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Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987.

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N001
ich bin berechtigt zu sagen, daß weder unter meiner Führung N002
noch auch später in der englischen Emigration die Prinzipien N003
des demokratischen Zentralismus ernstlich verletzt wurden} auch N004
meine ich, daß weder bei uns noch in der englischen Partei Per- N005
sonenkult oder Dogmatismus vorherrschten"

N001
Für meine Naivität gegenüber den Prozessen seien einige N002
Beispiele gegeben, wovon eines erschreckend zeigt, wie tief der N003
Stalinismus in Einzelzügen sich meiner schon bemächtigt hatte"

N001
Doch zunächst ein Beispiel voller Harmlosigkeit. Wohl in dem N002
ersten größeren Prozeß waren Daviiät und Emel angeklagt. Ich kannte N003
sie nicht nur aus der Zeit vor 1933 - mit David hatte ich in der N004
*'Roten Fahne" zusammengearbeitet -, sondern hatte sie auch 1935 N005
in Moskau gesprochen. Bessonow, mit dem ich mich in seiner deut- N006
schen Zeit gut stand - Marguerite und er hatten, als er uns ein- N007
mal 1935 besuchte, de3 längeren die Qualität einer ihrer Fisoh- N008
saucen besprochen - war ebenfalls in den Prozeß verwickelt" loh N009
berichtete nun ausführlich über meine Beziehungen zu ihnen an N010
unseren zentralen Kadermann, den guten und mir so teuren Genossen N011
"Helm", bei meinem nächsten Besuch unserer zentralen Partei-Aus- N012
landsführung in Paris. Das war für mich eine problemlose Selbst- N013
verständlichkeit, die weder moralischen Mut erforderte noch N014
irgendwelche Sorgen bereitete. Ich erzählte von meinem guten N015
Verhältnis zu Bessonow und daß wir uns bei meinem "endgültigen" N016
Verlassen von Deutschland - ich reiste über Prag (am Tag des N017
Ausbruchs des spanischen Bürgerkrieges), Polen, wo ich Ursula N018
traf, und Kopenhagen nach England - verabredet hatten, uns in N019
Kopenhagen, wo sioh nach der Anklage Bessonow mit einem Sohn von N020
Trotzki getroffen hatte, zu sehen, loh ihn Jedoch nicht in dem

N001
ich bin berechtigt zu sagen, daß weder unter meiner Führung N002
noch auch später in der englischen Emigration die Prinzipien N003
des demokratischen Zentralismus ernstlich verletzt wurden} auch N004
meine ich, daß weder bei uns noch in der englischen Partei Per- N005
sonenkult oder Dogmatismus vorherrschten«

N001
Für meine Naivität gegenüber den Prozessen seien einige N002
Beispiele gegeben, wovon eines erschreckend zeigt, wie tief der N003
Stalinismus in Einzelzügen sich meiner schon bemächtigt hatte«

N001
Doch zunächst ein Beispiel voller Harmlosigkeit. Wohl in dem N002
ersten größeren Prozeß waren Daviiät und Emel angeklagt. Ich kannte N003
sie nicht nur aus der Zeit vor 1933 - mit David hatte ich in der N004
•'Roten Fahne" zusammengearbeitet -, sondern hatte sie auch 1935 N005
in Moskau gesprochen. Bessonow, mit dem ich mich in seiner deut- N006
schen Zeit gut stand - Marguerite und er hatten, als er uns ein- N007
mal 1935 besuchte, de3 längeren die Qualität einer ihrer Fisoh- N008
saucen besprochen - war ebenfalls in den Prozeß verwickelt« loh N009
berichtete nun ausführlich über meine Beziehungen zu ihnen an N010
unseren zentralen Kadermann, den guten und mir so teuren Genossen N011
"Helm", bei meinem nächsten Besuch unserer zentralen Partei-Aus- N012
landsführung in Paris. Das war für mich eine problemlose Selbst- N013
verständlichkeit, die weder moralischen Mut erforderte noch N014
irgendwelche Sorgen bereitete. Ich erzählte von meinem guten N015
Verhältnis zu Bessonow und daß wir uns bei meinem "endgültigen" N016
Verlassen von Deutschland - ich reiste über Prag (am Tag des N017
Ausbruchs des spanischen Bürgerkrieges), Polen, wo ich Ursula N018
traf, und Kopenhagen nach England - verabredet hatten, uns in N019
Kopenhagen, wo sioh nach der Anklage Bessonow mit einem Sohn von N020
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[7/0283] N001 ich bin berechtigt zu sagen, daß weder unter meiner Führung N002 noch auch später in der englischen Emigration die Prinzipien N003 des demokratischen Zentralismus ernstlich verletzt wurden} auch N004 meine ich, daß weder bei uns noch in der englischen Partei Per- N005 sonenkult oder Dogmatismus vorherrschten« N001 Für meine Naivität gegenüber den Prozessen seien einige N002 Beispiele gegeben, wovon eines erschreckend zeigt, wie tief der N003 Stalinismus in Einzelzügen sich meiner schon bemächtigt hatte« N001 Doch zunächst ein Beispiel voller Harmlosigkeit. Wohl in dem N002 ersten größeren Prozeß waren Daviiät und Emel angeklagt. Ich kannte N003 sie nicht nur aus der Zeit vor 1933 - mit David hatte ich in der N004 •'Roten Fahne" zusammengearbeitet -, sondern hatte sie auch 1935 N005 in Moskau gesprochen. Bessonow, mit dem ich mich in seiner deut- N006 schen Zeit gut stand - Marguerite und er hatten, als er uns ein- N007 mal 1935 besuchte, de3 längeren die Qualität einer ihrer Fisoh- N008 saucen besprochen - war ebenfalls in den Prozeß verwickelt« loh N009 berichtete nun ausführlich über meine Beziehungen zu ihnen an N010 unseren zentralen Kadermann, den guten und mir so teuren Genossen N011 "Helm", bei meinem nächsten Besuch unserer zentralen Partei-Aus- N012 landsführung in Paris. Das war für mich eine problemlose Selbst- N013 verständlichkeit, die weder moralischen Mut erforderte noch N014 irgendwelche Sorgen bereitete. Ich erzählte von meinem guten N015 Verhältnis zu Bessonow und daß wir uns bei meinem "endgültigen" N016 Verlassen von Deutschland - ich reiste über Prag (am Tag des N017 Ausbruchs des spanischen Bürgerkrieges), Polen, wo ich Ursula N018 traf, und Kopenhagen nach England - verabredet hatten, uns in N019 Kopenhagen, wo sioh nach der Anklage Bessonow mit einem Sohn von N020 Trotzki getroffen hatte, zu sehen, loh ihn Jedoch nicht in dem

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Zitationshilfe: Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/283>, abgerufen am 17.06.2024.