über. Wagniß und Scandal liebt der Yankee. Sind Sie auf gut amerikanisch betrogen, so soll uns derselbe Landesgeist auch zur Re¬ vanche herhalten. Man muß überall das Mittel beim Uebel suchen.
Der Schriftsetzer fügte hinzu: Und ich gehe beim Austragen neben Ihnen her und lache für einen halben Dollar per Tag. So haben Sie schon den ersten Lacher auf Ihrer Seite.
Damit war ein heiterer Ton angeschlagen, worauf Benthal seine Tagesordnung fortsetzte. Herr Carrey, Inhaber der großen Kupfer¬ fabrik, Chatham-Straße No. 9, hat sich gelegentlich der Präsidenten¬ wahl mit einem Theil seiner Arbeiter entzweit, welche gegen ihn stimmten. Er entläßt sie und ersetzt sie durch neue. Ich notirte mir das für Sie, Herr Bertling.
Eine Stimme in thüringer Mundart antwortete: ne, ich hab's verred't. Die Kerls verdienen keinen Deutschen. Wenn mein Vor¬ spann aus Deutschland eintrifft, eröffne ich mein eignes Geschäft.
Sie warten aber schon lange auf diesen Vorspann, bemerkte der Frankfurter Gärtner; und wer sich inzwischen ein Thalerchen ver¬ diente, wie? 's wär' besser als in Finger geschnitten; nichts für ungut.
Ist's meine Schuld, fragte der Kupferschmied, daß es bei Ludlow in Brooklyn nur drei Tage dauerte? Was ein gelernter Meister ist und soll sich unter das Volk stellen -- Menschen von neunerlei Hand¬ werk, die alle Sättel reiten, kein Teufel weiß, was für einen Pro¬ fessionisten man eigentlich vor sich hat bei so Yankee, ein wahrer Rattenkönig von Handwerken, -- probiren Sie das, meine Herren: lieber Fuchsprellen, werden Sie sagen. Wie sie die Branntweinblasen hier machen, ist die Construction so, daß man die einzelnen Theile nicht auseinanderlegen und reinigen kann; nothwendig wird dabei das Product unreinen Geschmacks, und der Destilateur hat noch eine zweite Arbeit mit'm Abziehen. An so einer Blase bekam ich mein erstes Stück; da dacht' ich hollah! jetzt zeigst du den Meister, und schlage die Sache vor nach deiner Art, nämlich mit den Schwarz'schen Apparaten. Was meinen Sie daß ich Dank dafür hatte? Ausge¬ grunzt wurd' ich noch. Eingestanden, daß mein Englisch nicht fix war und meine Zeichnung nicht eben correct; was schadet's? ein Deutscher merkt doch auf und faßt, was man ihm beibringt. Aber diese lang¬
über. Wagniß und Scandal liebt der Yankee. Sind Sie auf gut amerikaniſch betrogen, ſo ſoll uns derſelbe Landesgeiſt auch zur Re¬ vanche herhalten. Man muß überall das Mittel beim Uebel ſuchen.
Der Schriftſetzer fügte hinzu: Und ich gehe beim Austragen neben Ihnen her und lache für einen halben Dollar per Tag. So haben Sie ſchon den erſten Lacher auf Ihrer Seite.
Damit war ein heiterer Ton angeſchlagen, worauf Benthal ſeine Tagesordnung fortſetzte. Herr Carrey, Inhaber der großen Kupfer¬ fabrik, Chatham-Straße No. 9, hat ſich gelegentlich der Präſidenten¬ wahl mit einem Theil ſeiner Arbeiter entzweit, welche gegen ihn ſtimmten. Er entläßt ſie und erſetzt ſie durch neue. Ich notirte mir das für Sie, Herr Bertling.
Eine Stimme in thüringer Mundart antwortete: ne, ich hab's verred't. Die Kerls verdienen keinen Deutſchen. Wenn mein Vor¬ ſpann aus Deutſchland eintrifft, eröffne ich mein eignes Geſchäft.
Sie warten aber ſchon lange auf dieſen Vorſpann, bemerkte der Frankfurter Gärtner; und wer ſich inzwiſchen ein Thalerchen ver¬ diente, wie? 's wär' beſſer als in Finger geſchnitten; nichts für ungut.
Iſt's meine Schuld, fragte der Kupferſchmied, daß es bei Ludlow in Brooklyn nur drei Tage dauerte? Was ein gelernter Meiſter iſt und ſoll ſich unter das Volk ſtellen — Menſchen von neunerlei Hand¬ werk, die alle Sättel reiten, kein Teufel weiß, was für einen Pro¬ feſſioniſten man eigentlich vor ſich hat bei ſo Yankee, ein wahrer Rattenkönig von Handwerken, — probiren Sie das, meine Herren: lieber Fuchsprellen, werden Sie ſagen. Wie ſie die Branntweinblaſen hier machen, iſt die Conſtruction ſo, daß man die einzelnen Theile nicht auseinanderlegen und reinigen kann; nothwendig wird dabei das Product unreinen Geſchmacks, und der Deſtilateur hat noch eine zweite Arbeit mit'm Abziehen. An ſo einer Blaſe bekam ich mein erſtes Stück; da dacht' ich hollah! jetzt zeigſt du den Meiſter, und ſchlage die Sache vor nach deiner Art, nämlich mit den Schwarz'ſchen Apparaten. Was meinen Sie daß ich Dank dafür hatte? Ausge¬ grunzt wurd' ich noch. Eingeſtanden, daß mein Engliſch nicht fix war und meine Zeichnung nicht eben correct; was ſchadet's? ein Deutſcher merkt doch auf und faßt, was man ihm beibringt. Aber dieſe lang¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0130"n="112"/>
über. Wagniß und Scandal liebt der Yankee. Sind Sie auf gut<lb/>
amerikaniſch betrogen, ſo ſoll uns derſelbe Landesgeiſt auch zur Re¬<lb/>
vanche herhalten. Man muß überall das Mittel beim Uebel ſuchen.</p><lb/><p>Der Schriftſetzer fügte hinzu: Und ich gehe beim Austragen neben<lb/>
Ihnen her und lache für einen halben Dollar per Tag. So haben Sie<lb/>ſchon den erſten Lacher auf Ihrer Seite.</p><lb/><p>Damit war ein heiterer Ton angeſchlagen, worauf Benthal ſeine<lb/>
Tagesordnung fortſetzte. Herr Carrey, Inhaber der großen Kupfer¬<lb/>
fabrik, Chatham-Straße No. 9, hat ſich gelegentlich der Präſidenten¬<lb/>
wahl mit einem Theil ſeiner Arbeiter entzweit, welche gegen ihn<lb/>ſtimmten. Er entläßt ſie und erſetzt ſie durch neue. Ich notirte mir<lb/>
das für Sie, Herr Bertling.</p><lb/><p>Eine Stimme in thüringer Mundart antwortete: ne, ich hab's<lb/>
verred't. Die Kerls verdienen keinen Deutſchen. Wenn mein Vor¬<lb/>ſpann aus Deutſchland eintrifft, eröffne ich mein eignes Geſchäft.</p><lb/><p>Sie warten aber ſchon lange auf dieſen Vorſpann, bemerkte der<lb/>
Frankfurter Gärtner; und wer ſich inzwiſchen ein Thalerchen ver¬<lb/>
diente, wie? 's wär' beſſer als in Finger geſchnitten; nichts für<lb/>
ungut.</p><lb/><p>Iſt's meine Schuld, fragte der Kupferſchmied, daß es bei Ludlow<lb/>
in Brooklyn nur drei Tage dauerte? Was ein gelernter Meiſter iſt<lb/>
und ſoll ſich unter das Volk ſtellen — Menſchen von neunerlei Hand¬<lb/>
werk, die alle Sättel reiten, kein Teufel weiß, was für einen Pro¬<lb/>
feſſioniſten man eigentlich vor ſich hat bei ſo Yankee, ein wahrer<lb/>
Rattenkönig von Handwerken, — probiren Sie das, meine Herren:<lb/>
lieber Fuchsprellen, werden Sie ſagen. Wie ſie die Branntweinblaſen<lb/>
hier machen, iſt die Conſtruction ſo, daß man die einzelnen Theile<lb/>
nicht auseinanderlegen und reinigen kann; nothwendig wird dabei das<lb/>
Product unreinen Geſchmacks, und der Deſtilateur hat noch eine zweite<lb/>
Arbeit mit'm Abziehen. An ſo einer Blaſe bekam ich mein erſtes<lb/>
Stück; da dacht' ich hollah! jetzt zeigſt du den Meiſter, und ſchlage<lb/>
die Sache vor nach <hirendition="#g">deiner</hi> Art, nämlich mit den Schwarz'ſchen<lb/>
Apparaten. Was meinen Sie daß ich Dank dafür hatte? Ausge¬<lb/>
grunzt wurd' ich noch. Eingeſtanden, daß mein Engliſch nicht fix war<lb/>
und meine Zeichnung nicht eben correct; was ſchadet's? ein Deutſcher<lb/>
merkt doch auf und faßt, was man ihm beibringt. Aber dieſe lang¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[112/0130]
über. Wagniß und Scandal liebt der Yankee. Sind Sie auf gut
amerikaniſch betrogen, ſo ſoll uns derſelbe Landesgeiſt auch zur Re¬
vanche herhalten. Man muß überall das Mittel beim Uebel ſuchen.
Der Schriftſetzer fügte hinzu: Und ich gehe beim Austragen neben
Ihnen her und lache für einen halben Dollar per Tag. So haben Sie
ſchon den erſten Lacher auf Ihrer Seite.
Damit war ein heiterer Ton angeſchlagen, worauf Benthal ſeine
Tagesordnung fortſetzte. Herr Carrey, Inhaber der großen Kupfer¬
fabrik, Chatham-Straße No. 9, hat ſich gelegentlich der Präſidenten¬
wahl mit einem Theil ſeiner Arbeiter entzweit, welche gegen ihn
ſtimmten. Er entläßt ſie und erſetzt ſie durch neue. Ich notirte mir
das für Sie, Herr Bertling.
Eine Stimme in thüringer Mundart antwortete: ne, ich hab's
verred't. Die Kerls verdienen keinen Deutſchen. Wenn mein Vor¬
ſpann aus Deutſchland eintrifft, eröffne ich mein eignes Geſchäft.
Sie warten aber ſchon lange auf dieſen Vorſpann, bemerkte der
Frankfurter Gärtner; und wer ſich inzwiſchen ein Thalerchen ver¬
diente, wie? 's wär' beſſer als in Finger geſchnitten; nichts für
ungut.
Iſt's meine Schuld, fragte der Kupferſchmied, daß es bei Ludlow
in Brooklyn nur drei Tage dauerte? Was ein gelernter Meiſter iſt
und ſoll ſich unter das Volk ſtellen — Menſchen von neunerlei Hand¬
werk, die alle Sättel reiten, kein Teufel weiß, was für einen Pro¬
feſſioniſten man eigentlich vor ſich hat bei ſo Yankee, ein wahrer
Rattenkönig von Handwerken, — probiren Sie das, meine Herren:
lieber Fuchsprellen, werden Sie ſagen. Wie ſie die Branntweinblaſen
hier machen, iſt die Conſtruction ſo, daß man die einzelnen Theile
nicht auseinanderlegen und reinigen kann; nothwendig wird dabei das
Product unreinen Geſchmacks, und der Deſtilateur hat noch eine zweite
Arbeit mit'm Abziehen. An ſo einer Blaſe bekam ich mein erſtes
Stück; da dacht' ich hollah! jetzt zeigſt du den Meiſter, und ſchlage
die Sache vor nach deiner Art, nämlich mit den Schwarz'ſchen
Apparaten. Was meinen Sie daß ich Dank dafür hatte? Ausge¬
grunzt wurd' ich noch. Eingeſtanden, daß mein Engliſch nicht fix war
und meine Zeichnung nicht eben correct; was ſchadet's? ein Deutſcher
merkt doch auf und faßt, was man ihm beibringt. Aber dieſe lang¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/130>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.