Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Kredit zu gewähren, als die kleineren Konkurrenten, "Die
Masse muß es bringen", sagte er sich. Das Geheimniß
seiner billigen Produktion lag in der schnellen Ausführung
seiner Entschlüsse: der Idee folgte sofort die That. Er
wußte, daß das Publikum stets das Neue liebte. So war
er denn rastlos in dem Bestreben, seine Kunden von Zeit
zu Zeit mit irgend einer "Nouveaute" zu überraschen, die
er entweder nach ausländischem Muster hergestellt oder selbst
verfertigt hatte. Geschickte Zeichner und Techniker standen
ihm dabei zur Seite. Und die Reisen, die er nach Paris,
Brüssel und London machte, thaten das Uebrige, um ihn nie
dem Verlangen seiner Kunden gegenüber in Verlegenheit zu
bringen.

Nach einem halben Jahre bereits genoß seine Fabrik in
der ihm nahe stehenden Geschäftswelt eines bedeutenden Rufes.
Nannte man die Firma Ferdinand Friedrich Urban, so ver¬
band sich damit bei den Galanteriewaarenhändlern, Stock- und
Schirmfabrikanten und all' den Kaufleuten, welche mit der
Elfenbein- und feineren Holzbranche zu thun hatten, der Ge¬
danke an einen Großindustriellen, dem man bedeutende Vor¬
theile zu verdanken habe. Selbst die ihm ebenbürtigen Kon¬
kurrenten lernten ihn fürchten, denn sie sahen sich schließlich
aus Existenzrücksichten gezwungen, ebenso billig zu produziren
wie er. Ein allgemeiner Druck auf die Engros-Preise ging
von ihm aus, denn ein großes Betriebskapital, das noch durch
das Vermögen seiner Frau vermehrt worden war, stand ihm
zur Verfügung.

Mit der Zeit verspürte diese gewaltige Konkurrenz Nie¬
mand härter als die kleinen Fabrikanten; in erster
Linie die Meister, die mit wenigen Gesellen direkt für die

Kredit zu gewähren, als die kleineren Konkurrenten, „Die
Maſſe muß es bringen“, ſagte er ſich. Das Geheimniß
ſeiner billigen Produktion lag in der ſchnellen Ausführung
ſeiner Entſchlüſſe: der Idee folgte ſofort die That. Er
wußte, daß das Publikum ſtets das Neue liebte. So war
er denn raſtlos in dem Beſtreben, ſeine Kunden von Zeit
zu Zeit mit irgend einer „Nouveauté“ zu überraſchen, die
er entweder nach ausländiſchem Muſter hergeſtellt oder ſelbſt
verfertigt hatte. Geſchickte Zeichner und Techniker ſtanden
ihm dabei zur Seite. Und die Reiſen, die er nach Paris,
Brüſſel und London machte, thaten das Uebrige, um ihn nie
dem Verlangen ſeiner Kunden gegenüber in Verlegenheit zu
bringen.

Nach einem halben Jahre bereits genoß ſeine Fabrik in
der ihm nahe ſtehenden Geſchäftswelt eines bedeutenden Rufes.
Nannte man die Firma Ferdinand Friedrich Urban, ſo ver¬
band ſich damit bei den Galanteriewaarenhändlern, Stock- und
Schirmfabrikanten und all' den Kaufleuten, welche mit der
Elfenbein- und feineren Holzbranche zu thun hatten, der Ge¬
danke an einen Großinduſtriellen, dem man bedeutende Vor¬
theile zu verdanken habe. Selbſt die ihm ebenbürtigen Kon¬
kurrenten lernten ihn fürchten, denn ſie ſahen ſich ſchließlich
aus Exiſtenzrückſichten gezwungen, ebenſo billig zu produziren
wie er. Ein allgemeiner Druck auf die Engros-Preiſe ging
von ihm aus, denn ein großes Betriebskapital, das noch durch
das Vermögen ſeiner Frau vermehrt worden war, ſtand ihm
zur Verfügung.

Mit der Zeit verſpürte dieſe gewaltige Konkurrenz Nie¬
mand härter als die kleinen Fabrikanten; in erſter
Linie die Meiſter, die mit wenigen Geſellen direkt für die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="155"/>
Kredit zu gewähren, als die kleineren Konkurrenten, &#x201E;Die<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;e muß es bringen&#x201C;, &#x017F;agte er &#x017F;ich. Das Geheimniß<lb/>
&#x017F;einer billigen Produktion lag in der &#x017F;chnellen Ausführung<lb/>
&#x017F;einer Ent&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e: der Idee folgte &#x017F;ofort die That. Er<lb/>
wußte, daß das Publikum &#x017F;tets das Neue liebte. So war<lb/>
er denn ra&#x017F;tlos in dem Be&#x017F;treben, &#x017F;eine Kunden von Zeit<lb/>
zu Zeit mit irgend einer &#x201E;<hi rendition="#aq">Nouveauté</hi>&#x201C; zu überra&#x017F;chen, die<lb/>
er entweder nach ausländi&#x017F;chem Mu&#x017F;ter herge&#x017F;tellt oder &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
verfertigt hatte. Ge&#x017F;chickte Zeichner und Techniker &#x017F;tanden<lb/>
ihm dabei zur Seite. Und die Rei&#x017F;en, die er nach Paris,<lb/>
Brü&#x017F;&#x017F;el und London machte, thaten das Uebrige, um ihn nie<lb/>
dem Verlangen &#x017F;einer Kunden gegenüber in Verlegenheit zu<lb/>
bringen.</p><lb/>
        <p>Nach einem halben Jahre bereits genoß &#x017F;eine Fabrik in<lb/>
der ihm nahe &#x017F;tehenden Ge&#x017F;chäftswelt eines bedeutenden Rufes.<lb/>
Nannte man die Firma Ferdinand Friedrich Urban, &#x017F;o ver¬<lb/>
band &#x017F;ich damit bei den Galanteriewaarenhändlern, Stock- und<lb/>
Schirmfabrikanten und all' den Kaufleuten, welche mit der<lb/>
Elfenbein- und feineren Holzbranche zu thun hatten, der Ge¬<lb/>
danke an einen Großindu&#x017F;triellen, dem man bedeutende Vor¬<lb/>
theile zu verdanken habe. Selb&#x017F;t die ihm ebenbürtigen Kon¬<lb/>
kurrenten lernten ihn fürchten, denn &#x017F;ie &#x017F;ahen &#x017F;ich &#x017F;chließlich<lb/>
aus Exi&#x017F;tenzrück&#x017F;ichten gezwungen, eben&#x017F;o billig zu produziren<lb/>
wie er. Ein allgemeiner Druck auf die Engros-Prei&#x017F;e ging<lb/>
von ihm aus, denn ein großes Betriebskapital, das noch durch<lb/>
das Vermögen &#x017F;einer Frau vermehrt worden war, &#x017F;tand ihm<lb/>
zur Verfügung.</p><lb/>
        <p>Mit der Zeit ver&#x017F;pürte die&#x017F;e gewaltige Konkurrenz Nie¬<lb/>
mand härter als die kleinen Fabrikanten; in er&#x017F;ter<lb/>
Linie die Mei&#x017F;ter, die mit wenigen Ge&#x017F;ellen direkt für die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0167] Kredit zu gewähren, als die kleineren Konkurrenten, „Die Maſſe muß es bringen“, ſagte er ſich. Das Geheimniß ſeiner billigen Produktion lag in der ſchnellen Ausführung ſeiner Entſchlüſſe: der Idee folgte ſofort die That. Er wußte, daß das Publikum ſtets das Neue liebte. So war er denn raſtlos in dem Beſtreben, ſeine Kunden von Zeit zu Zeit mit irgend einer „Nouveauté“ zu überraſchen, die er entweder nach ausländiſchem Muſter hergeſtellt oder ſelbſt verfertigt hatte. Geſchickte Zeichner und Techniker ſtanden ihm dabei zur Seite. Und die Reiſen, die er nach Paris, Brüſſel und London machte, thaten das Uebrige, um ihn nie dem Verlangen ſeiner Kunden gegenüber in Verlegenheit zu bringen. Nach einem halben Jahre bereits genoß ſeine Fabrik in der ihm nahe ſtehenden Geſchäftswelt eines bedeutenden Rufes. Nannte man die Firma Ferdinand Friedrich Urban, ſo ver¬ band ſich damit bei den Galanteriewaarenhändlern, Stock- und Schirmfabrikanten und all' den Kaufleuten, welche mit der Elfenbein- und feineren Holzbranche zu thun hatten, der Ge¬ danke an einen Großinduſtriellen, dem man bedeutende Vor¬ theile zu verdanken habe. Selbſt die ihm ebenbürtigen Kon¬ kurrenten lernten ihn fürchten, denn ſie ſahen ſich ſchließlich aus Exiſtenzrückſichten gezwungen, ebenſo billig zu produziren wie er. Ein allgemeiner Druck auf die Engros-Preiſe ging von ihm aus, denn ein großes Betriebskapital, das noch durch das Vermögen ſeiner Frau vermehrt worden war, ſtand ihm zur Verfügung. Mit der Zeit verſpürte dieſe gewaltige Konkurrenz Nie¬ mand härter als die kleinen Fabrikanten; in erſter Linie die Meiſter, die mit wenigen Geſellen direkt für die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/167
Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/167>, abgerufen am 21.11.2024.