nerin, eine reine Native, sie will vorwärts! Moorfeld versagte dieser Mittheilung seinen Beifall nicht und fügte hinzu, er zweifle nicht, daß die Ehre Europa's und Amerika's in allen Punkten einander verstehen würden. Herrn Staunton's Abfälligkeit gegen das erstere nöthigte ihm die gelinde Rüge ab. Die Gesellschaft setzte sich zu Tische.
Der junge Fremde glaubte noch immer einen beleidigten Zug in Sarah's Mienen zu finden, und nahm sich die Mühe, denselben zu ban¬ nen. Er erwies dem Mädchen alle Aufmerksamkeit, sowohl die sie fordern konnte, als die ein junger geistreicher Mann freiwillig gegen ihr Geschlecht verschenkt. Er war aber nicht glücklich. Das Gefühl der Kränkung lag wie ein interessanter Thau auf dieser abgeblühten Blume und kein Sonnenpfeil Apollo's war im Stande ihn hinwegzu¬ glühen. Er gerieth endlich auf den Gedanken, daß dieser Thau -- gemalt sei und gab seine wohlmeinende Bemühungen auf, eh' er der Versuchung erlag, in eine feine Satyre umzuschlagen und der unbe¬ scheidenen Spröden für das fingirte Weh ein kleines ächtes Thränchen abzupeinigen.
Bis hieher hatte Moorfeld dem Tische noch keine Aufmerksamkeit geschenkt, deßungeachtet wandte er sich jetzt an die Hausfrau und machte ihr ein Compliment darüber. Als er sah, daß die Phrase eindruck¬ los abprallte, schrieb er es seiner Aussprache zu und wiederholte eine der schönsten englischen Artigkeiten mit der correctesten Deutlichkeit. Der Eindruck erfolgte nun zwar, er war aber womöglich entgegenge¬ setzt. Die geschmeichelte Hausfrau sah in diesem Augenblicke fast so beleidigt aus, wie ihre Tochter Sarah: sie blickte kalt und stolz nieder, und warf irgend ein Wort hin, das Moorfeld seinerseits nicht verstand. Herr Staunton legte sich in's Mittel, indem er halb gegen seine Frau, halb gegen Moorfeld gewendet, ersterer auseinandersetzte, der sehr verehrte Gast habe eine dankenswerthe Meinung geäußert, welche blos in der Voraussetzung irrig sei, daß eine amerikanische Lady sich in der Küche beschäftige. Unsere freie und aufgeklärte Nation, fuhr er fort, findet einen ihrer schönsten Vorzüge vor den übrigen Völkern der Erde in dem Bewußtsein, den Frauen eine Stellung eingeräumt zu haben, welche diesen zarten Blumen der Menschheit allein als die natürliche und berechtigte zukommt. Kein amerikanischer Bürger, der sich nicht auf der Höhe, sondern nur auf dem Niveau der öffentlichen Meinung
nerin, eine reine Native, ſie will vorwärts! Moorfeld verſagte dieſer Mittheilung ſeinen Beifall nicht und fügte hinzu, er zweifle nicht, daß die Ehre Europa's und Amerika's in allen Punkten einander verſtehen würden. Herrn Staunton's Abfälligkeit gegen das erſtere nöthigte ihm die gelinde Rüge ab. Die Geſellſchaft ſetzte ſich zu Tiſche.
Der junge Fremde glaubte noch immer einen beleidigten Zug in Sarah's Mienen zu finden, und nahm ſich die Mühe, denſelben zu ban¬ nen. Er erwies dem Mädchen alle Aufmerkſamkeit, ſowohl die ſie fordern konnte, als die ein junger geiſtreicher Mann freiwillig gegen ihr Geſchlecht verſchenkt. Er war aber nicht glücklich. Das Gefühl der Kränkung lag wie ein intereſſanter Thau auf dieſer abgeblühten Blume und kein Sonnenpfeil Apollo's war im Stande ihn hinwegzu¬ glühen. Er gerieth endlich auf den Gedanken, daß dieſer Thau — gemalt ſei und gab ſeine wohlmeinende Bemühungen auf, eh' er der Verſuchung erlag, in eine feine Satyre umzuſchlagen und der unbe¬ ſcheidenen Spröden für das fingirte Weh ein kleines ächtes Thränchen abzupeinigen.
Bis hieher hatte Moorfeld dem Tiſche noch keine Aufmerkſamkeit geſchenkt, deßungeachtet wandte er ſich jetzt an die Hausfrau und machte ihr ein Compliment darüber. Als er ſah, daß die Phraſe eindruck¬ los abprallte, ſchrieb er es ſeiner Ausſprache zu und wiederholte eine der ſchönſten engliſchen Artigkeiten mit der correcteſten Deutlichkeit. Der Eindruck erfolgte nun zwar, er war aber womöglich entgegenge¬ ſetzt. Die geſchmeichelte Hausfrau ſah in dieſem Augenblicke faſt ſo beleidigt aus, wie ihre Tochter Sarah: ſie blickte kalt und ſtolz nieder, und warf irgend ein Wort hin, das Moorfeld ſeinerſeits nicht verſtand. Herr Staunton legte ſich in's Mittel, indem er halb gegen ſeine Frau, halb gegen Moorfeld gewendet, erſterer auseinanderſetzte, der ſehr verehrte Gaſt habe eine dankenswerthe Meinung geäußert, welche blos in der Vorausſetzung irrig ſei, daß eine amerikaniſche Lady ſich in der Küche beſchäftige. Unſere freie und aufgeklärte Nation, fuhr er fort, findet einen ihrer ſchönſten Vorzüge vor den übrigen Völkern der Erde in dem Bewußtſein, den Frauen eine Stellung eingeräumt zu haben, welche dieſen zarten Blumen der Menſchheit allein als die natürliche und berechtigte zukommt. Kein amerikaniſcher Bürger, der ſich nicht auf der Höhe, ſondern nur auf dem Niveau der öffentlichen Meinung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0048"n="30"/>
nerin, eine reine Native, ſie will vorwärts! Moorfeld verſagte dieſer<lb/>
Mittheilung ſeinen Beifall nicht und fügte hinzu, er zweifle nicht, daß<lb/>
die Ehre Europa's und Amerika's in allen Punkten einander verſtehen<lb/>
würden. Herrn Staunton's Abfälligkeit gegen das erſtere nöthigte<lb/>
ihm die gelinde Rüge ab. Die Geſellſchaft ſetzte ſich zu Tiſche.</p><lb/><p>Der junge Fremde glaubte noch immer einen beleidigten Zug in<lb/>
Sarah's Mienen zu finden, und nahm ſich die Mühe, denſelben zu ban¬<lb/>
nen. Er erwies dem Mädchen alle Aufmerkſamkeit, ſowohl die ſie<lb/>
fordern konnte, als die ein junger geiſtreicher Mann freiwillig gegen<lb/>
ihr Geſchlecht verſchenkt. Er war aber nicht glücklich. Das Gefühl<lb/>
der Kränkung lag wie ein intereſſanter Thau auf dieſer abgeblühten<lb/>
Blume und kein Sonnenpfeil Apollo's war im Stande ihn hinwegzu¬<lb/>
glühen. Er gerieth endlich auf den Gedanken, daß dieſer Thau —<lb/>
gemalt ſei und gab ſeine wohlmeinende Bemühungen auf, eh' er der<lb/>
Verſuchung erlag, in eine feine Satyre umzuſchlagen und der unbe¬<lb/>ſcheidenen Spröden für das fingirte Weh ein kleines ächtes Thränchen<lb/>
abzupeinigen.</p><lb/><p>Bis hieher hatte Moorfeld dem Tiſche noch keine Aufmerkſamkeit<lb/>
geſchenkt, deßungeachtet wandte er ſich jetzt an die Hausfrau und machte<lb/>
ihr ein Compliment darüber. Als er ſah, daß die Phraſe eindruck¬<lb/>
los abprallte, ſchrieb er es ſeiner Ausſprache zu und wiederholte eine<lb/>
der ſchönſten engliſchen Artigkeiten mit der correcteſten Deutlichkeit.<lb/>
Der Eindruck erfolgte nun zwar, er war aber womöglich entgegenge¬<lb/>ſetzt. Die geſchmeichelte Hausfrau ſah in dieſem Augenblicke faſt ſo<lb/>
beleidigt aus, wie ihre Tochter Sarah: ſie blickte kalt und ſtolz nieder,<lb/>
und warf irgend ein Wort hin, das Moorfeld ſeinerſeits nicht verſtand.<lb/>
Herr Staunton legte ſich in's Mittel, indem er halb gegen ſeine Frau,<lb/>
halb gegen Moorfeld gewendet, erſterer auseinanderſetzte, der ſehr<lb/>
verehrte Gaſt habe eine dankenswerthe Meinung geäußert, welche blos<lb/>
in der Vorausſetzung irrig ſei, daß eine amerikaniſche Lady ſich in der<lb/>
Küche beſchäftige. Unſere freie und aufgeklärte Nation, fuhr er fort,<lb/>
findet einen ihrer ſchönſten Vorzüge vor den übrigen Völkern der Erde<lb/>
in dem Bewußtſein, den Frauen eine Stellung eingeräumt zu haben,<lb/>
welche dieſen zarten Blumen der Menſchheit allein als die natürliche<lb/>
und berechtigte zukommt. Kein amerikaniſcher Bürger, der ſich nicht auf<lb/>
der Höhe, ſondern nur auf dem Niveau der öffentlichen Meinung<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[30/0048]
nerin, eine reine Native, ſie will vorwärts! Moorfeld verſagte dieſer
Mittheilung ſeinen Beifall nicht und fügte hinzu, er zweifle nicht, daß
die Ehre Europa's und Amerika's in allen Punkten einander verſtehen
würden. Herrn Staunton's Abfälligkeit gegen das erſtere nöthigte
ihm die gelinde Rüge ab. Die Geſellſchaft ſetzte ſich zu Tiſche.
Der junge Fremde glaubte noch immer einen beleidigten Zug in
Sarah's Mienen zu finden, und nahm ſich die Mühe, denſelben zu ban¬
nen. Er erwies dem Mädchen alle Aufmerkſamkeit, ſowohl die ſie
fordern konnte, als die ein junger geiſtreicher Mann freiwillig gegen
ihr Geſchlecht verſchenkt. Er war aber nicht glücklich. Das Gefühl
der Kränkung lag wie ein intereſſanter Thau auf dieſer abgeblühten
Blume und kein Sonnenpfeil Apollo's war im Stande ihn hinwegzu¬
glühen. Er gerieth endlich auf den Gedanken, daß dieſer Thau —
gemalt ſei und gab ſeine wohlmeinende Bemühungen auf, eh' er der
Verſuchung erlag, in eine feine Satyre umzuſchlagen und der unbe¬
ſcheidenen Spröden für das fingirte Weh ein kleines ächtes Thränchen
abzupeinigen.
Bis hieher hatte Moorfeld dem Tiſche noch keine Aufmerkſamkeit
geſchenkt, deßungeachtet wandte er ſich jetzt an die Hausfrau und machte
ihr ein Compliment darüber. Als er ſah, daß die Phraſe eindruck¬
los abprallte, ſchrieb er es ſeiner Ausſprache zu und wiederholte eine
der ſchönſten engliſchen Artigkeiten mit der correcteſten Deutlichkeit.
Der Eindruck erfolgte nun zwar, er war aber womöglich entgegenge¬
ſetzt. Die geſchmeichelte Hausfrau ſah in dieſem Augenblicke faſt ſo
beleidigt aus, wie ihre Tochter Sarah: ſie blickte kalt und ſtolz nieder,
und warf irgend ein Wort hin, das Moorfeld ſeinerſeits nicht verſtand.
Herr Staunton legte ſich in's Mittel, indem er halb gegen ſeine Frau,
halb gegen Moorfeld gewendet, erſterer auseinanderſetzte, der ſehr
verehrte Gaſt habe eine dankenswerthe Meinung geäußert, welche blos
in der Vorausſetzung irrig ſei, daß eine amerikaniſche Lady ſich in der
Küche beſchäftige. Unſere freie und aufgeklärte Nation, fuhr er fort,
findet einen ihrer ſchönſten Vorzüge vor den übrigen Völkern der Erde
in dem Bewußtſein, den Frauen eine Stellung eingeräumt zu haben,
welche dieſen zarten Blumen der Menſchheit allein als die natürliche
und berechtigte zukommt. Kein amerikaniſcher Bürger, der ſich nicht auf
der Höhe, ſondern nur auf dem Niveau der öffentlichen Meinung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/48>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.