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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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in den allerältesten Zeiten.
grösser werden; je näher sie zu den Aequator kämen,
und die Puncte unter dem Aequator müsten den aller-
grösten beschreiben. Nun verhalten sich die Geschwin-
digkeiten, wie die Raume, wenn die Zeiten gleich sind.
Derowegen würde die Geschwindigkeit unter dem Aequa-
tor
am grösten und nahe bey den Polen an kleinsten seyn.
Es würde also alle Materie der Erden eine Centrifugal-
kraft,
das ist eine Bemühung bekommen sich von dem
Mittelpuncte der Erde zu entfernen. Da aber diese cen-
trifugalkraft
wie eine jede andere daselbst am grösten wo
die gröste; und am kleinsten seyn müste, wo die kleinste
Geschwindigkeit wäre: so müste sie nothwendig um die
Gegend des Aequators am grösten werden. Nun be-
findet sich daselbst das grosse Weltmeer, welches als ein
flüßiger Körper nothwendig durch diese Centrifugalkraft
in die Höhe gehoben werden müste; woraus nichts an-
ders erfolgen könnte, als daß das feste Land in den hitzi-
gen Strich der Erde überschwemmet würde. Die Er-
fahrung lehret das Gegentheil. Was kan aber hieraus
anders geschlossen werden, als daß es eben so als das Was-
ser erhaben seyn müsse. Und nun möchte ich gerne wis-
sen, wie es sich durch das Umdrehen der Erde, mit dem
Wasser zu einer Höhe hätte erheben können, wenn es
nicht ehemals eben so wie dieses ein flüßiger Körper ge-
wesen wäre. Wem diese sonst klare Sache nicht begreif-
lich genug vorkommen sollte, der könnte sie sich durch fol-
gendes Experiment sinnlicher und leichter machen. Man
lasse sich von nicht allzustarken Drathe eine Kugel verfer-
tigen, dergestalt, daß der Drath lauter Mittagscirkel da-
von vorstellt. Durch diese Kugel mache man eine Achse,
um die sie sich herumdrehen läßt; und mitten an die Ku-
gel gegen den Aequator befestige man bleyerne Gewich-
te. Wenn alsdenn die dratherne Kugel schnell herumge-
drehet wird; so wird man sehen, daß durch die centrifu-
galkraft
der Gewichte die Figur der drathernen Kugel

in

in den alleraͤlteſten Zeiten.
groͤſſer werden; je naͤher ſie zu den Aequator kaͤmen,
und die Puncte unter dem Aequator muͤſten den aller-
groͤſten beſchreiben. Nun verhalten ſich die Geſchwin-
digkeiten, wie die Raume, wenn die Zeiten gleich ſind.
Derowegen wuͤrde die Geſchwindigkeit unter dem Aequa-
tor
am groͤſten und nahe bey den Polen an kleinſten ſeyn.
Es wuͤrde alſo alle Materie der Erden eine Centrifugal-
kraft,
das iſt eine Bemuͤhung bekommen ſich von dem
Mittelpuncte der Erde zu entfernen. Da aber dieſe cen-
trifugalkraft
wie eine jede andere daſelbſt am groͤſten wo
die groͤſte; und am kleinſten ſeyn muͤſte, wo die kleinſte
Geſchwindigkeit waͤre: ſo muͤſte ſie nothwendig um die
Gegend des Aequators am groͤſten werden. Nun be-
findet ſich daſelbſt das groſſe Weltmeer, welches als ein
fluͤßiger Koͤrper nothwendig durch dieſe Centrifugalkraft
in die Hoͤhe gehoben werden muͤſte; woraus nichts an-
ders erfolgen koͤnnte, als daß das feſte Land in den hitzi-
gen Strich der Erde uͤberſchwemmet wuͤrde. Die Er-
fahrung lehret das Gegentheil. Was kan aber hieraus
anders geſchloſſen werden, als daß es eben ſo als das Waſ-
ſer erhaben ſeyn muͤſſe. Und nun moͤchte ich gerne wiſ-
ſen, wie es ſich durch das Umdrehen der Erde, mit dem
Waſſer zu einer Hoͤhe haͤtte erheben koͤnnen, wenn es
nicht ehemals eben ſo wie dieſes ein fluͤßiger Koͤrper ge-
weſen waͤre. Wem dieſe ſonſt klare Sache nicht begreif-
lich genug vorkommen ſollte, der koͤnnte ſie ſich durch fol-
gendes Experiment ſinnlicher und leichter machen. Man
laſſe ſich von nicht allzuſtarken Drathe eine Kugel verfer-
tigen, dergeſtalt, daß der Drath lauter Mittagscirkel da-
von vorſtellt. Durch dieſe Kugel mache man eine Achſe,
um die ſie ſich herumdrehen laͤßt; und mitten an die Ku-
gel gegen den Aequator befeſtige man bleyerne Gewich-
te. Wenn alsdenn die dratherne Kugel ſchnell herumge-
drehet wird; ſo wird man ſehen, daß durch die centrifu-
galkraft
der Gewichte die Figur der drathernen Kugel

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[107/0121] in den alleraͤlteſten Zeiten. groͤſſer werden; je naͤher ſie zu den Aequator kaͤmen, und die Puncte unter dem Aequator muͤſten den aller- groͤſten beſchreiben. Nun verhalten ſich die Geſchwin- digkeiten, wie die Raume, wenn die Zeiten gleich ſind. Derowegen wuͤrde die Geſchwindigkeit unter dem Aequa- tor am groͤſten und nahe bey den Polen an kleinſten ſeyn. Es wuͤrde alſo alle Materie der Erden eine Centrifugal- kraft, das iſt eine Bemuͤhung bekommen ſich von dem Mittelpuncte der Erde zu entfernen. Da aber dieſe cen- trifugalkraft wie eine jede andere daſelbſt am groͤſten wo die groͤſte; und am kleinſten ſeyn muͤſte, wo die kleinſte Geſchwindigkeit waͤre: ſo muͤſte ſie nothwendig um die Gegend des Aequators am groͤſten werden. Nun be- findet ſich daſelbſt das groſſe Weltmeer, welches als ein fluͤßiger Koͤrper nothwendig durch dieſe Centrifugalkraft in die Hoͤhe gehoben werden muͤſte; woraus nichts an- ders erfolgen koͤnnte, als daß das feſte Land in den hitzi- gen Strich der Erde uͤberſchwemmet wuͤrde. Die Er- fahrung lehret das Gegentheil. Was kan aber hieraus anders geſchloſſen werden, als daß es eben ſo als das Waſ- ſer erhaben ſeyn muͤſſe. Und nun moͤchte ich gerne wiſ- ſen, wie es ſich durch das Umdrehen der Erde, mit dem Waſſer zu einer Hoͤhe haͤtte erheben koͤnnen, wenn es nicht ehemals eben ſo wie dieſes ein fluͤßiger Koͤrper ge- weſen waͤre. Wem dieſe ſonſt klare Sache nicht begreif- lich genug vorkommen ſollte, der koͤnnte ſie ſich durch fol- gendes Experiment ſinnlicher und leichter machen. Man laſſe ſich von nicht allzuſtarken Drathe eine Kugel verfer- tigen, dergeſtalt, daß der Drath lauter Mittagscirkel da- von vorſtellt. Durch dieſe Kugel mache man eine Achſe, um die ſie ſich herumdrehen laͤßt; und mitten an die Ku- gel gegen den Aequator befeſtige man bleyerne Gewich- te. Wenn alsdenn die dratherne Kugel ſchnell herumge- drehet wird; ſo wird man ſehen, daß durch die centrifu- galkraft der Gewichte die Figur der drathernen Kugel in

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/121>, abgerufen am 17.05.2024.