Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

antwortete: Sie sind ein Kenner der Kunst, wie ich höre; wie gefällt
Ihnen dieses Portrait hier, Herr Doctor? -- Es ist mit festen Stri¬
chen und lebhaften Farben ausgeführt -- war das Urtheil des Befragten.
O, es ist ein vortreffliches Werk, rief Herr Staunton, zehn Dollars
kostet es! -- Moorfeld sagte, dieser Preis scheine ihm zwar nicht ohne
Verhältniß zu dem Gegenstande, aber ohne alles Verhältniß zu denen
in Europa. Er nannte hierauf die letzteren. Ich weiß, ich weiß!
rief Herr Staunton mit einiger Ungeduld; aber bedenken Sie, daß
man mich für einen Verschwender hält, überhaupt ein einzelnes Bild,
als solches, zu bezahlen. Man baut oder miethet hier sein Haus, über¬
gibt es dem Tapezierer im Accord zur Ausschmückung, und dessen
Sache ist es dann, einige Goldrahmen mit den betreffenden Malereien
anzubringen. Das ist die Sitte hier, kein Mensch hält es anders. --
Kein Mensch! rief Moorfeld fast erschrocken und drang in den Spre¬
cher, ob er diese Redemsart wörtlich zu nehmen habe, oder unter gün¬
stigen Beschränkungen. Das Mienenspiel des Amerikaners zeigte einen
deutlichen Kampf zwischen zwei einander widersprechenden Gefühlen;
er schien einen geheimen Aerger zu empfinden gegen das, was er zu
antworten hatte, und doch fiel es ihm schwer, etwas, das Personen
außer ihm für auszeichnend hielten, von seinem Vaterlande zu ver¬
schweigen. Zuletzt siegte sein Nationalstolz und er fing an, die Pri¬
vat-Gallerie eines Mr. Bennet auf der Battery im Lapidar-Styl zu
erheben. Nach dieser Anstrengung erholte er sich aber durch die Be¬
merkung, daß ihm übrigens auch die gepriesene Kunst der Deutschen
einigen Zweifel erregt habe, seit er z. B. von allen Seiten hören
müsse, wie viele Bilder nur ein einziger Herr Düsseldorf gegenwärtig
durch die Welt verbreite. Unmöglich könne ein Mann, der so viel
hervorbringe, anders malen, als es die amerikanische Tapezierer eben
auch zu besorgen wüßten, wenn er nicht an Wunder glauben solle.
Es scheine die Fingerfertigkeit dieses heutigen Modekünstlers dem Ruf
der deutschen Solidität nicht zu entsprechen, dagegen rechne sich's ganz
Amerika zur Ehre, daß der große Alston in Boston, der erste Künst¬
ler seiner Zeit, schon zehn Jahre an einem historischen Tableau male,
und es noch nicht fertig habe. Moorfeld antwortete, nach dem Geiste
der Extreme, dessen Ruf diesem Lande vorausgehe, und der auf den
ersten Blick sich bestätige, würde er sich nicht wundern, wenn Herr Alston

antwortete: Sie ſind ein Kenner der Kunſt, wie ich höre; wie gefällt
Ihnen dieſes Portrait hier, Herr Doctor? — Es iſt mit feſten Stri¬
chen und lebhaften Farben ausgeführt — war das Urtheil des Befragten.
O, es iſt ein vortreffliches Werk, rief Herr Staunton, zehn Dollars
koſtet es! — Moorfeld ſagte, dieſer Preis ſcheine ihm zwar nicht ohne
Verhältniß zu dem Gegenſtande, aber ohne alles Verhältniß zu denen
in Europa. Er nannte hierauf die letzteren. Ich weiß, ich weiß!
rief Herr Staunton mit einiger Ungeduld; aber bedenken Sie, daß
man mich für einen Verſchwender hält, überhaupt ein einzelnes Bild,
als ſolches, zu bezahlen. Man baut oder miethet hier ſein Haus, über¬
gibt es dem Tapezierer im Accord zur Ausſchmückung, und deſſen
Sache iſt es dann, einige Goldrahmen mit den betreffenden Malereien
anzubringen. Das iſt die Sitte hier, kein Menſch hält es anders. —
Kein Menſch! rief Moorfeld faſt erſchrocken und drang in den Spre¬
cher, ob er dieſe Redemsart wörtlich zu nehmen habe, oder unter gün¬
ſtigen Beſchränkungen. Das Mienenſpiel des Amerikaners zeigte einen
deutlichen Kampf zwiſchen zwei einander widerſprechenden Gefühlen;
er ſchien einen geheimen Aerger zu empfinden gegen das, was er zu
antworten hatte, und doch fiel es ihm ſchwer, etwas, das Perſonen
außer ihm für auszeichnend hielten, von ſeinem Vaterlande zu ver¬
ſchweigen. Zuletzt ſiegte ſein Nationalſtolz und er fing an, die Pri¬
vat-Gallerie eines Mr. Bennet auf der Battery im Lapidar-Styl zu
erheben. Nach dieſer Anſtrengung erholte er ſich aber durch die Be¬
merkung, daß ihm übrigens auch die geprieſene Kunſt der Deutſchen
einigen Zweifel erregt habe, ſeit er z. B. von allen Seiten hören
müſſe, wie viele Bilder nur ein einziger Herr Düſſeldorf gegenwärtig
durch die Welt verbreite. Unmöglich könne ein Mann, der ſo viel
hervorbringe, anders malen, als es die amerikaniſche Tapezierer eben
auch zu beſorgen wüßten, wenn er nicht an Wunder glauben ſolle.
Es ſcheine die Fingerfertigkeit dieſes heutigen Modekünſtlers dem Ruf
der deutſchen Solidität nicht zu entſprechen, dagegen rechne ſich's ganz
Amerika zur Ehre, daß der große Alston in Boſton, der erſte Künſt¬
ler ſeiner Zeit, ſchon zehn Jahre an einem hiſtoriſchen Tableau male,
und es noch nicht fertig habe. Moorfeld antwortete, nach dem Geiſte
der Extreme, deſſen Ruf dieſem Lande vorausgehe, und der auf den
erſten Blick ſich beſtätige, würde er ſich nicht wundern, wenn Herr Alston

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0045" n="27"/>
antwortete: Sie &#x017F;ind ein Kenner der Kun&#x017F;t, wie ich höre; wie gefällt<lb/>
Ihnen die&#x017F;es Portrait hier, Herr Doctor? &#x2014; Es i&#x017F;t mit fe&#x017F;ten Stri¬<lb/>
chen und lebhaften Farben ausgeführt &#x2014; war das Urtheil des Befragten.<lb/>
O, es i&#x017F;t ein vortreffliches Werk, rief Herr Staunton, zehn Dollars<lb/>
ko&#x017F;tet es! &#x2014; Moorfeld &#x017F;agte, die&#x017F;er Preis &#x017F;cheine ihm zwar nicht ohne<lb/>
Verhältniß zu dem Gegen&#x017F;tande, aber ohne alles Verhältniß zu denen<lb/>
in Europa. Er nannte hierauf die letzteren. Ich weiß, ich weiß!<lb/>
rief Herr Staunton mit einiger Ungeduld; aber bedenken Sie, daß<lb/>
man mich für einen Ver&#x017F;chwender hält, überhaupt ein einzelnes Bild,<lb/>
als &#x017F;olches, zu bezahlen. Man baut oder miethet hier &#x017F;ein Haus, über¬<lb/>
gibt es dem Tapezierer im Accord zur Aus&#x017F;chmückung, und de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sache i&#x017F;t es dann, einige Goldrahmen mit den betreffenden Malereien<lb/>
anzubringen. Das i&#x017F;t die Sitte hier, kein Men&#x017F;ch hält es anders. &#x2014;<lb/>
Kein Men&#x017F;ch! rief Moorfeld fa&#x017F;t er&#x017F;chrocken und drang in den Spre¬<lb/>
cher, ob er die&#x017F;e Redemsart wörtlich zu nehmen habe, oder unter gün¬<lb/>
&#x017F;tigen Be&#x017F;chränkungen. Das Mienen&#x017F;piel des Amerikaners zeigte einen<lb/>
deutlichen Kampf zwi&#x017F;chen zwei einander wider&#x017F;prechenden Gefühlen;<lb/>
er &#x017F;chien einen geheimen Aerger zu empfinden gegen das, was er zu<lb/>
antworten hatte, und doch fiel es ihm &#x017F;chwer, etwas, das Per&#x017F;onen<lb/>
außer ihm für auszeichnend hielten, von &#x017F;einem Vaterlande zu ver¬<lb/>
&#x017F;chweigen. Zuletzt &#x017F;iegte &#x017F;ein National&#x017F;tolz und er fing an, die Pri¬<lb/>
vat-Gallerie eines Mr. Bennet auf der Battery im Lapidar-Styl zu<lb/>
erheben. Nach die&#x017F;er An&#x017F;trengung erholte er &#x017F;ich aber durch die Be¬<lb/>
merkung, daß ihm übrigens auch die geprie&#x017F;ene Kun&#x017F;t der Deut&#x017F;chen<lb/>
einigen Zweifel erregt habe, &#x017F;eit er z. B. von allen Seiten hören<lb/>&#x017F;&#x017F;e, wie viele Bilder nur ein einziger Herr Dü&#x017F;&#x017F;eldorf gegenwärtig<lb/>
durch die Welt verbreite. Unmöglich könne ein Mann, der &#x017F;o viel<lb/>
hervorbringe, anders malen, als es die amerikani&#x017F;che Tapezierer eben<lb/>
auch zu be&#x017F;orgen wüßten, wenn er nicht an Wunder glauben &#x017F;olle.<lb/>
Es &#x017F;cheine die Fingerfertigkeit die&#x017F;es heutigen Modekün&#x017F;tlers dem Ruf<lb/>
der deut&#x017F;chen Solidität nicht zu ent&#x017F;prechen, dagegen rechne &#x017F;ich's ganz<lb/>
Amerika zur Ehre, daß der große Alston in Bo&#x017F;ton, der er&#x017F;te Kün&#x017F;<lb/>
ler &#x017F;einer Zeit, &#x017F;chon zehn Jahre an einem hi&#x017F;tori&#x017F;chen Tableau male,<lb/>
und es noch nicht fertig habe. Moorfeld antwortete, nach dem Gei&#x017F;te<lb/>
der Extreme, de&#x017F;&#x017F;en Ruf die&#x017F;em Lande vorausgehe, und der auf den<lb/>
er&#x017F;ten Blick &#x017F;ich be&#x017F;tätige, würde er &#x017F;ich nicht wundern, wenn Herr Alston<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0045] antwortete: Sie ſind ein Kenner der Kunſt, wie ich höre; wie gefällt Ihnen dieſes Portrait hier, Herr Doctor? — Es iſt mit feſten Stri¬ chen und lebhaften Farben ausgeführt — war das Urtheil des Befragten. O, es iſt ein vortreffliches Werk, rief Herr Staunton, zehn Dollars koſtet es! — Moorfeld ſagte, dieſer Preis ſcheine ihm zwar nicht ohne Verhältniß zu dem Gegenſtande, aber ohne alles Verhältniß zu denen in Europa. Er nannte hierauf die letzteren. Ich weiß, ich weiß! rief Herr Staunton mit einiger Ungeduld; aber bedenken Sie, daß man mich für einen Verſchwender hält, überhaupt ein einzelnes Bild, als ſolches, zu bezahlen. Man baut oder miethet hier ſein Haus, über¬ gibt es dem Tapezierer im Accord zur Ausſchmückung, und deſſen Sache iſt es dann, einige Goldrahmen mit den betreffenden Malereien anzubringen. Das iſt die Sitte hier, kein Menſch hält es anders. — Kein Menſch! rief Moorfeld faſt erſchrocken und drang in den Spre¬ cher, ob er dieſe Redemsart wörtlich zu nehmen habe, oder unter gün¬ ſtigen Beſchränkungen. Das Mienenſpiel des Amerikaners zeigte einen deutlichen Kampf zwiſchen zwei einander widerſprechenden Gefühlen; er ſchien einen geheimen Aerger zu empfinden gegen das, was er zu antworten hatte, und doch fiel es ihm ſchwer, etwas, das Perſonen außer ihm für auszeichnend hielten, von ſeinem Vaterlande zu ver¬ ſchweigen. Zuletzt ſiegte ſein Nationalſtolz und er fing an, die Pri¬ vat-Gallerie eines Mr. Bennet auf der Battery im Lapidar-Styl zu erheben. Nach dieſer Anſtrengung erholte er ſich aber durch die Be¬ merkung, daß ihm übrigens auch die geprieſene Kunſt der Deutſchen einigen Zweifel erregt habe, ſeit er z. B. von allen Seiten hören müſſe, wie viele Bilder nur ein einziger Herr Düſſeldorf gegenwärtig durch die Welt verbreite. Unmöglich könne ein Mann, der ſo viel hervorbringe, anders malen, als es die amerikaniſche Tapezierer eben auch zu beſorgen wüßten, wenn er nicht an Wunder glauben ſolle. Es ſcheine die Fingerfertigkeit dieſes heutigen Modekünſtlers dem Ruf der deutſchen Solidität nicht zu entſprechen, dagegen rechne ſich's ganz Amerika zur Ehre, daß der große Alston in Boſton, der erſte Künſt¬ ler ſeiner Zeit, ſchon zehn Jahre an einem hiſtoriſchen Tableau male, und es noch nicht fertig habe. Moorfeld antwortete, nach dem Geiſte der Extreme, deſſen Ruf dieſem Lande vorausgehe, und der auf den erſten Blick ſich beſtätige, würde er ſich nicht wundern, wenn Herr Alston

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/45
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/45>, abgerufen am 21.11.2024.