die nüchternſten Kritiker
von lebenswahren und lebensfriſchen Romanen erfaßt und er-
wärmt werden. „Die altegyptiſchen Romane‟ — ſagt Joh.
Prölß
— „ſind Schriften eines ausgezeichneten Forſchers, dem
ein mittelmäßiger Poet die Feder führte. — Seine hiſtoriſchen
Lebensbilder ſind nicht Werke eines poetiſchen Genius. — Die
Begriffe der altegyptiſchen Anſchauungswelt erlebten das Schickſal
eben von Kurioſitäten, ſie wurden Mode und mit ihnen wurde
auf einige Zeit Georg Ebers der meiſtgenannte und meiſtgeleſene
Autor Deutſchlands, obgleich die ſo beliebten Romane von der
Kritik nur mittelmäßige Produkte der Poeſie genannt werden
können.‟

Bekanntlich hat es lange gedauert, bis der literariſche Ruhm
des Profeſſor Ebers zum Durchbruch kam. Ernſt Eckſtein hat
— ebenfalls in der „Frankfurter Zeitung‟ unter der Ueberſchrift
„Verborgne Strömungen‟ — dieſe merkwürdige Erſcheinung in
zutreffender Weiſe beſprochen. Nachdem er das Ueberhandnehmen
von Moden in Trachten und Geräthen als leicht erklärbar be-
zeichnet hat, bemerkt er: „wirklich complicirt und in ihrer Un-
erklärlichkeit oft geradezu ungeheuerlich ſind dagegen gewiſſe
geiſtige Strömungen.‟ Die 1864 erſchienene „egyptiſche Königs-
tochter‟ — „trotz einiger Mängel in der Compoſition eine
ſchätzenswerthe und intereſſante literariſche Leiſtung‟ — wurde
zehn Jahre lang von leiſtungsfähigen Sortimentern allenfalls in
1 Exemplar auf Lager gehalten. Eduard Hallberger (der
Verleger) ſoll bezüglich der zweiten Auflage lange geſchwankt
haben. „Die egyptiſche Königstochter‟ gehörte zu den ſporadiſch
verlangten Artikeln, die der Käufer in leidenſchaftsloſer Ab-
geſchloſſenheit lieſt und ſeinen Bekannten gegenüber nur flüchtig
erwähnt. Mit einem Male geſchah das Unerhörte, daß die
„egyptiſche Königstochter‟ binnen wenigen Tagen zweimal ver-
langt wurde, dann mehrmals an einem Tage — und in kürzeſter
Friſt war jener koloſſale „Erfolg, der ſelbſt den vielbeneideten
Verfaſſer der ‚Ahnen‛ verdunkeln ſollte, glorreiche Thatſache.‟ —
Wie erklärt ſich die phänomenale Einmüthigkeit des Publikums in
der plötzlichen Ergreifung dieſes Werks? Weder die Thätigkeit

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[39 231/0039] ſie laſſen uns ganz kalt, während doch die nüchternſten Kritiker von lebenswahren und lebensfriſchen Romanen erfaßt und er- wärmt werden. „Die altegyptiſchen Romane‟ — ſagt Joh. Prölß — „ſind Schriften eines ausgezeichneten Forſchers, dem ein mittelmäßiger Poet die Feder führte. — Seine hiſtoriſchen Lebensbilder ſind nicht Werke eines poetiſchen Genius. — Die Begriffe der altegyptiſchen Anſchauungswelt erlebten das Schickſal eben von Kurioſitäten, ſie wurden Mode und mit ihnen wurde auf einige Zeit Georg Ebers der meiſtgenannte und meiſtgeleſene Autor Deutſchlands, obgleich die ſo beliebten Romane von der Kritik nur mittelmäßige Produkte der Poeſie genannt werden können.‟ Bekanntlich hat es lange gedauert, bis der literariſche Ruhm des Profeſſor Ebers zum Durchbruch kam. Ernſt Eckſtein hat — ebenfalls in der „Frankfurter Zeitung‟ unter der Ueberſchrift „Verborgne Strömungen‟ — dieſe merkwürdige Erſcheinung in zutreffender Weiſe beſprochen. Nachdem er das Ueberhandnehmen von Moden in Trachten und Geräthen als leicht erklärbar be- zeichnet hat, bemerkt er: „wirklich complicirt und in ihrer Un- erklärlichkeit oft geradezu ungeheuerlich ſind dagegen gewiſſe geiſtige Strömungen.‟ Die 1864 erſchienene „egyptiſche Königs- tochter‟ — „trotz einiger Mängel in der Compoſition eine ſchätzenswerthe und intereſſante literariſche Leiſtung‟ — wurde zehn Jahre lang von leiſtungsfähigen Sortimentern allenfalls in 1 Exemplar auf Lager gehalten. Eduard Hallberger (der Verleger) ſoll bezüglich der zweiten Auflage lange geſchwankt haben. „Die egyptiſche Königstochter‟ gehörte zu den ſporadiſch verlangten Artikeln, die der Käufer in leidenſchaftsloſer Ab- geſchloſſenheit lieſt und ſeinen Bekannten gegenüber nur flüchtig erwähnt. Mit einem Male geſchah das Unerhörte, daß die „egyptiſche Königstochter‟ binnen wenigen Tagen zweimal ver- langt wurde, dann mehrmals an einem Tage — und in kürzeſter Friſt war jener koloſſale „Erfolg, der ſelbſt den vielbeneideten Verfaſſer der ‚Ahnen‛ verdunkeln ſollte, glorreiche Thatſache.‟ — Wie erklärt ſich die phänomenale Einmüthigkeit des Publikums in der plötzlichen Ergreifung dieſes Werks? Weder die Thätigkeit

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 39 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/39>, abgerufen am 21.11.2024.