streich eine Bresche durch die Häuser geschlagen, gleichgültig darüber, ob das eine stehen bleibe oder die Hälfte des anderen falle.
Dort blickte man in einen Hof hinein, dem bis vor Kurzem noch Luft und Licht fehlte, und der nun die Geheim¬ nisse der Hinterhäuser verrieth; und daneben in einen kleinen Garten, der bisher wie ein seltener Schatz inmitten der grauen Mauern nur zur Freude seines Besitzers gedient hatte und nun gleich einer weithin sichtbaren Oase das Auge entzückte. Aber nur noch kurze Zeit, und der Dampf des Eisenrosses wälzte sich über ihn fort und raubte den herrlichen Rosen den Duft. . . . . Und dazwischen freigelegte Ställe und Scheunen, Trocken- und Holzplätze, zwei Seitengebäude ohne Vorderhaus, die Reste von durchschnittenem Mauerwerk; und dort wo der Trümmer¬ weg eine Kurve machte, die offene Straße wieder mit ihren vier- und fünfstöckigen Miethskasernen, in deren Fenstern die Sonne sich blendend spiegelte.
Vom dunklen Grunde dieser Gasse hoben sich leuchtend die hellen kalkbestäubten Jacken eines Heeres von Maurern ab. Wie sich das bückte, hinauf- und hinabstieg, Stein an Stein fügte, um das Fundament der breiten Pfeiler zu gestalten. Die rothen Steine leuchteten, die Hammer¬ schläge klangen hell herüber, und ein Fuhrmann trieb fluchend die Pferde vor einem schwer mit Sand beladenen Wagen an.
Auch zu den Füßen Timpe's, wenige Schritte von seinem Hause, erhoben sich bereits die ersten Anfänge der Viadukte. Einer ihrer Pfeiler berührte die hintere Giebelwand so dicht, daß der Meister vermeinte, ihn mit der Hand berühren zu können. Fast gleichmäßig von Tag zu Tag, als wüchsen sie Fuß für Fuß aus der Erde, erhoben die Pfeiler sich auf der
ſtreich eine Breſche durch die Häuſer geſchlagen, gleichgültig darüber, ob das eine ſtehen bleibe oder die Hälfte des anderen falle.
Dort blickte man in einen Hof hinein, dem bis vor Kurzem noch Luft und Licht fehlte, und der nun die Geheim¬ niſſe der Hinterhäuſer verrieth; und daneben in einen kleinen Garten, der bisher wie ein ſeltener Schatz inmitten der grauen Mauern nur zur Freude ſeines Beſitzers gedient hatte und nun gleich einer weithin ſichtbaren Oaſe das Auge entzückte. Aber nur noch kurze Zeit, und der Dampf des Eiſenroſſes wälzte ſich über ihn fort und raubte den herrlichen Roſen den Duft. . . . . Und dazwiſchen freigelegte Ställe und Scheunen, Trocken- und Holzplätze, zwei Seitengebäude ohne Vorderhaus, die Reſte von durchſchnittenem Mauerwerk; und dort wo der Trümmer¬ weg eine Kurve machte, die offene Straße wieder mit ihren vier- und fünfſtöckigen Miethskaſernen, in deren Fenſtern die Sonne ſich blendend ſpiegelte.
Vom dunklen Grunde dieſer Gaſſe hoben ſich leuchtend die hellen kalkbeſtäubten Jacken eines Heeres von Maurern ab. Wie ſich das bückte, hinauf- und hinabſtieg, Stein an Stein fügte, um das Fundament der breiten Pfeiler zu geſtalten. Die rothen Steine leuchteten, die Hammer¬ ſchläge klangen hell herüber, und ein Fuhrmann trieb fluchend die Pferde vor einem ſchwer mit Sand beladenen Wagen an.
Auch zu den Füßen Timpe's, wenige Schritte von ſeinem Hauſe, erhoben ſich bereits die erſten Anfänge der Viadukte. Einer ihrer Pfeiler berührte die hintere Giebelwand ſo dicht, daß der Meiſter vermeinte, ihn mit der Hand berühren zu können. Faſt gleichmäßig von Tag zu Tag, als wüchſen ſie Fuß für Fuß aus der Erde, erhoben die Pfeiler ſich auf der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0188"n="176"/>ſtreich eine Breſche durch die Häuſer geſchlagen, gleichgültig<lb/>
darüber, ob das eine ſtehen bleibe oder die Hälfte des<lb/>
anderen falle.</p><lb/><p>Dort blickte man in einen Hof hinein, dem bis vor<lb/>
Kurzem noch Luft und Licht fehlte, und der nun die Geheim¬<lb/>
niſſe der Hinterhäuſer verrieth; und daneben in einen kleinen<lb/>
Garten, der bisher wie ein ſeltener Schatz inmitten der grauen<lb/>
Mauern nur zur Freude ſeines Beſitzers gedient hatte und nun<lb/>
gleich einer weithin ſichtbaren Oaſe das Auge entzückte. Aber nur<lb/>
noch kurze Zeit, und der Dampf des Eiſenroſſes wälzte ſich über<lb/>
ihn fort und raubte den herrlichen Roſen den Duft. . . . .<lb/>
Und dazwiſchen freigelegte Ställe und Scheunen, Trocken- und<lb/>
Holzplätze, zwei Seitengebäude ohne Vorderhaus, die Reſte<lb/>
von durchſchnittenem Mauerwerk; und dort wo der Trümmer¬<lb/>
weg eine Kurve machte, die offene Straße wieder mit ihren<lb/>
vier- und fünfſtöckigen Miethskaſernen, in deren Fenſtern die<lb/>
Sonne ſich blendend ſpiegelte.</p><lb/><p>Vom dunklen Grunde dieſer Gaſſe hoben ſich leuchtend<lb/>
die hellen kalkbeſtäubten Jacken eines Heeres von Maurern<lb/>
ab. Wie ſich das bückte, hinauf- und hinabſtieg, Stein an<lb/>
Stein fügte, um das Fundament der breiten Pfeiler zu<lb/>
geſtalten. Die rothen Steine leuchteten, die Hammer¬<lb/>ſchläge klangen hell herüber, und ein Fuhrmann trieb fluchend<lb/>
die Pferde vor einem ſchwer mit Sand beladenen Wagen an.</p><lb/><p>Auch zu den Füßen Timpe's, wenige Schritte von ſeinem<lb/>
Hauſe, erhoben ſich bereits die erſten Anfänge der Viadukte.<lb/>
Einer ihrer Pfeiler berührte die hintere Giebelwand ſo dicht,<lb/>
daß der Meiſter vermeinte, ihn mit der Hand berühren zu<lb/>
können. Faſt gleichmäßig von Tag zu Tag, als wüchſen ſie<lb/>
Fuß für Fuß aus der Erde, erhoben die Pfeiler ſich auf der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[176/0188]
ſtreich eine Breſche durch die Häuſer geſchlagen, gleichgültig
darüber, ob das eine ſtehen bleibe oder die Hälfte des
anderen falle.
Dort blickte man in einen Hof hinein, dem bis vor
Kurzem noch Luft und Licht fehlte, und der nun die Geheim¬
niſſe der Hinterhäuſer verrieth; und daneben in einen kleinen
Garten, der bisher wie ein ſeltener Schatz inmitten der grauen
Mauern nur zur Freude ſeines Beſitzers gedient hatte und nun
gleich einer weithin ſichtbaren Oaſe das Auge entzückte. Aber nur
noch kurze Zeit, und der Dampf des Eiſenroſſes wälzte ſich über
ihn fort und raubte den herrlichen Roſen den Duft. . . . .
Und dazwiſchen freigelegte Ställe und Scheunen, Trocken- und
Holzplätze, zwei Seitengebäude ohne Vorderhaus, die Reſte
von durchſchnittenem Mauerwerk; und dort wo der Trümmer¬
weg eine Kurve machte, die offene Straße wieder mit ihren
vier- und fünfſtöckigen Miethskaſernen, in deren Fenſtern die
Sonne ſich blendend ſpiegelte.
Vom dunklen Grunde dieſer Gaſſe hoben ſich leuchtend
die hellen kalkbeſtäubten Jacken eines Heeres von Maurern
ab. Wie ſich das bückte, hinauf- und hinabſtieg, Stein an
Stein fügte, um das Fundament der breiten Pfeiler zu
geſtalten. Die rothen Steine leuchteten, die Hammer¬
ſchläge klangen hell herüber, und ein Fuhrmann trieb fluchend
die Pferde vor einem ſchwer mit Sand beladenen Wagen an.
Auch zu den Füßen Timpe's, wenige Schritte von ſeinem
Hauſe, erhoben ſich bereits die erſten Anfänge der Viadukte.
Einer ihrer Pfeiler berührte die hintere Giebelwand ſo dicht,
daß der Meiſter vermeinte, ihn mit der Hand berühren zu
können. Faſt gleichmäßig von Tag zu Tag, als wüchſen ſie
Fuß für Fuß aus der Erde, erhoben die Pfeiler ſich auf der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/188>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.