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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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wir sind hier nicht zusammen kommen, daß ich dir Späß' vormach',
sondern mir ist's Ernst, und das bitterer. Sieh, ich bin noch ganz
der Nämlich' gegen euch, wie da ich gangen bin, aber die Sach' ist
ein wenig anders worden. Zuerst und vor allem andern muß ich dir
sagen, daß ich der Christine mein Wort halt', der Schein mag sein
wie er will.

Das kannst ihr ja selber sagen, Frieder, sagte Jerg mit schlauem
Lächeln.

Nein, Jerg, das ist's ja eben. Sich, ich will und muß dir's frei
heraus bekennen, daß ich hab' versprechen müssen, mit deiner Schwester
weder mündlich noch schriftlich etwas zu haben.

Das ist freilich ein ander Ding, sagte Jerg.

Hör' mich vor aus. Wenn ich nichts mehr von ihr wollt', so
hätt' ich mir's ersparen können mit dir zu reden; aber darum grad'
hab' ich dich ja hieher bestellt, denn mit dir ist mir's nicht verboten.

So red', daß man weiß, wie man mit dir dran ist.

Sieh, Jerg, wie ich die Stell' bei meinem Vetter besetzt gefunden
hab', und ist meines Bleibens nicht gewesen, da ist mir die Welt auf
einmal vorkommen, wie ein groß Wasser, in das ich gestoßen bin und
untergesunken bis an Hals. Ich hab' auch die Welt erst kennen
lernen und hab' jetzt eingesehen, daß es nicht so leicht ist in dem
Wasser zu schwimmen, als ich vorher gemeint hab', und hab' keine
Gelegenheit hinausgelassen, mit verständigen Leuten drüber zu reden,
die in der Welt herumgekommen sind. Sieh, überall ist Alles zünftig,
und da kann man nicht so hinein sitzen wie man will. Das kann
nur der, der ein Geschäft ererbt oder so viel Geld hat, um sich eins
zu kaufen. Andere schlupfen hinein, indem sie eine Meisterstochter
oder Wittwe heirathen, und dabei muß man oft ein Aug' zudrucken
und dem Teufel ein Bein brechen, auch oftmals einen krummen Buckel
machen, bis man Allen recht ist, die ein Wort mitzureden haben, oder
man muß gar zum schlechten Kerl werden, seinen Eid brechen und
seinen Schatz sitzen lassen, vielleicht mit dem Kind dazu. Wieder
Andere kommen gar nicht hinein und bringen's ihr Lebtag zu nichts.
Ich hab' glaubt, wenn ich die Christine nachkommen ließ' und thät'
ihr einen Dienst verschaffen, so könnten wir, jedes in seinem Dienst,
nach und nach einiges erübrigen und einander zuletzt heirathen. Aber

wir ſind hier nicht zuſammen kommen, daß ich dir Späß' vormach',
ſondern mir iſt's Ernſt, und das bitterer. Sieh, ich bin noch ganz
der Nämlich' gegen euch, wie da ich gangen bin, aber die Sach' iſt
ein wenig anders worden. Zuerſt und vor allem andern muß ich dir
ſagen, daß ich der Chriſtine mein Wort halt', der Schein mag ſein
wie er will.

Das kannſt ihr ja ſelber ſagen, Frieder, ſagte Jerg mit ſchlauem
Lächeln.

Nein, Jerg, das iſt's ja eben. Sich, ich will und muß dir's frei
heraus bekennen, daß ich hab' verſprechen müſſen, mit deiner Schweſter
weder mündlich noch ſchriftlich etwas zu haben.

Das iſt freilich ein ander Ding, ſagte Jerg.

Hör' mich vor aus. Wenn ich nichts mehr von ihr wollt', ſo
hätt' ich mir's erſparen können mit dir zu reden; aber darum grad'
hab' ich dich ja hieher beſtellt, denn mit dir iſt mir's nicht verboten.

So red', daß man weiß, wie man mit dir dran iſt.

Sieh, Jerg, wie ich die Stell' bei meinem Vetter beſetzt gefunden
hab', und iſt meines Bleibens nicht geweſen, da iſt mir die Welt auf
einmal vorkommen, wie ein groß Waſſer, in das ich geſtoßen bin und
untergeſunken bis an Hals. Ich hab' auch die Welt erſt kennen
lernen und hab' jetzt eingeſehen, daß es nicht ſo leicht iſt in dem
Waſſer zu ſchwimmen, als ich vorher gemeint hab', und hab' keine
Gelegenheit hinausgelaſſen, mit verſtändigen Leuten drüber zu reden,
die in der Welt herumgekommen ſind. Sieh, überall iſt Alles zünftig,
und da kann man nicht ſo hinein ſitzen wie man will. Das kann
nur der, der ein Geſchäft ererbt oder ſo viel Geld hat, um ſich eins
zu kaufen. Andere ſchlupfen hinein, indem ſie eine Meiſterstochter
oder Wittwe heirathen, und dabei muß man oft ein Aug' zudrucken
und dem Teufel ein Bein brechen, auch oftmals einen krummen Buckel
machen, bis man Allen recht iſt, die ein Wort mitzureden haben, oder
man muß gar zum ſchlechten Kerl werden, ſeinen Eid brechen und
ſeinen Schatz ſitzen laſſen, vielleicht mit dem Kind dazu. Wieder
Andere kommen gar nicht hinein und bringen's ihr Lebtag zu nichts.
Ich hab' glaubt, wenn ich die Chriſtine nachkommen ließ' und thät'
ihr einen Dienſt verſchaffen, ſo könnten wir, jedes in ſeinem Dienſt,
nach und nach einiges erübrigen und einander zuletzt heirathen. Aber

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[174/0190] wir ſind hier nicht zuſammen kommen, daß ich dir Späß' vormach', ſondern mir iſt's Ernſt, und das bitterer. Sieh, ich bin noch ganz der Nämlich' gegen euch, wie da ich gangen bin, aber die Sach' iſt ein wenig anders worden. Zuerſt und vor allem andern muß ich dir ſagen, daß ich der Chriſtine mein Wort halt', der Schein mag ſein wie er will. Das kannſt ihr ja ſelber ſagen, Frieder, ſagte Jerg mit ſchlauem Lächeln. Nein, Jerg, das iſt's ja eben. Sich, ich will und muß dir's frei heraus bekennen, daß ich hab' verſprechen müſſen, mit deiner Schweſter weder mündlich noch ſchriftlich etwas zu haben. Das iſt freilich ein ander Ding, ſagte Jerg. Hör' mich vor aus. Wenn ich nichts mehr von ihr wollt', ſo hätt' ich mir's erſparen können mit dir zu reden; aber darum grad' hab' ich dich ja hieher beſtellt, denn mit dir iſt mir's nicht verboten. So red', daß man weiß, wie man mit dir dran iſt. Sieh, Jerg, wie ich die Stell' bei meinem Vetter beſetzt gefunden hab', und iſt meines Bleibens nicht geweſen, da iſt mir die Welt auf einmal vorkommen, wie ein groß Waſſer, in das ich geſtoßen bin und untergeſunken bis an Hals. Ich hab' auch die Welt erſt kennen lernen und hab' jetzt eingeſehen, daß es nicht ſo leicht iſt in dem Waſſer zu ſchwimmen, als ich vorher gemeint hab', und hab' keine Gelegenheit hinausgelaſſen, mit verſtändigen Leuten drüber zu reden, die in der Welt herumgekommen ſind. Sieh, überall iſt Alles zünftig, und da kann man nicht ſo hinein ſitzen wie man will. Das kann nur der, der ein Geſchäft ererbt oder ſo viel Geld hat, um ſich eins zu kaufen. Andere ſchlupfen hinein, indem ſie eine Meiſterstochter oder Wittwe heirathen, und dabei muß man oft ein Aug' zudrucken und dem Teufel ein Bein brechen, auch oftmals einen krummen Buckel machen, bis man Allen recht iſt, die ein Wort mitzureden haben, oder man muß gar zum ſchlechten Kerl werden, ſeinen Eid brechen und ſeinen Schatz ſitzen laſſen, vielleicht mit dem Kind dazu. Wieder Andere kommen gar nicht hinein und bringen's ihr Lebtag zu nichts. Ich hab' glaubt, wenn ich die Chriſtine nachkommen ließ' und thät' ihr einen Dienſt verſchaffen, ſo könnten wir, jedes in ſeinem Dienſt, nach und nach einiges erübrigen und einander zuletzt heirathen. Aber

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/190>, abgerufen am 27.11.2024.