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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Ja, Herr Pfarrer, und mit heiligen Eiden.

Saubere Eide! sagte der Pfarrer und las aus dem vor ihm lie¬
genden Protokoll: "Er habe ihr die Ehe mit vielen Verpflichtungen
versprochen; wenn er sie nicht behalte, so solle das erste Nachtmahl
ihm das Herz abstoßen." Ist dem so?

Ja, Herr Pfarrer, accurat so hab' ich gesagt, antwortete Friedrich
ganz vergnügt, daß Christine durch diese Aussage seine redliche Absicht
so klar dargelegt hatte.

Er Gotteslästerer! fuhr der Pfarrer auf, heißt das ein heiliger
Eid, wenn man den Namen Gottes oder seines heiligen Sacramentes
so unnütz und ruchlos führt? Ich muß es dem Herrn Amtmann an¬
heimgeben, ob er es nicht seines Amtes hält, gegen diesen offenbaren
Frevel vorzufahren.

Für Sein Fluchen und Schwören, nahm der Amtmann gegen
Friedrich gewendet das Wort, ist Ihm hiemit ein Pfund Heller ange¬
setzt, unangesehen der andern Strafe, die Ihn für Sein Vergehen
trifft.

Der Pfarrer beeilte sich, den Strafsatz in's Protokoll einzutragen
und dem Heiligenpfleger aufzugeben, daß er das Geld von dem Contra¬
venienten richtig einziehe.

Ich muß es leiden, sagte Friedrich gelassen, aber mein Herz hat
nichts Böses dabei gedacht, ich hab' nicht fluchen und nicht schwören
wollen, sondern blos ein recht festes Versprechen ablegen.

Das thut man nicht in so ruchlosen Ausdrücken, die Gott betrü¬
ben müssen, versetzte der Pfarrer.

Wie kannst du, Lump, fuhr jetzt sein Vormund gegen ihn auf,
wie kannst du ein Versprechen geben und ein Eh'verlöbniß eingehen
ohne Einwilligung deines Vaters, da du doch minderjährig bist?

Das wird sich auch bei der Strafe finden, Herr Senator, bemerkte
der Amtmann. Wenn sponsalia clandestina gewesen sind oder ein
minderjähriger Bursche sich vor erlangter Dispensation verlobt, so ist
laut Resolution vom -- er blätterte eine Weile in den umher lie¬
genden Gesetzen, Rescripten und Normalien, und fuhr dann ärgerlich,
die Stelle nicht gleich zu finden, fort: so ist laut hochfürstlicher Reso¬
lution, die vor kaum vier Jahren emaniret, das Vergehen nicht als

Ja, Herr Pfarrer, und mit heiligen Eiden.

Saubere Eide! ſagte der Pfarrer und las aus dem vor ihm lie¬
genden Protokoll: „Er habe ihr die Ehe mit vielen Verpflichtungen
verſprochen; wenn er ſie nicht behalte, ſo ſolle das erſte Nachtmahl
ihm das Herz abſtoßen.“ Iſt dem ſo?

Ja, Herr Pfarrer, accurat ſo hab' ich geſagt, antwortete Friedrich
ganz vergnügt, daß Chriſtine durch dieſe Ausſage ſeine redliche Abſicht
ſo klar dargelegt hatte.

Er Gottesläſterer! fuhr der Pfarrer auf, heißt das ein heiliger
Eid, wenn man den Namen Gottes oder ſeines heiligen Sacramentes
ſo unnütz und ruchlos führt? Ich muß es dem Herrn Amtmann an¬
heimgeben, ob er es nicht ſeines Amtes hält, gegen dieſen offenbaren
Frevel vorzufahren.

Für Sein Fluchen und Schwören, nahm der Amtmann gegen
Friedrich gewendet das Wort, iſt Ihm hiemit ein Pfund Heller ange¬
ſetzt, unangeſehen der andern Strafe, die Ihn für Sein Vergehen
trifft.

Der Pfarrer beeilte ſich, den Strafſatz in's Protokoll einzutragen
und dem Heiligenpfleger aufzugeben, daß er das Geld von dem Contra¬
venienten richtig einziehe.

Ich muß es leiden, ſagte Friedrich gelaſſen, aber mein Herz hat
nichts Böſes dabei gedacht, ich hab' nicht fluchen und nicht ſchwören
wollen, ſondern blos ein recht feſtes Verſprechen ablegen.

Das thut man nicht in ſo ruchloſen Ausdrücken, die Gott betrü¬
ben müſſen, verſetzte der Pfarrer.

Wie kannſt du, Lump, fuhr jetzt ſein Vormund gegen ihn auf,
wie kannſt du ein Verſprechen geben und ein Eh'verlöbniß eingehen
ohne Einwilligung deines Vaters, da du doch minderjährig biſt?

Das wird ſich auch bei der Strafe finden, Herr Senator, bemerkte
der Amtmann. Wenn sponsalia clandestina geweſen ſind oder ein
minderjähriger Burſche ſich vor erlangter Dispenſation verlobt, ſo iſt
laut Reſolution vom — er blätterte eine Weile in den umher lie¬
genden Geſetzen, Reſcripten und Normalien, und fuhr dann ärgerlich,
die Stelle nicht gleich zu finden, fort: ſo iſt laut hochfürſtlicher Reſo¬
lution, die vor kaum vier Jahren emaniret, das Vergehen nicht als

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[186/0202] Ja, Herr Pfarrer, und mit heiligen Eiden. Saubere Eide! ſagte der Pfarrer und las aus dem vor ihm lie¬ genden Protokoll: „Er habe ihr die Ehe mit vielen Verpflichtungen verſprochen; wenn er ſie nicht behalte, ſo ſolle das erſte Nachtmahl ihm das Herz abſtoßen.“ Iſt dem ſo? Ja, Herr Pfarrer, accurat ſo hab' ich geſagt, antwortete Friedrich ganz vergnügt, daß Chriſtine durch dieſe Ausſage ſeine redliche Abſicht ſo klar dargelegt hatte. Er Gottesläſterer! fuhr der Pfarrer auf, heißt das ein heiliger Eid, wenn man den Namen Gottes oder ſeines heiligen Sacramentes ſo unnütz und ruchlos führt? Ich muß es dem Herrn Amtmann an¬ heimgeben, ob er es nicht ſeines Amtes hält, gegen dieſen offenbaren Frevel vorzufahren. Für Sein Fluchen und Schwören, nahm der Amtmann gegen Friedrich gewendet das Wort, iſt Ihm hiemit ein Pfund Heller ange¬ ſetzt, unangeſehen der andern Strafe, die Ihn für Sein Vergehen trifft. Der Pfarrer beeilte ſich, den Strafſatz in's Protokoll einzutragen und dem Heiligenpfleger aufzugeben, daß er das Geld von dem Contra¬ venienten richtig einziehe. Ich muß es leiden, ſagte Friedrich gelaſſen, aber mein Herz hat nichts Böſes dabei gedacht, ich hab' nicht fluchen und nicht ſchwören wollen, ſondern blos ein recht feſtes Verſprechen ablegen. Das thut man nicht in ſo ruchloſen Ausdrücken, die Gott betrü¬ ben müſſen, verſetzte der Pfarrer. Wie kannſt du, Lump, fuhr jetzt ſein Vormund gegen ihn auf, wie kannſt du ein Verſprechen geben und ein Eh'verlöbniß eingehen ohne Einwilligung deines Vaters, da du doch minderjährig biſt? Das wird ſich auch bei der Strafe finden, Herr Senator, bemerkte der Amtmann. Wenn sponsalia clandestina geweſen ſind oder ein minderjähriger Burſche ſich vor erlangter Dispenſation verlobt, ſo iſt laut Reſolution vom — er blätterte eine Weile in den umher lie¬ genden Geſetzen, Reſcripten und Normalien, und fuhr dann ärgerlich, die Stelle nicht gleich zu finden, fort: ſo iſt laut hochfürſtlicher Reſo¬ lution, die vor kaum vier Jahren emaniret, das Vergehen nicht als

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/202>, abgerufen am 24.11.2024.