Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

in den allerältesten Zeiten.
alles ruhig gewesen wäre, angefangen hätten aus den
Fächern heraus zu laufen und sich in eine Forme ordentlich
neben einander zu stellen, welche sich selbst abgedruckt, und
dieses Buch hervorgebracht hätte. Man darf nur die
Hervorbringung der Thiere und des menschlichen Ge-
schlechts nach den Epicureischen Lehrbegriffe betrachten,
so wird man mir vollkommen Recht geben. Denn sie
behaupten, die neugebildete Erde habe den Samen, und
die Anlage aller Dinge enthalten, da nun die Sonne mit
ihrer Hitze auf die feuchten Gegenden gewürkt, wären Bla-
sen entstanden, worinnen als in Mutterleibern die anfäng-
lich unvollkommene Früchte gebildet worden, hierauf wä-
ren sie nach erlangter Reife hervorgebrochen, und die
Natur hätte für ihren Unterhalt gesorgt, indem viele mit
Milchsaft angefüllte Blasen wie kleine Brüste entstanden
wären. Welche Fruchtbarkeit in der ersten Jugend der
Natur niemand befremden dürfe, der bedächte, was vor
eine Menge kleiner Thiere und Ungeziefers noch täglich
auf diese Weise ausgebrütet würden. Mit der Zeit aber
sey endlich der Saame der Erde erschöpft worden, daher
dieselbe, gleich einer Frauen, nach zurückgelegten Gebäh-
rungsjahren, aufgehöret grössere und vollkommenere Thiere
auf diese Art hervorzubringen, als welches nun durch die
Vermischung beyderley Geschlechtes geschehe, viel schöner
klingt es, wenn der berühmte Haller schreibt:

O Schöpffer! was ich seh, sind deiner All-
macht Werke,
Durch dich belebt sich die Natur;
Der Sterne Lauf und Licht, der Sonne Glanz
und Stärke,
Sind deiner Hand Geschöpf und Spur.

Du
B 4

in den alleraͤlteſten Zeiten.
alles ruhig geweſen waͤre, angefangen haͤtten aus den
Faͤchern heraus zu laufen und ſich in eine Forme ordentlich
neben einander zu ſtellen, welche ſich ſelbſt abgedruckt, und
dieſes Buch hervorgebracht haͤtte. Man darf nur die
Hervorbringung der Thiere und des menſchlichen Ge-
ſchlechts nach den Epicureiſchen Lehrbegriffe betrachten,
ſo wird man mir vollkommen Recht geben. Denn ſie
behaupten, die neugebildete Erde habe den Samen, und
die Anlage aller Dinge enthalten, da nun die Sonne mit
ihrer Hitze auf die feuchten Gegenden gewuͤrkt, waͤren Bla-
ſen entſtanden, worinnen als in Mutterleibern die anfaͤng-
lich unvollkommene Fruͤchte gebildet worden, hierauf waͤ-
ren ſie nach erlangter Reife hervorgebrochen, und die
Natur haͤtte fuͤr ihren Unterhalt geſorgt, indem viele mit
Milchſaft angefuͤllte Blaſen wie kleine Bruͤſte entſtanden
waͤren. Welche Fruchtbarkeit in der erſten Jugend der
Natur niemand befremden duͤrfe, der bedaͤchte, was vor
eine Menge kleiner Thiere und Ungeziefers noch taͤglich
auf dieſe Weiſe ausgebruͤtet wuͤrden. Mit der Zeit aber
ſey endlich der Saame der Erde erſchoͤpft worden, daher
dieſelbe, gleich einer Frauen, nach zuruͤckgelegten Gebaͤh-
rungsjahren, aufgehoͤret groͤſſere und vollkommenere Thiere
auf dieſe Art hervorzubringen, als welches nun durch die
Vermiſchung beyderley Geſchlechtes geſchehe, viel ſchoͤner
klingt es, wenn der beruͤhmte Haller ſchreibt:

O Schoͤpffer! was ich ſeh, ſind deiner All-
macht Werke,
Durch dich belebt ſich die Natur;
Der Sterne Lauf und Licht, der Sonne Glanz
und Staͤrke,
Sind deiner Hand Geſchoͤpf und Spur.

Du
B 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="23"/><fw place="top" type="header">in den allera&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten.</fw><lb/>
alles ruhig gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, angefangen ha&#x0364;tten aus den<lb/>
Fa&#x0364;chern heraus zu laufen und &#x017F;ich in eine Forme ordentlich<lb/>
neben einander zu &#x017F;tellen, welche &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t abgedruckt, und<lb/>
die&#x017F;es Buch hervorgebracht ha&#x0364;tte. Man darf nur die<lb/>
Hervorbringung der Thiere und des men&#x017F;chlichen Ge-<lb/>
&#x017F;chlechts nach den <hi rendition="#fr">Epicurei&#x017F;chen</hi> Lehrbegriffe betrachten,<lb/>
&#x017F;o wird man mir vollkommen Recht geben. Denn &#x017F;ie<lb/>
behaupten, die neugebildete Erde habe den Samen, und<lb/>
die Anlage aller Dinge enthalten, da nun die Sonne mit<lb/>
ihrer Hitze auf die feuchten Gegenden gewu&#x0364;rkt, wa&#x0364;ren Bla-<lb/>
&#x017F;en ent&#x017F;tanden, worinnen als in Mutterleibern die anfa&#x0364;ng-<lb/>
lich unvollkommene Fru&#x0364;chte gebildet worden, hierauf wa&#x0364;-<lb/>
ren &#x017F;ie nach erlangter Reife hervorgebrochen, und die<lb/>
Natur ha&#x0364;tte fu&#x0364;r ihren Unterhalt ge&#x017F;orgt, indem viele mit<lb/>
Milch&#x017F;aft angefu&#x0364;llte Bla&#x017F;en wie kleine Bru&#x0364;&#x017F;te ent&#x017F;tanden<lb/>
wa&#x0364;ren. Welche Fruchtbarkeit in der er&#x017F;ten Jugend der<lb/>
Natur niemand befremden du&#x0364;rfe, der beda&#x0364;chte, was vor<lb/>
eine Menge kleiner Thiere und Ungeziefers noch ta&#x0364;glich<lb/>
auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e ausgebru&#x0364;tet wu&#x0364;rden. Mit der Zeit aber<lb/>
&#x017F;ey endlich der Saame der Erde er&#x017F;cho&#x0364;pft worden, daher<lb/>
die&#x017F;elbe, gleich einer Frauen, nach zuru&#x0364;ckgelegten Geba&#x0364;h-<lb/>
rungsjahren, aufgeho&#x0364;ret gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere und vollkommenere Thiere<lb/>
auf die&#x017F;e Art hervorzubringen, als welches nun durch die<lb/>
Vermi&#x017F;chung beyderley Ge&#x017F;chlechtes ge&#x017F;chehe, viel &#x017F;cho&#x0364;ner<lb/>
klingt es, wenn der beru&#x0364;hmte <hi rendition="#fr">Haller</hi> &#x017F;chreibt:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l> <hi rendition="#fr">O Scho&#x0364;pffer! was ich &#x017F;eh, &#x017F;ind deiner All-</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">macht Werke,</hi> </hi><lb/> <hi rendition="#et">Durch dich belebt &#x017F;ich die Natur;<lb/>
Der Sterne Lauf und Licht, der Sonne Glanz<lb/><hi rendition="#et">und Sta&#x0364;rke,</hi><lb/>
Sind deiner Hand Ge&#x017F;cho&#x0364;pf und Spur.</hi> </l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">B 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Du</hi> </fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0031] in den alleraͤlteſten Zeiten. alles ruhig geweſen waͤre, angefangen haͤtten aus den Faͤchern heraus zu laufen und ſich in eine Forme ordentlich neben einander zu ſtellen, welche ſich ſelbſt abgedruckt, und dieſes Buch hervorgebracht haͤtte. Man darf nur die Hervorbringung der Thiere und des menſchlichen Ge- ſchlechts nach den Epicureiſchen Lehrbegriffe betrachten, ſo wird man mir vollkommen Recht geben. Denn ſie behaupten, die neugebildete Erde habe den Samen, und die Anlage aller Dinge enthalten, da nun die Sonne mit ihrer Hitze auf die feuchten Gegenden gewuͤrkt, waͤren Bla- ſen entſtanden, worinnen als in Mutterleibern die anfaͤng- lich unvollkommene Fruͤchte gebildet worden, hierauf waͤ- ren ſie nach erlangter Reife hervorgebrochen, und die Natur haͤtte fuͤr ihren Unterhalt geſorgt, indem viele mit Milchſaft angefuͤllte Blaſen wie kleine Bruͤſte entſtanden waͤren. Welche Fruchtbarkeit in der erſten Jugend der Natur niemand befremden duͤrfe, der bedaͤchte, was vor eine Menge kleiner Thiere und Ungeziefers noch taͤglich auf dieſe Weiſe ausgebruͤtet wuͤrden. Mit der Zeit aber ſey endlich der Saame der Erde erſchoͤpft worden, daher dieſelbe, gleich einer Frauen, nach zuruͤckgelegten Gebaͤh- rungsjahren, aufgehoͤret groͤſſere und vollkommenere Thiere auf dieſe Art hervorzubringen, als welches nun durch die Vermiſchung beyderley Geſchlechtes geſchehe, viel ſchoͤner klingt es, wenn der beruͤhmte Haller ſchreibt: O Schoͤpffer! was ich ſeh, ſind deiner All- macht Werke, Durch dich belebt ſich die Natur; Der Sterne Lauf und Licht, der Sonne Glanz und Staͤrke, Sind deiner Hand Geſchoͤpf und Spur. Du B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/31
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/31>, abgerufen am 02.05.2024.