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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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wahrscheinlich wolle er "den Schwarm" nicht nach sich ziehen. Der
Herr sei gar kurz und propre mit den Leuten.

Indeß das Mädchen noch redete, that sich die Thüre auf, und
Moorfeld, der sie fortwährend im Auge behalten, glaubte schon an der
Art, wie sie in der Angel geschwungen wurde, etwas erwarten zu
dürfen. Allerdings war's eine ungewöhnlichere Erscheinung, die da ein¬
trat, aber Benthal war's nicht. Es waren drei bis vier junge Ameri¬
kaner von auffallendem Aeußern, Bursche jenes eleganteren Rowdy-
und Loafer-Schlags, wie sie Moorfeld als Dandies on short allow¬
ance etwa auf Bennet's Rout gesehen. Die Schwengel traten mit
einer unerträglichen Parodie des Anstandes in die überraschte Gast¬
stube, warfen stolz und wichtig ihre Augen umher, und schritten, in¬
dem sie sich im Gehen gegen einander verweilten, im nachlässigsten
Promenirschritt nach dem Schenktisch hinab. Der deutsche Kaiser
erblaßte bei ihrem Anblicke und murmelte zitternd: Gott, da sind sie
schon wieder! Die anwesenden Gäste wendeten sämmtlich ihre Köpfe
nach ihnen.

Aus dem Cötus trat ein Sprecher vor, ein Mensch, der unmittel¬
bar die Lust erregte, ihn zu ohrfeigen. Es war ein Bürschchen mit
einem merkwürdig mädchenhaften Gesichte, wenn anders ein schmales,
knöchernes Köpfchen, von zerbrechlicher, nicht zarter Form, und einem
Ausdruck von Fadheit, der auf die Speicheldrüsen wirkte, mädchenhaft
genannt werden dürfte. Er knickte auf ein paar Beinchen einher, die
eher gemacht schienen, eine Strickmasche aufzufassen, als einen mensch¬
lichen Leib zu tragen; bei seinem Anblicke mußte sich Jedermann sa¬
gen, dieses Insect würde, allein, vor einem Hasen davonlaufen. Hier
aber spreitzte er sich in dem feigen Bewußtsein einer Genossenschaft,
welche ihrerseits wieder mit einem Ausdruck von Hochachtung auf ihn
blickte, wie sie etwa einem Muttersöhnchen zu Theil wird, das im
sechzehnten Jahr eine halbe Million durchgebracht, und vielleicht Mit¬
tel, wenn auch nicht Nerven genug hat, noch eine zweite durchzu¬
bringen.

Der deutsche Kaiser zupfte Moorfeld am Rockärmel und flüsterte
flehentlich: Bleiben Sie hier! bleiben Sie hier! Verwundert fragte
Moorfeld: Haben Sie zu fürchten von diesen Laffen? und ist doch
die halbe Stube voll Leuten? -- Ach Gott, Sie tragen einen Schnurr¬

wahrſcheinlich wolle er „den Schwarm“ nicht nach ſich ziehen. Der
Herr ſei gar kurz und propre mit den Leuten.

Indeß das Mädchen noch redete, that ſich die Thüre auf, und
Moorfeld, der ſie fortwährend im Auge behalten, glaubte ſchon an der
Art, wie ſie in der Angel geſchwungen wurde, etwas erwarten zu
dürfen. Allerdings war's eine ungewöhnlichere Erſcheinung, die da ein¬
trat, aber Benthal war's nicht. Es waren drei bis vier junge Ameri¬
kaner von auffallendem Aeußern, Burſche jenes eleganteren Rowdy-
und Loafer-Schlags, wie ſie Moorfeld als Dandies on short allow¬
ance etwa auf Bennet's Rout geſehen. Die Schwengel traten mit
einer unerträglichen Parodie des Anſtandes in die überraſchte Gaſt¬
ſtube, warfen ſtolz und wichtig ihre Augen umher, und ſchritten, in¬
dem ſie ſich im Gehen gegen einander verweilten, im nachläſſigſten
Promenirſchritt nach dem Schenktiſch hinab. Der deutſche Kaiſer
erblaßte bei ihrem Anblicke und murmelte zitternd: Gott, da ſind ſie
ſchon wieder! Die anweſenden Gäſte wendeten ſämmtlich ihre Köpfe
nach ihnen.

Aus dem Cötus trat ein Sprecher vor, ein Menſch, der unmittel¬
bar die Luſt erregte, ihn zu ohrfeigen. Es war ein Bürſchchen mit
einem merkwürdig mädchenhaften Geſichte, wenn anders ein ſchmales,
knöchernes Köpfchen, von zerbrechlicher, nicht zarter Form, und einem
Ausdruck von Fadheit, der auf die Speicheldrüſen wirkte, mädchenhaft
genannt werden dürfte. Er knickte auf ein paar Beinchen einher, die
eher gemacht ſchienen, eine Strickmaſche aufzufaſſen, als einen menſch¬
lichen Leib zu tragen; bei ſeinem Anblicke mußte ſich Jedermann ſa¬
gen, dieſes Inſect würde, allein, vor einem Haſen davonlaufen. Hier
aber ſpreitzte er ſich in dem feigen Bewußtſein einer Genoſſenſchaft,
welche ihrerſeits wieder mit einem Ausdruck von Hochachtung auf ihn
blickte, wie ſie etwa einem Mutterſöhnchen zu Theil wird, das im
ſechzehnten Jahr eine halbe Million durchgebracht, und vielleicht Mit¬
tel, wenn auch nicht Nerven genug hat, noch eine zweite durchzu¬
bringen.

Der deutſche Kaiſer zupfte Moorfeld am Rockärmel und flüſterte
flehentlich: Bleiben Sie hier! bleiben Sie hier! Verwundert fragte
Moorfeld: Haben Sie zu fürchten von dieſen Laffen? und iſt doch
die halbe Stube voll Leuten? — Ach Gott, Sie tragen einen Schnurr¬

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[451/0469] wahrſcheinlich wolle er „den Schwarm“ nicht nach ſich ziehen. Der Herr ſei gar kurz und propre mit den Leuten. Indeß das Mädchen noch redete, that ſich die Thüre auf, und Moorfeld, der ſie fortwährend im Auge behalten, glaubte ſchon an der Art, wie ſie in der Angel geſchwungen wurde, etwas erwarten zu dürfen. Allerdings war's eine ungewöhnlichere Erſcheinung, die da ein¬ trat, aber Benthal war's nicht. Es waren drei bis vier junge Ameri¬ kaner von auffallendem Aeußern, Burſche jenes eleganteren Rowdy- und Loafer-Schlags, wie ſie Moorfeld als Dandies on short allow¬ ance etwa auf Bennet's Rout geſehen. Die Schwengel traten mit einer unerträglichen Parodie des Anſtandes in die überraſchte Gaſt¬ ſtube, warfen ſtolz und wichtig ihre Augen umher, und ſchritten, in¬ dem ſie ſich im Gehen gegen einander verweilten, im nachläſſigſten Promenirſchritt nach dem Schenktiſch hinab. Der deutſche Kaiſer erblaßte bei ihrem Anblicke und murmelte zitternd: Gott, da ſind ſie ſchon wieder! Die anweſenden Gäſte wendeten ſämmtlich ihre Köpfe nach ihnen. Aus dem Cötus trat ein Sprecher vor, ein Menſch, der unmittel¬ bar die Luſt erregte, ihn zu ohrfeigen. Es war ein Bürſchchen mit einem merkwürdig mädchenhaften Geſichte, wenn anders ein ſchmales, knöchernes Köpfchen, von zerbrechlicher, nicht zarter Form, und einem Ausdruck von Fadheit, der auf die Speicheldrüſen wirkte, mädchenhaft genannt werden dürfte. Er knickte auf ein paar Beinchen einher, die eher gemacht ſchienen, eine Strickmaſche aufzufaſſen, als einen menſch¬ lichen Leib zu tragen; bei ſeinem Anblicke mußte ſich Jedermann ſa¬ gen, dieſes Inſect würde, allein, vor einem Haſen davonlaufen. Hier aber ſpreitzte er ſich in dem feigen Bewußtſein einer Genoſſenſchaft, welche ihrerſeits wieder mit einem Ausdruck von Hochachtung auf ihn blickte, wie ſie etwa einem Mutterſöhnchen zu Theil wird, das im ſechzehnten Jahr eine halbe Million durchgebracht, und vielleicht Mit¬ tel, wenn auch nicht Nerven genug hat, noch eine zweite durchzu¬ bringen. Der deutſche Kaiſer zupfte Moorfeld am Rockärmel und flüſterte flehentlich: Bleiben Sie hier! bleiben Sie hier! Verwundert fragte Moorfeld: Haben Sie zu fürchten von dieſen Laffen? und iſt doch die halbe Stube voll Leuten? — Ach Gott, Sie tragen einen Schnurr¬

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/469>, abgerufen am 22.11.2024.