und Eisen der Fässer, worin der elektrische Aal transportirt wurde, wirkten als Conductoren auf ihn, und versetzten ihn in einen steten Zustand von Erschöpfung. In Geschirren aus Steingut kam er wohl¬ behalten nach England. Sind wir Menschen solche elektrische Aale? Ich bin's. Es ist etwas wider mich in der Natur, ein Feindseliges, Tragisches, das nach einem ewigen Gesetz auf mich einwirkt. Alles zeitliche Glück hilft nichts dagegen. Ich werde im Bann eines fata¬ listischen Elementes durch die Welt geschleift, das mich umbringt. Ich bin in einen falschen Raum gestellt, oder in ein falsches Jahrhundert -- was weiß ich? Nur fühlen kann ich's und in lichteren Momenten seh' ich's. Ja, ich sehe das Unglück oft vor mir, wie eine Person. In Deutschland hab' ich einen Freund, der sieht Geister, wie Stamm¬ gäste im Casino. Die Prosaischen zucken die Achseln über ihn, aber die Poetischen haben zu keiner Zeit sich auf den Sensualismus allein vereidigt. Nein, nicht unverhofft trifft mich mein Buttler! Ich habe Miragen von ihm, ich weiß, daß er kommen wird. Das ist's, was mich so traurig macht.
So schwelgte Moorfeld in den Foltern seiner Phantasie, und erschöpfte den ganzen Reichthum eines geistig-Reichen, sich unglücklich zu machen. Aus der Fülle dieser imaginären Leiden, aus dem innersten Drang dichterischer Selbstanklage entströmten ihm in dieser Periode die Verse:
Am Tage stehen meine Schmerzen, Sie stehen nächtlich um mich her; Ach, tönten sie mir recht vom Herzen, So wären sie schon nimmermehr! Doch keine Saite hält mir Spannung, Kein Boden hält mir Resonnanz, -- In grambeladner Geist-Entmannung Verwelkt mir so mein Dichterkranz!
Das Leben lebt nicht! -- wär's zu leugnen, Die letzten Funken facht' ich an, Und Wunder sollten sich ereignen, Wie Puck und Ariel gethan. Ich flog wie sie -- doch unter'm Lumen Des schlimmsten Sterns -- um's Erdenrund, Und ach, die alten Zauberblumen Sie stehn nicht mehr auf altem Grund!
und Eiſen der Fäſſer, worin der elektriſche Aal transportirt wurde, wirkten als Conductoren auf ihn, und verſetzten ihn in einen ſteten Zuſtand von Erſchöpfung. In Geſchirren aus Steingut kam er wohl¬ behalten nach England. Sind wir Menſchen ſolche elektriſche Aale? Ich bin's. Es iſt etwas wider mich in der Natur, ein Feindſeliges, Tragiſches, das nach einem ewigen Geſetz auf mich einwirkt. Alles zeitliche Glück hilft nichts dagegen. Ich werde im Bann eines fata¬ liſtiſchen Elementes durch die Welt geſchleift, das mich umbringt. Ich bin in einen falſchen Raum geſtellt, oder in ein falſches Jahrhundert — was weiß ich? Nur fühlen kann ich's und in lichteren Momenten ſeh' ich's. Ja, ich ſehe das Unglück oft vor mir, wie eine Perſon. In Deutſchland hab' ich einen Freund, der ſieht Geiſter, wie Stamm¬ gäſte im Caſino. Die Proſaiſchen zucken die Achſeln über ihn, aber die Poetiſchen haben zu keiner Zeit ſich auf den Senſualismus allein vereidigt. Nein, nicht unverhofft trifft mich mein Buttler! Ich habe Miragen von ihm, ich weiß, daß er kommen wird. Das iſt's, was mich ſo traurig macht.
So ſchwelgte Moorfeld in den Foltern ſeiner Phantaſie, und erſchöpfte den ganzen Reichthum eines geiſtig-Reichen, ſich unglücklich zu machen. Aus der Fülle dieſer imaginären Leiden, aus dem innerſten Drang dichteriſcher Selbſtanklage entſtrömten ihm in dieſer Periode die Verſe:
Am Tage ſtehen meine Schmerzen, Sie ſtehen nächtlich um mich her; Ach, tönten ſie mir recht vom Herzen, So wären ſie ſchon nimmermehr! Doch keine Saite hält mir Spannung, Kein Boden hält mir Reſonnanz, — In grambeladner Geiſt-Entmannung Verwelkt mir ſo mein Dichterkranz!
Das Leben lebt nicht! — wär's zu leugnen, Die letzten Funken facht' ich an, Und Wunder ſollten ſich ereignen, Wie Puck und Ariel gethan. Ich flog wie ſie — doch unter'm Lumen Des ſchlimmſten Sterns — um's Erdenrund, Und ach, die alten Zauberblumen Sie ſtehn nicht mehr auf altem Grund!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0390"n="372"/>
und Eiſen der Fäſſer, worin der elektriſche Aal transportirt wurde,<lb/>
wirkten als Conductoren auf ihn, und verſetzten ihn in einen ſteten<lb/>
Zuſtand von Erſchöpfung. In Geſchirren aus Steingut kam er wohl¬<lb/>
behalten nach England. Sind wir Menſchen ſolche elektriſche Aale?<lb/>
Ich bin's. Es iſt etwas wider mich in der Natur, ein Feindſeliges,<lb/>
Tragiſches, das nach einem ewigen Geſetz auf mich einwirkt. Alles<lb/>
zeitliche Glück hilft nichts dagegen. Ich werde im Bann eines fata¬<lb/>
liſtiſchen Elementes durch die Welt geſchleift, das mich umbringt. Ich<lb/>
bin in einen falſchen Raum geſtellt, oder in ein falſches Jahrhundert —<lb/>
was weiß ich? Nur fühlen kann ich's und in lichteren Momenten<lb/>ſeh' ich's. Ja, ich ſehe das Unglück oft vor mir, wie eine Perſon.<lb/>
In Deutſchland hab' ich einen Freund, der ſieht Geiſter, wie Stamm¬<lb/>
gäſte im Caſino. Die Proſaiſchen zucken die Achſeln über ihn, aber<lb/>
die Poetiſchen haben zu keiner Zeit ſich auf den Senſualismus allein<lb/>
vereidigt. Nein, nicht unverhofft trifft mich mein Buttler! Ich habe<lb/>
Miragen von ihm, ich weiß, daß er kommen wird. Das iſt's, was<lb/>
mich ſo traurig macht.</p><lb/><p>So ſchwelgte Moorfeld in den Foltern ſeiner Phantaſie, und erſchöpfte<lb/>
den ganzen Reichthum eines geiſtig-Reichen, ſich unglücklich zu machen.<lb/>
Aus der Fülle dieſer imaginären Leiden, aus dem innerſten Drang<lb/>
dichteriſcher Selbſtanklage entſtrömten ihm in dieſer Periode die Verſe:</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Am Tage ſtehen meine Schmerzen,</l><lb/><l>Sie ſtehen nächtlich um mich her;</l><lb/><l>Ach, tönten ſie mir recht vom Herzen,</l><lb/><l>So wären ſie ſchon nimmermehr!</l><lb/><l>Doch keine Saite hält mir Spannung,</l><lb/><l>Kein Boden hält mir Reſonnanz, —</l><lb/><l>In grambeladner Geiſt-Entmannung</l><lb/><l>Verwelkt mir ſo mein Dichterkranz!</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Das Leben lebt nicht! — wär's zu leugnen,</l><lb/><l>Die letzten Funken facht' ich an,</l><lb/><l>Und Wunder ſollten ſich ereignen,</l><lb/><l>Wie Puck und Ariel gethan.</l><lb/><l>Ich flog wie ſie — doch unter'm Lumen</l><lb/><l>Des ſchlimmſten Sterns — um's Erdenrund,</l><lb/><l>Und ach, die alten Zauberblumen</l><lb/><l>Sie ſtehn nicht mehr auf altem Grund!</l></lg></lg><lb/></div></div></body></text></TEI>
[372/0390]
und Eiſen der Fäſſer, worin der elektriſche Aal transportirt wurde,
wirkten als Conductoren auf ihn, und verſetzten ihn in einen ſteten
Zuſtand von Erſchöpfung. In Geſchirren aus Steingut kam er wohl¬
behalten nach England. Sind wir Menſchen ſolche elektriſche Aale?
Ich bin's. Es iſt etwas wider mich in der Natur, ein Feindſeliges,
Tragiſches, das nach einem ewigen Geſetz auf mich einwirkt. Alles
zeitliche Glück hilft nichts dagegen. Ich werde im Bann eines fata¬
liſtiſchen Elementes durch die Welt geſchleift, das mich umbringt. Ich
bin in einen falſchen Raum geſtellt, oder in ein falſches Jahrhundert —
was weiß ich? Nur fühlen kann ich's und in lichteren Momenten
ſeh' ich's. Ja, ich ſehe das Unglück oft vor mir, wie eine Perſon.
In Deutſchland hab' ich einen Freund, der ſieht Geiſter, wie Stamm¬
gäſte im Caſino. Die Proſaiſchen zucken die Achſeln über ihn, aber
die Poetiſchen haben zu keiner Zeit ſich auf den Senſualismus allein
vereidigt. Nein, nicht unverhofft trifft mich mein Buttler! Ich habe
Miragen von ihm, ich weiß, daß er kommen wird. Das iſt's, was
mich ſo traurig macht.
So ſchwelgte Moorfeld in den Foltern ſeiner Phantaſie, und erſchöpfte
den ganzen Reichthum eines geiſtig-Reichen, ſich unglücklich zu machen.
Aus der Fülle dieſer imaginären Leiden, aus dem innerſten Drang
dichteriſcher Selbſtanklage entſtrömten ihm in dieſer Periode die Verſe:
Am Tage ſtehen meine Schmerzen,
Sie ſtehen nächtlich um mich her;
Ach, tönten ſie mir recht vom Herzen,
So wären ſie ſchon nimmermehr!
Doch keine Saite hält mir Spannung,
Kein Boden hält mir Reſonnanz, —
In grambeladner Geiſt-Entmannung
Verwelkt mir ſo mein Dichterkranz!
Das Leben lebt nicht! — wär's zu leugnen,
Die letzten Funken facht' ich an,
Und Wunder ſollten ſich ereignen,
Wie Puck und Ariel gethan.
Ich flog wie ſie — doch unter'm Lumen
Des ſchlimmſten Sterns — um's Erdenrund,
Und ach, die alten Zauberblumen
Sie ſtehn nicht mehr auf altem Grund!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/390>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.