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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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Geschichte der Erde
fehlen müsse. Man glaubt, daß dieses ein eigentlich so ge-
nannter Schwefel sey. Denn es soll der Herr von
Tschirnhausen selbst in den Vesuvius hinunter gestie-
gen seyn, und vielen sublimirten Schwefel darinnen an-
getroffen haben, ja ich habe selbst solche Schwefelblumen
gesehen, welche aus diesem Berge heraus geholt seyn sol-
len. Aber ich wäre bey nahe zweifelhaft darinnen gewor-
den, nachdem mir jemand, der sich lange Zeit in Italien
aufgehalten hat, die wahre Beschaffenheit des Vesuvius
erzehlt. Er meldete, daß dieser Berg niemals völlig ru-
hig sey, sondern daß beständig Flammen und Dampf aus
ihm in die Höhe stiegen, wie er solches nicht nur selbst
einige Jahr lang so befunden, sondern auch dessen von de-
nen in der Nähe wohnenden Leuten versichert worden wä-
re, obgleich das Feuerspeyen dieses Berges einmal hefti-
ger als zur andern Zeit befunden würde. Nicht nur aber
dieses machte es unmöglich in den Vesuvius hinunter zu
steigen, sondern es befände sich auch in der Entfernung
einer Viertelmeile rund herum eine solche Menge Asche,
die er ausgeworfen hätte, daß man, ohne darinnen zu
versinken, sich diesem Berge nicht nähern könnte. Die-
ser Mann hat mir zugleich ein Wunderwerk erzählet, wel-
ches ich meinen Lesern mitzutheilen desto weniger Beden-
ken trage, da er ein Protestante, und gar nicht abergläu-
big ist. Dieses ist folgendes: Innerhalb den Grenzen
die der Vesuvius beständig mit seiner Asche zu bedecken
pflegt, wohnt ein Einsiedler, ein Mann, welcher mit
niemanden redet, sondern beständig bethet, und nichts be-
sitzt, als seine Hütte und einen Esel, welcher aber so klug
ist, daß er nach Neapel gehet, um seinem Herrn die
Nothdurft des Lebens zu verschaffen, und von dannen je-
derzeit mit Lebensmitteln reichlich beladen wieder zurück
kömmt, weßwegen er von dem gemeinen Volke vor einen
Engel gehalten wird. Der Freund, der mir dieses erzehlt,
hat nicht nur den Esel sondern auch den Einsiedler ge-

sehen,

Geſchichte der Erde
fehlen muͤſſe. Man glaubt, daß dieſes ein eigentlich ſo ge-
nannter Schwefel ſey. Denn es ſoll der Herr von
Tſchirnhauſen ſelbſt in den Veſuvius hinunter geſtie-
gen ſeyn, und vielen ſublimirten Schwefel darinnen an-
getroffen haben, ja ich habe ſelbſt ſolche Schwefelblumen
geſehen, welche aus dieſem Berge heraus geholt ſeyn ſol-
len. Aber ich waͤre bey nahe zweifelhaft darinnen gewor-
den, nachdem mir jemand, der ſich lange Zeit in Italien
aufgehalten hat, die wahre Beſchaffenheit des Veſuvius
erzehlt. Er meldete, daß dieſer Berg niemals voͤllig ru-
hig ſey, ſondern daß beſtaͤndig Flammen und Dampf aus
ihm in die Hoͤhe ſtiegen, wie er ſolches nicht nur ſelbſt
einige Jahr lang ſo befunden, ſondern auch deſſen von de-
nen in der Naͤhe wohnenden Leuten verſichert worden waͤ-
re, obgleich das Feuerſpeyen dieſes Berges einmal hefti-
ger als zur andern Zeit befunden wuͤrde. Nicht nur aber
dieſes machte es unmoͤglich in den Veſuvius hinunter zu
ſteigen, ſondern es befaͤnde ſich auch in der Entfernung
einer Viertelmeile rund herum eine ſolche Menge Aſche,
die er ausgeworfen haͤtte, daß man, ohne darinnen zu
verſinken, ſich dieſem Berge nicht naͤhern koͤnnte. Die-
ſer Mann hat mir zugleich ein Wunderwerk erzaͤhlet, wel-
ches ich meinen Leſern mitzutheilen deſto weniger Beden-
ken trage, da er ein Proteſtante, und gar nicht aberglaͤu-
big iſt. Dieſes iſt folgendes: Innerhalb den Grenzen
die der Veſuvius beſtaͤndig mit ſeiner Aſche zu bedecken
pflegt, wohnt ein Einſiedler, ein Mann, welcher mit
niemanden redet, ſondern beſtaͤndig bethet, und nichts be-
ſitzt, als ſeine Huͤtte und einen Eſel, welcher aber ſo klug
iſt, daß er nach Neapel gehet, um ſeinem Herrn die
Nothdurft des Lebens zu verſchaffen, und von dannen je-
derzeit mit Lebensmitteln reichlich beladen wieder zuruͤck
koͤmmt, weßwegen er von dem gemeinen Volke vor einen
Engel gehalten wird. Der Freund, der mir dieſes erzehlt,
hat nicht nur den Eſel ſondern auch den Einſiedler ge-

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[138/0152] Geſchichte der Erde fehlen muͤſſe. Man glaubt, daß dieſes ein eigentlich ſo ge- nannter Schwefel ſey. Denn es ſoll der Herr von Tſchirnhauſen ſelbſt in den Veſuvius hinunter geſtie- gen ſeyn, und vielen ſublimirten Schwefel darinnen an- getroffen haben, ja ich habe ſelbſt ſolche Schwefelblumen geſehen, welche aus dieſem Berge heraus geholt ſeyn ſol- len. Aber ich waͤre bey nahe zweifelhaft darinnen gewor- den, nachdem mir jemand, der ſich lange Zeit in Italien aufgehalten hat, die wahre Beſchaffenheit des Veſuvius erzehlt. Er meldete, daß dieſer Berg niemals voͤllig ru- hig ſey, ſondern daß beſtaͤndig Flammen und Dampf aus ihm in die Hoͤhe ſtiegen, wie er ſolches nicht nur ſelbſt einige Jahr lang ſo befunden, ſondern auch deſſen von de- nen in der Naͤhe wohnenden Leuten verſichert worden waͤ- re, obgleich das Feuerſpeyen dieſes Berges einmal hefti- ger als zur andern Zeit befunden wuͤrde. Nicht nur aber dieſes machte es unmoͤglich in den Veſuvius hinunter zu ſteigen, ſondern es befaͤnde ſich auch in der Entfernung einer Viertelmeile rund herum eine ſolche Menge Aſche, die er ausgeworfen haͤtte, daß man, ohne darinnen zu verſinken, ſich dieſem Berge nicht naͤhern koͤnnte. Die- ſer Mann hat mir zugleich ein Wunderwerk erzaͤhlet, wel- ches ich meinen Leſern mitzutheilen deſto weniger Beden- ken trage, da er ein Proteſtante, und gar nicht aberglaͤu- big iſt. Dieſes iſt folgendes: Innerhalb den Grenzen die der Veſuvius beſtaͤndig mit ſeiner Aſche zu bedecken pflegt, wohnt ein Einſiedler, ein Mann, welcher mit niemanden redet, ſondern beſtaͤndig bethet, und nichts be- ſitzt, als ſeine Huͤtte und einen Eſel, welcher aber ſo klug iſt, daß er nach Neapel gehet, um ſeinem Herrn die Nothdurft des Lebens zu verſchaffen, und von dannen je- derzeit mit Lebensmitteln reichlich beladen wieder zuruͤck koͤmmt, weßwegen er von dem gemeinen Volke vor einen Engel gehalten wird. Der Freund, der mir dieſes erzehlt, hat nicht nur den Eſel ſondern auch den Einſiedler ge- ſehen,

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/152>, abgerufen am 21.11.2024.