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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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Doch ist das Bild des christlichen Priesters durchaus nicht frei
von Fehlern. Es ist völlig unmöglich, daß ein so ernster, heiliger
Mann wie Johannes der schönen Felicitas sagen kann, ihre
einzige Sünde sei -- Fulvius, d. h. die Liebe zu ihrem
Manne.
Dann kann. ein Priester, wie Johannes einer ist,
unmöglich einem Wucherer in aller Ruhe auf offener Straße
die Excommunication androhen. Ferner ist es ganz undenkbar,
daß Johannes ein die drei Grazien darstellendes Marmor-
relief, um es unschädlich zu machen, in einer Kirchentruhe ver-
birgt. Endlich aber ist es geradezu lächerlich, wie Dahn den
Priester vor allem Volk ein Wunder vollbringen läßt. An einem
Thore war eine kleine Flamme bemerkbar. Der Presbyter ließ
sich einen breiten Schild geben, preßte ihn auf die Flamme und
sprach: "Kreatur des Feuers! Auch du dienst Gott dem Herrn!
Jch befehle dir, ich beschwöre dich, höllischer Dämon der Flamme,
weiche von hier in die Hölle." Sofort erlosch das (von ihm
mit dem Schild erstickte) Feuer. Die fromme Verklärung tiefster
Ueberzeugung (!) leuchtete aus des Priesters Angesicht. Das
Volk schrie: "ein Wunder!" Der verständige Baiernherzog fragte
aber: "Wenn du dem Zauber deiner Runenworte, die du in das
Feuer rauntest, voll vertrautest, weshalb noch den Schild daneben
brauchen?" worauf der Presbyter antwortet: "Weil wir Gott
nicht versuchen sollen. Wollte aber der Herr das Feuer löschen,
brauchte er nicht meines Armes noch Schildes." Es ist gar
nicht zu sagen, wie verkehrt, widerspruchsvoll, sinnlos dieser
ganze Vorgang von Dahn geschildert ist. Er weiß nicht was ein
Wunder ist, er weiß auch nicht was es heißt: Gott versuchen, er
weiß überhaupt vom Christenthum nicht mehr als das, was von
ihm in die äußere Erscheinung tritt. Darum ist es ihm
auch unmöglich, wirkliches, wahres Christenthum, biblisch-fromme
Christen darzustellen. Entweder ist es die Hierarchie und was
mit ihr zusammenhängt oder es ist ein einzelner, nicht auf Seiten
der Hierarchie thätiger Christ, was Dahn in seinen Romanen
verwendet, in jenem Falle ergibt sich die Darstellung von selbst,
in diesem mißräth seine Darstellung jedesmal um seiner Un-
kenntniß des christlichen Glaubens und Lebens willen.

Doch iſt das Bild des chriſtlichen Prieſters durchaus nicht frei
von Fehlern. Es iſt völlig unmöglich, daß ein ſo ernſter, heiliger
Mann wie Johannes der ſchönen Felicitas ſagen kann, ihre
einzige Sünde ſei — Fulvius, d. h. die Liebe zu ihrem
Manne.
Dann kann. ein Prieſter, wie Johannes einer iſt,
unmöglich einem Wucherer in aller Ruhe auf offener Straße
die Excommunication androhen. Ferner iſt es ganz undenkbar,
daß Johannes ein die drei Grazien darſtellendes Marmor-
relief, um es unſchädlich zu machen, in einer Kirchentruhe ver-
birgt. Endlich aber iſt es geradezu lächerlich, wie Dahn den
Prieſter vor allem Volk ein Wunder vollbringen läßt. An einem
Thore war eine kleine Flamme bemerkbar. Der Presbyter ließ
ſich einen breiten Schild geben, preßte ihn auf die Flamme und
ſprach: „Kreatur des Feuers! Auch du dienſt Gott dem Herrn!
Jch befehle dir, ich beſchwöre dich, hölliſcher Dämon der Flamme,
weiche von hier in die Hölle.‟ Sofort erloſch das (von ihm
mit dem Schild erſtickte) Feuer. Die fromme Verklärung tiefſter
Ueberzeugung (!) leuchtete aus des Prieſters Angeſicht. Das
Volk ſchrie: „ein Wunder!‟ Der verſtändige Baiernherzog fragte
aber: „Wenn du dem Zauber deiner Runenworte, die du in das
Feuer raunteſt, voll vertrauteſt, weshalb noch den Schild daneben
brauchen?‟ worauf der Presbyter antwortet: „Weil wir Gott
nicht verſuchen ſollen. Wollte aber der Herr das Feuer löſchen,
brauchte er nicht meines Armes noch Schildes.‟ Es iſt gar
nicht zu ſagen, wie verkehrt, widerſpruchsvoll, ſinnlos dieſer
ganze Vorgang von Dahn geſchildert iſt. Er weiß nicht was ein
Wunder iſt, er weiß auch nicht was es heißt: Gott verſuchen, er
weiß überhaupt vom Chriſtenthum nicht mehr als das, was von
ihm in die äußere Erſcheinung tritt. Darum iſt es ihm
auch unmöglich, wirkliches, wahres Chriſtenthum, bibliſch-fromme
Chriſten darzuſtellen. Entweder iſt es die Hierarchie und was
mit ihr zuſammenhängt oder es iſt ein einzelner, nicht auf Seiten
der Hierarchie thätiger Chriſt, was Dahn in ſeinen Romanen
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[54 246/0054] Doch iſt das Bild des chriſtlichen Prieſters durchaus nicht frei von Fehlern. Es iſt völlig unmöglich, daß ein ſo ernſter, heiliger Mann wie Johannes der ſchönen Felicitas ſagen kann, ihre einzige Sünde ſei — Fulvius, d. h. die Liebe zu ihrem Manne. Dann kann. ein Prieſter, wie Johannes einer iſt, unmöglich einem Wucherer in aller Ruhe auf offener Straße die Excommunication androhen. Ferner iſt es ganz undenkbar, daß Johannes ein die drei Grazien darſtellendes Marmor- relief, um es unſchädlich zu machen, in einer Kirchentruhe ver- birgt. Endlich aber iſt es geradezu lächerlich, wie Dahn den Prieſter vor allem Volk ein Wunder vollbringen läßt. An einem Thore war eine kleine Flamme bemerkbar. Der Presbyter ließ ſich einen breiten Schild geben, preßte ihn auf die Flamme und ſprach: „Kreatur des Feuers! Auch du dienſt Gott dem Herrn! Jch befehle dir, ich beſchwöre dich, hölliſcher Dämon der Flamme, weiche von hier in die Hölle.‟ Sofort erloſch das (von ihm mit dem Schild erſtickte) Feuer. Die fromme Verklärung tiefſter Ueberzeugung (!) leuchtete aus des Prieſters Angeſicht. Das Volk ſchrie: „ein Wunder!‟ Der verſtändige Baiernherzog fragte aber: „Wenn du dem Zauber deiner Runenworte, die du in das Feuer raunteſt, voll vertrauteſt, weshalb noch den Schild daneben brauchen?‟ worauf der Presbyter antwortet: „Weil wir Gott nicht verſuchen ſollen. Wollte aber der Herr das Feuer löſchen, brauchte er nicht meines Armes noch Schildes.‟ Es iſt gar nicht zu ſagen, wie verkehrt, widerſpruchsvoll, ſinnlos dieſer ganze Vorgang von Dahn geſchildert iſt. Er weiß nicht was ein Wunder iſt, er weiß auch nicht was es heißt: Gott verſuchen, er weiß überhaupt vom Chriſtenthum nicht mehr als das, was von ihm in die äußere Erſcheinung tritt. Darum iſt es ihm auch unmöglich, wirkliches, wahres Chriſtenthum, bibliſch-fromme Chriſten darzuſtellen. Entweder iſt es die Hierarchie und was mit ihr zuſammenhängt oder es iſt ein einzelner, nicht auf Seiten der Hierarchie thätiger Chriſt, was Dahn in ſeinen Romanen verwendet, in jenem Falle ergibt ſich die Darſtellung von ſelbſt, in dieſem mißräth ſeine Darſtellung jedesmal um ſeiner Un- kenntniß des chriſtlichen Glaubens und Lebens willen.

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 54 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/54>, abgerufen am 09.05.2024.