Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.Geschichte der Erde und Democritus von dem Ursprunge der Welt warfolgende: sie nahmen die Atomos zum ersten Grunde aller Dinge an. Dadurch verstunden sie eine unbe- schreibliche Menge untheilbarer Theilgen von verschiede- ner Grösse und Gestalt. Diese hätten sich von ohnge- fähr und ohne alle Bestimmung einer Absicht von Ewig- keit her in einen unermeßlichen Raume bewegt, dadurch es denn geschehen, daß sie endlich dergestalt zusammenge- kommen, und aneinander angestossen hätten, daß durch ihre Verwickelung und Verknüpfung ein Chaos von al- len Arten der Theilgen entstanden wäre, weil aber ihre Bewegung beständig fortgedauert hätte, so wären durch die beständige Bewegung, Druck und Gegendruck dersel- ben ein oder mehrere Wirbel entstanden, darinnen nach verschiedenen Verbindungen und Auflösungen dieselben Theilgen endlich in die gegewärtige Gestalt und Verknüpf- fung gerathen wären. Man sieht gleich, daß die ganze Sache einer Fabel ähnlicher als einer wahren Geschichte ist, aber man muß doch gestehen, daß es eine Fabel sey, dabey man sich eine Vorstellung machen kan, da hingegen die Cosmogenien der meisten alten Weltweiseu Gedichte sind, welche aus lauter leeren Worten, und seltsamen Abentheuren bestehen, und mir deucht doch immer, daß eine Erzehlung möglicher Begebenheiten besser als eine Geschichte von lauter sich selbst widersprechenden Dingen sey, obgleich die eine so falsch ist als wie die andere. Gassendus und Cartesius haben beyde ihr physicali- sches Lehrgebäude nach den Gründen der Atomisten ab- gefasset, wiewol sie in einigen Stücken unterschieden sind, da z. E. Gassendus den leeren Raum behält, welchen Cartesius verwirft, ich selbst finde in denen Atomis nichts ungereimtes, wenn man dadurch die allerkleinsten Theilgen des Körpers versteht, welche eine unveränderli- che Figur und Grösse besitzen, und dieses darum, weil sie vollkommen harte Körper sind, welche keine Kraft in der
Geſchichte der Erde und Democritus von dem Urſprunge der Welt warfolgende: ſie nahmen die Atomos zum erſten Grunde aller Dinge an. Dadurch verſtunden ſie eine unbe- ſchreibliche Menge untheilbarer Theilgen von verſchiede- ner Groͤſſe und Geſtalt. Dieſe haͤtten ſich von ohnge- faͤhr und ohne alle Beſtimmung einer Abſicht von Ewig- keit her in einen unermeßlichen Raume bewegt, dadurch es denn geſchehen, daß ſie endlich dergeſtalt zuſammenge- kommen, und aneinander angeſtoſſen haͤtten, daß durch ihre Verwickelung und Verknuͤpfung ein Chaos von al- len Arten der Theilgen entſtanden waͤre, weil aber ihre Bewegung beſtaͤndig fortgedauert haͤtte, ſo waͤren durch die beſtaͤndige Bewegung, Druck und Gegendruck derſel- ben ein oder mehrere Wirbel entſtanden, darinnen nach verſchiedenen Verbindungen und Aufloͤſungen dieſelben Theilgen endlich in die gegewaͤrtige Geſtalt und Verknuͤpf- fung gerathen waͤren. Man ſieht gleich, daß die ganze Sache einer Fabel aͤhnlicher als einer wahren Geſchichte iſt, aber man muß doch geſtehen, daß es eine Fabel ſey, dabey man ſich eine Vorſtellung machen kan, da hingegen die Coſmogenien der meiſten alten Weltweiſeu Gedichte ſind, welche aus lauter leeren Worten, und ſeltſamen Abentheuren beſtehen, und mir deucht doch immer, daß eine Erzehlung moͤglicher Begebenheiten beſſer als eine Geſchichte von lauter ſich ſelbſt widerſprechenden Dingen ſey, obgleich die eine ſo falſch iſt als wie die andere. Gaſſendus und Carteſius haben beyde ihr phyſicali- ſches Lehrgebaͤude nach den Gruͤnden der Atomiſten ab- gefaſſet, wiewol ſie in einigen Stuͤcken unterſchieden ſind, da z. E. Gaſſendus den leeren Raum behaͤlt, welchen Carteſius verwirft, ich ſelbſt finde in denen Atomis nichts ungereimtes, wenn man dadurch die allerkleinſten Theilgen des Koͤrpers verſteht, welche eine unveraͤnderli- che Figur und Groͤſſe beſitzen, und dieſes darum, weil ſie vollkommen harte Koͤrper ſind, welche keine Kraft in der
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Geſchichte der Erde
und Democritus von dem Urſprunge der Welt war
folgende: ſie nahmen die Atomos zum erſten Grunde
aller Dinge an. Dadurch verſtunden ſie eine unbe-
ſchreibliche Menge untheilbarer Theilgen von verſchiede-
ner Groͤſſe und Geſtalt. Dieſe haͤtten ſich von ohnge-
faͤhr und ohne alle Beſtimmung einer Abſicht von Ewig-
keit her in einen unermeßlichen Raume bewegt, dadurch
es denn geſchehen, daß ſie endlich dergeſtalt zuſammenge-
kommen, und aneinander angeſtoſſen haͤtten, daß durch
ihre Verwickelung und Verknuͤpfung ein Chaos von al-
len Arten der Theilgen entſtanden waͤre, weil aber ihre
Bewegung beſtaͤndig fortgedauert haͤtte, ſo waͤren durch
die beſtaͤndige Bewegung, Druck und Gegendruck derſel-
ben ein oder mehrere Wirbel entſtanden, darinnen nach
verſchiedenen Verbindungen und Aufloͤſungen dieſelben
Theilgen endlich in die gegewaͤrtige Geſtalt und Verknuͤpf-
fung gerathen waͤren. Man ſieht gleich, daß die ganze
Sache einer Fabel aͤhnlicher als einer wahren Geſchichte
iſt, aber man muß doch geſtehen, daß es eine Fabel ſey,
dabey man ſich eine Vorſtellung machen kan, da hingegen
die Coſmogenien der meiſten alten Weltweiſeu Gedichte
ſind, welche aus lauter leeren Worten, und ſeltſamen
Abentheuren beſtehen, und mir deucht doch immer, daß
eine Erzehlung moͤglicher Begebenheiten beſſer als eine
Geſchichte von lauter ſich ſelbſt widerſprechenden Dingen
ſey, obgleich die eine ſo falſch iſt als wie die andere.
Gaſſendus und Carteſius haben beyde ihr phyſicali-
ſches Lehrgebaͤude nach den Gruͤnden der Atomiſten ab-
gefaſſet, wiewol ſie in einigen Stuͤcken unterſchieden ſind,
da z. E. Gaſſendus den leeren Raum behaͤlt, welchen
Carteſius verwirft, ich ſelbſt finde in denen Atomis
nichts ungereimtes, wenn man dadurch die allerkleinſten
Theilgen des Koͤrpers verſteht, welche eine unveraͤnderli-
che Figur und Groͤſſe beſitzen, und dieſes darum, weil
ſie vollkommen harte Koͤrper ſind, welche keine Kraft in
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