der Indianer stieß die Flasche mit Abscheu zurück. Moorfeld staunte. Seid Ihr Temperance-man? fragte er verwundert. Der Indianer griff fester an seine Axt, gleichsam als sei es gut, das was er sage, in wehrhafter Verfassung zu sagen, dann stieß er mit Ingrimm die Worte aus: Wollte Gott, nur der rothe Mann wäre es und der weißen Männer kein einziger. Was habt Ihr Mäßigkeitsvereine und führt dem rothen Mann das Evangelium nie anders als in Begleitung des Whisky-Barrels zu? Moorfeld wurde aufmerksam. Er antwortete vor Allem, daß er nicht dem Volke der Amerikaner angehöre. Die Züge des Indianers milderten sich. Moorfeld fuhr fort und lobte das tiefe Gefühl des Indianers für das Nationalunglück der rothen Race. Der Indianer, auf sein Beil gelehnt, hörte mit einer traurigen Resignation zu. Es ist nicht das, sagte er kopfschüttelnd. Es ist nicht das. Der rothe Mann muß untergehen. Ich sehe den Beschluß des Himmels ein, und ob dieser Beschluß mit Pulver oder mit Branntwein voll¬ zogen wird, kann mir gleichgiltig sein. Ich habe es öfter als einmal gesehen, Sir, wie der weiße Mann im Nanking schmunzelnd dabeistand, wenn ein Haufe halbnackter Indianer nach der Wirkung seines Brannt¬ weinfaßes sich mordgierig in die Schlachtmesser rannte; ich habe es gesehen, wie der feine Staatsmann aus Washington lächelte, wenn betrunkene Häuptlinge ihren Pfeil, ihren Waschbär, ihre Schildkröte, oder was sonst ihren Namenszug bedeutete, besinnungslos unter einen Staatsvertrag malten, der Tausende von heldenmüthigen Kriegern und Jägern in die Verbannung trieb; ich habe es gesehen, wie der Indian Trader sich die Hände rieb, wenn er die Jahresrente eines ausgekauften Indianerstamms, wie sie blank von Washington kam, im Branntweinhandel an sich riß und habe es gesehen wie für den Ge¬ nuß des Augenblicks Hunderte von armen Rothhäuten den Winter darauf verhungerten. Ich habe den Branntweinkrieg in allen Gestal¬ ten gesehen, Sir, und habe es fühllos gesehen, wie man das Un¬ vermeidliche sieht. Aber Eins habe ich nicht fühllos gesehen. Von diesem Tage an trank ich kein gebranntes Wasser mehr. Es war vor zwei Jahren. Der Congreß schickte eine Com¬ mission zur Schlichtung von Grenzstreitigkeiten an die obern Seen; ich ging im Solde einer Bibelgesellschaft mit. Der Ort der Staats¬ verhandlung war in der Nähe von Fort Howard zwischen Greenbay
der Indianer ſtieß die Flaſche mit Abſcheu zurück. Moorfeld ſtaunte. Seid Ihr Temperance-man? fragte er verwundert. Der Indianer griff feſter an ſeine Axt, gleichſam als ſei es gut, das was er ſage, in wehrhafter Verfaſſung zu ſagen, dann ſtieß er mit Ingrimm die Worte aus: Wollte Gott, nur der rothe Mann wäre es und der weißen Männer kein einziger. Was habt Ihr Mäßigkeitsvereine und führt dem rothen Mann das Evangelium nie anders als in Begleitung des Whisky-Barrels zu? Moorfeld wurde aufmerkſam. Er antwortete vor Allem, daß er nicht dem Volke der Amerikaner angehöre. Die Züge des Indianers milderten ſich. Moorfeld fuhr fort und lobte das tiefe Gefühl des Indianers für das Nationalunglück der rothen Race. Der Indianer, auf ſein Beil gelehnt, hörte mit einer traurigen Reſignation zu. Es iſt nicht das, ſagte er kopfſchüttelnd. Es iſt nicht das. Der rothe Mann muß untergehen. Ich ſehe den Beſchluß des Himmels ein, und ob dieſer Beſchluß mit Pulver oder mit Branntwein voll¬ zogen wird, kann mir gleichgiltig ſein. Ich habe es öfter als einmal geſehen, Sir, wie der weiße Mann im Nanking ſchmunzelnd dabeiſtand, wenn ein Haufe halbnackter Indianer nach der Wirkung ſeines Brannt¬ weinfaßes ſich mordgierig in die Schlachtmeſſer rannte; ich habe es geſehen, wie der feine Staatsmann aus Waſhington lächelte, wenn betrunkene Häuptlinge ihren Pfeil, ihren Waſchbär, ihre Schildkröte, oder was ſonſt ihren Namenszug bedeutete, beſinnungslos unter einen Staatsvertrag malten, der Tauſende von heldenmüthigen Kriegern und Jägern in die Verbannung trieb; ich habe es geſehen, wie der Indian Trader ſich die Hände rieb, wenn er die Jahresrente eines ausgekauften Indianerſtamms, wie ſie blank von Waſhington kam, im Branntweinhandel an ſich riß und habe es geſehen wie für den Ge¬ nuß des Augenblicks Hunderte von armen Rothhäuten den Winter darauf verhungerten. Ich habe den Branntweinkrieg in allen Geſtal¬ ten geſehen, Sir, und habe es fühllos geſehen, wie man das Un¬ vermeidliche ſieht. Aber Eins habe ich nicht fühllos geſehen. Von dieſem Tage an trank ich kein gebranntes Waſſer mehr. Es war vor zwei Jahren. Der Congreß ſchickte eine Com¬ miſſion zur Schlichtung von Grenzſtreitigkeiten an die obern Seen; ich ging im Solde einer Bibelgeſellſchaft mit. Der Ort der Staats¬ verhandlung war in der Nähe von Fort Howard zwiſchen Greenbay
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der Indianer ſtieß die Flaſche mit Abſcheu zurück. Moorfeld ſtaunte.
Seid Ihr Temperance-man? fragte er verwundert. Der Indianer
griff feſter an ſeine Axt, gleichſam als ſei es gut, das was er ſage,
in wehrhafter Verfaſſung zu ſagen, dann ſtieß er mit Ingrimm die
Worte aus: Wollte Gott, nur der rothe Mann wäre es und der weißen
Männer kein einziger. Was habt Ihr Mäßigkeitsvereine und führt
dem rothen Mann das Evangelium nie anders als in Begleitung des
Whisky-Barrels zu? Moorfeld wurde aufmerkſam. Er antwortete vor
Allem, daß er nicht dem Volke der Amerikaner angehöre. Die Züge
des Indianers milderten ſich. Moorfeld fuhr fort und lobte das tiefe
Gefühl des Indianers für das Nationalunglück der rothen Race. Der
Indianer, auf ſein Beil gelehnt, hörte mit einer traurigen Reſignation
zu. Es iſt nicht das, ſagte er kopfſchüttelnd. Es iſt nicht das. Der
rothe Mann muß untergehen. Ich ſehe den Beſchluß des Himmels
ein, und ob dieſer Beſchluß mit Pulver oder mit Branntwein voll¬
zogen wird, kann mir gleichgiltig ſein. Ich habe es öfter als einmal
geſehen, Sir, wie der weiße Mann im Nanking ſchmunzelnd dabeiſtand,
wenn ein Haufe halbnackter Indianer nach der Wirkung ſeines Brannt¬
weinfaßes ſich mordgierig in die Schlachtmeſſer rannte; ich habe
es geſehen, wie der feine Staatsmann aus Waſhington lächelte, wenn
betrunkene Häuptlinge ihren Pfeil, ihren Waſchbär, ihre Schildkröte,
oder was ſonſt ihren Namenszug bedeutete, beſinnungslos unter einen
Staatsvertrag malten, der Tauſende von heldenmüthigen Kriegern
und Jägern in die Verbannung trieb; ich habe es geſehen, wie der
Indian Trader ſich die Hände rieb, wenn er die Jahresrente eines
ausgekauften Indianerſtamms, wie ſie blank von Waſhington kam, im
Branntweinhandel an ſich riß und habe es geſehen wie für den Ge¬
nuß des Augenblicks Hunderte von armen Rothhäuten den Winter
darauf verhungerten. Ich habe den Branntweinkrieg in allen Geſtal¬
ten geſehen, Sir, und habe es fühllos geſehen, wie man das Un¬
vermeidliche ſieht. Aber Eins habe ich nicht fühllos geſehen.
Von dieſem Tage an trank ich kein gebranntes Waſſer mehr.
Es war vor zwei Jahren. Der Congreß ſchickte eine Com¬
miſſion zur Schlichtung von Grenzſtreitigkeiten an die obern Seen;
ich ging im Solde einer Bibelgeſellſchaft mit. Der Ort der Staats¬
verhandlung war in der Nähe von Fort Howard zwiſchen Greenbay
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/422>, abgerufen am 24.11.2024.
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