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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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in den allerältesten Zeiten.
der Natur weiter zu zertheilen vermag. Jch will mich
durch ein Exempel deutlich erklären, wir können keinen
einzigen Körper in der Welt, welcher eine grössere Kraft
zu würken besitzen sollte, als das Feuer. Ein ganzer
Centner Eisen kan vermittelst desselben in kurzer Zeit ge-
schmolzen, das heist, in eine flüßige Materie verwandelt
werden, nimmermehr wäre dieses möglich, wenn das
Feuer nicht die Kraft besässe, das Zusammenhängen
der Eisentheilgen aufzuheben, und sie folglich von einan-
der zu trennen. Nun henge man an einen Würfel von
Eisen, welcher einen Centner wiegt, so viel Gewichte an,
bis daß er in der Mitten voneinander reißt, so wird man
über die Last erstaunen müssen, welche hierzu erfordert
wird, alles dieses aber verrichtet das Feuer, wenn das
Eisen zerschmelzt, und noch ein weit mehreres. Denn
die Gewichte zerreissen das Eisen nur in einer einzigen Flä-
che, das Feuer thut solches aber in allen möglichen Flä-
chen zugleich. Wenn wir nun eine solche physicalische
Fläche schon einer Linie hoch annehmen wollten, da sie
doch ohnstreitig viel kleiner gesetzt werden müßte, so wür-
de ohnfehlbar die Gewalt des Feuers so vielmal grösser
seyn, als die Schwere derer Gewichte die den eisernen
Würfel von einander reissen, als die Höhe eines Würfels,
welcher einen Centner wiegt grösser wäre, als eine Pari-
ser Linie; wo finden wir nun einen solchen Körper, wel-
cher eine so ganz erschreckliche Gewalt besitzen sollte. Es
ist wahr, daß ich in meiner Physic gezeigt habe, daß das
Feuer ein ungemein subtiler Körper sey, aber habe ich
nicht auch dargethan, daß es sich mit einer ganz ausseror-
dentlichen Geschwindigkeit bewegt, und muß also nicht die
Geschwindigkeit das ersetzen, was an der Masse fehlt, be-
sonders, da sich das Feuer wirklich bewegt, und also ei-
ne lebendige Kraft besitzt, welche dem Quadrate seiner
Geschwindigkeit proportional ist. Man wird also verhof-
fentlich nicht zweifeln, daß das Feuer unter allen irdischen

Kör-
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in den alleraͤlteſten Zeiten.
der Natur weiter zu zertheilen vermag. Jch will mich
durch ein Exempel deutlich erklaͤren, wir koͤnnen keinen
einzigen Koͤrper in der Welt, welcher eine groͤſſere Kraft
zu wuͤrken beſitzen ſollte, als das Feuer. Ein ganzer
Centner Eiſen kan vermittelſt deſſelben in kurzer Zeit ge-
ſchmolzen, das heiſt, in eine fluͤßige Materie verwandelt
werden, nimmermehr waͤre dieſes moͤglich, wenn das
Feuer nicht die Kraft beſaͤſſe, das Zuſammenhaͤngen
der Eiſentheilgen aufzuheben, und ſie folglich von einan-
der zu trennen. Nun henge man an einen Wuͤrfel von
Eiſen, welcher einen Centner wiegt, ſo viel Gewichte an,
bis daß er in der Mitten voneinander reißt, ſo wird man
uͤber die Laſt erſtaunen muͤſſen, welche hierzu erfordert
wird, alles dieſes aber verrichtet das Feuer, wenn das
Eiſen zerſchmelzt, und noch ein weit mehreres. Denn
die Gewichte zerreiſſen das Eiſen nur in einer einzigen Flaͤ-
che, das Feuer thut ſolches aber in allen moͤglichen Flaͤ-
chen zugleich. Wenn wir nun eine ſolche phyſicaliſche
Flaͤche ſchon einer Linie hoch annehmen wollten, da ſie
doch ohnſtreitig viel kleiner geſetzt werden muͤßte, ſo wuͤr-
de ohnfehlbar die Gewalt des Feuers ſo vielmal groͤſſer
ſeyn, als die Schwere derer Gewichte die den eiſernen
Wuͤrfel von einander reiſſen, als die Hoͤhe eines Wuͤrfels,
welcher einen Centner wiegt groͤſſer waͤre, als eine Pari-
ſer Linie; wo finden wir nun einen ſolchen Koͤrper, wel-
cher eine ſo ganz erſchreckliche Gewalt beſitzen ſollte. Es
iſt wahr, daß ich in meiner Phyſic gezeigt habe, daß das
Feuer ein ungemein ſubtiler Koͤrper ſey, aber habe ich
nicht auch dargethan, daß es ſich mit einer ganz auſſeror-
dentlichen Geſchwindigkeit bewegt, und muß alſo nicht die
Geſchwindigkeit das erſetzen, was an der Maſſe fehlt, be-
ſonders, da ſich das Feuer wirklich bewegt, und alſo ei-
ne lebendige Kraft beſitzt, welche dem Quadrate ſeiner
Geſchwindigkeit proportional iſt. Man wird alſo verhof-
fentlich nicht zweifeln, daß das Feuer unter allen irdiſchen

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[21/0029] in den alleraͤlteſten Zeiten. der Natur weiter zu zertheilen vermag. Jch will mich durch ein Exempel deutlich erklaͤren, wir koͤnnen keinen einzigen Koͤrper in der Welt, welcher eine groͤſſere Kraft zu wuͤrken beſitzen ſollte, als das Feuer. Ein ganzer Centner Eiſen kan vermittelſt deſſelben in kurzer Zeit ge- ſchmolzen, das heiſt, in eine fluͤßige Materie verwandelt werden, nimmermehr waͤre dieſes moͤglich, wenn das Feuer nicht die Kraft beſaͤſſe, das Zuſammenhaͤngen der Eiſentheilgen aufzuheben, und ſie folglich von einan- der zu trennen. Nun henge man an einen Wuͤrfel von Eiſen, welcher einen Centner wiegt, ſo viel Gewichte an, bis daß er in der Mitten voneinander reißt, ſo wird man uͤber die Laſt erſtaunen muͤſſen, welche hierzu erfordert wird, alles dieſes aber verrichtet das Feuer, wenn das Eiſen zerſchmelzt, und noch ein weit mehreres. Denn die Gewichte zerreiſſen das Eiſen nur in einer einzigen Flaͤ- che, das Feuer thut ſolches aber in allen moͤglichen Flaͤ- chen zugleich. Wenn wir nun eine ſolche phyſicaliſche Flaͤche ſchon einer Linie hoch annehmen wollten, da ſie doch ohnſtreitig viel kleiner geſetzt werden muͤßte, ſo wuͤr- de ohnfehlbar die Gewalt des Feuers ſo vielmal groͤſſer ſeyn, als die Schwere derer Gewichte die den eiſernen Wuͤrfel von einander reiſſen, als die Hoͤhe eines Wuͤrfels, welcher einen Centner wiegt groͤſſer waͤre, als eine Pari- ſer Linie; wo finden wir nun einen ſolchen Koͤrper, wel- cher eine ſo ganz erſchreckliche Gewalt beſitzen ſollte. Es iſt wahr, daß ich in meiner Phyſic gezeigt habe, daß das Feuer ein ungemein ſubtiler Koͤrper ſey, aber habe ich nicht auch dargethan, daß es ſich mit einer ganz auſſeror- dentlichen Geſchwindigkeit bewegt, und muß alſo nicht die Geſchwindigkeit das erſetzen, was an der Maſſe fehlt, be- ſonders, da ſich das Feuer wirklich bewegt, und alſo ei- ne lebendige Kraft beſitzt, welche dem Quadrate ſeiner Geſchwindigkeit proportional iſt. Man wird alſo verhof- fentlich nicht zweifeln, daß das Feuer unter allen irdiſchen Koͤr- B 3

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/29>, abgerufen am 21.11.2024.